Pflegeversicherung: Beiträge könnten sich bis 2040 verdoppeln
Der demografische Wandel und Leistungsansprüche setzen die soziale Pflegeversicherung massiv unter Druck. Versicherte müssen in den kommenden Jahren mit stark steigenden Beiträgen rechnen. Das geht aus Hochrechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der PKV (WIP) hervor. Als eine Lösung fordert der PKV-Verband eine kapitalgedeckte Vorsorge.
Im April 2023 hatte das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf für eine Pflegereform beschlossen. Im Rahmen dessen wurden unter anderem Zuschläge für Pflegebedürftige in Heimen angehoben. Auch Eltern mit zwei und mehr Kindern sollen durch die Reform in der Erziehungsphase entlastet werden.
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Überdies wurden zum 1. Juli 2023 die Beitragssätze zur Pflegeversicherung nach oben korrigiert. Kinderlose zahlen seither 4,0 Prozent Pflegebeitrag. Vorher waren es 3,4 Prozent. Eltern mit einem Kind bezahlen seither 3,40 Prozent statt 3,05 Prozent. Gleichezeitig wurden Eltern mit zwei und mehr Kindern im Vergleich zu anderen Beitragszahlern entlastet. Der Beitragssatz zur Pflegeversicherung pro Kind wurde um 0,25 Beitragssatzpunkte gesenkt. Damit soll auch angemessen auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2022 reagiert werden, wonach die Kinderzahl bei den Beiträgen zur Pflegeversicherung berücksichtigt werden muss. Der verminderte Beitrag gilt jedoch nur noch, solange die Kinder jünger als 25 Jahre sind. Gesetzlich Pflegeversicherte mit zwei Kindern unter 25 Jahren zahlen damit seit 1. Juli 2023 einen Pflegebeitragssatz von 3,15 Prozent. Dem entgegen zahlen Versicherte mit drei Kindern einen Beitragssatz von 2,90 Prozent, Versicherte mit vier Kindern von 2,65 Prozent und Versicherte mit 5 oder mehr Kindern von 2,40 Prozent.
Starker Beitragsanstieg droht in der Pflegeversicherung
Bei den aktuellen Beitragssätzen dürfte es derweil nicht bleiben. Bis ins Jahr 2040 könnte sich der Beitragssatz sogar mehr als verdoppeln. Das hat das Wissenschaftliche Institut der privaten Krankenversicherungen (WIP) hochgerechnet. In der Studie „Zur Zukunftsfähigkeit der Sozialen Pflegeversicherung“ hat sich die Einheit des PKV-Verbands mit der Beitragsentwicklung befasst. Dabei wurden die Einnahmen und Ausgaben der vergangenen Jahre unter die Lupe genommen und auf die kommenden Jahre hochgerechnet. Allein in den letzten zwanzig Jahren seien die Ausgaben in der Sozialen Pflegeversicherung um durchschnittlich 5,7 Prozent gestiegen. Parallel dazu hätten sich die Einnahmen im Schnitt um zwei Prozent erhöht.
Würde sich der Trend der letzten 20 Jahre fortsetzen, müsste der Beitragssatz für Versicherte ohne Kinder schon 2030 bei 5,9 Prozent liegen (2024: 4,0 Prozent). Bis ins Jahr 2040 würde sich der Beitragssatz sogar mehr als verdoppeln. „Die Soziale Pflegeversicherung lebt seit Jahren über ihre Verhältnisse. Ein ‘Weiter so’ wird es nicht geben können, die hohe Steuer- und Abgabenquote schwächt die internationale Wettbewerbsfähigkeit“, kommentiert der Leiter des WIP, Frank Wild, die Ergebnisse der Beitragssatzprognose.
Die Studienautoren machten gleich mehrere Kostentreiber der vergangenen Jahre aus. So hätten mehrfache Erhöhungen der Leistungsansprüche durch den Gesetzgeber die Finanzierungslage zusätzlich zur demografischen Situation verschärft. Insbesondere die Pflegestärkungsgesetze I und II seien hier zu nennen. Diese hätten bereits im Einführungsjahr zu sehr hohen Ausgabensteigerungen von 13,4 Prozent (2015) beziehungsweise 22,9 Prozent (2017) geführt. Auch in den Folgejahren sei es zu einem höheren Ausgabenniveau gekommen.
„Diese alarmierenden Daten zeigen: Wer Leistungsausweitungen in der umlagefinanzierten Pflegeversicherung fordert, verursacht eine Kostenexplosion und belastet rücksichtslos die Beitragszahler und deren Arbeitgeber“, erklärt PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther.
Auch habe die Bundesregierung das erforderliche Finanzvolumen für die Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen (§ 43c SGB XI) unterschätzt. Ursprünglich waren für das Jahr 2022 Mehrausgaben von 2,75 Milliarden Euro eingeplant worden. Tatsächlich dürften die Ausgaben bei 3,6 Milliarden Euro gelegen haben. Für 2024 sind laut den WIP-Berechnungen voraussichtlich sogar Ausgaben in Höhe von 5,4 Milliarden Euro zu erwarten.
„Immer höhere Beiträge oder zusätzliche Steuerzuschüsse sind keine generationengerechte Lösung. Dringend nötig wäre stattdessen mehr kapitalgedeckte Vorsorge. Sonst werden die alternden Babyboomer-Jahrgänge das umlagefinanzierte System der Pflegekassen überfordern“, warnt Florian Reuther. „Für eine nachhaltige Finanzreform setzen Wissenschaftler wie der Pflege-Expertenrat unter Prof. Wasem oder der Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine kapitalgedeckte Pflegezusatzversicherung. Solche privaten oder betrieblichen Vorsorge-Lösungen kann die Politik mit einfachen Mitteln fördern, etwa durch Abgabenfreiheit der Beiträge“, empfiehlt Reuther.
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