Im Saarland und in Rheinland-Pfalz sorgte lang anhaltender Starkregen erneut zu Millionenschäden: Straßen und Keller standen unter Wasser, viele Menschen mussten evakuiert werden, die Energieversorgung brach in manchen Regionen zusammen. Der SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner nimmt dies zum Anlass, um erneut für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden zu werben.

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“Das schlimme Hochwasser im Saarland ist leider ein weiterer Beleg dafür, dass Extremwetterereignisse weiter zunehmen und zu immer größeren Schäden führen werden. Weil diese Folgen des Klimawandels jeden treffen können, brauchen wir günstige Versicherungen gegen Elementarschäden“, sagt Fechner laut Deutscher Presse-Agentur.

Als Lösung schlägt die SPD eine Angebotspflicht für Wohngebäudeversicherer vor. „Die Versicherungsunternehmen werden, wie in Frankreich, verpflichtet, Immobilieneigentümern eine Elementarschadenversicherung mit jeder Wohngebäudeversicherung anzubieten. Der Abschluss einer Gebäudeversicherung ohne den Schutz gegen Elementarschäden ist dadurch künftig nicht mehr möglich. Alle Versicherungsnehmer einer Gebäudeversicherung sind damit gegen die Auswirkungen von Naturkatastrophen, Stark- und Extremwetterereignisse abgesichert“, heißt es hierzu in einem Positionspapier, das die FDP-Bundestagsfraktion bereits im März veröffentlicht hat.

Dabei soll den Versicherern gesetzlich vorgeschrieben werden, welche Gefahren sie verpflichtend in ihren Vertragsbedingungen abdecken müssen. Auch für diese Regel ist Frankreich Vorbild - sie soll verhindern, dass Versicherer Ausschlüsse formulieren oder den Schutz stark deckeln können. „Wir werden gesetzlich einen Katalog von Naturgefahren definieren, deren Schäden von der Versicherung erfasst sind. Dabei muss es sich um außergewöhnliche bzw. extreme Ereignisse handeln, wie Hochwasser bzw. Überschwemmungen durch Starkregenereignisse oder steigendes Grundwasser, Lawinen, Erdbeben oder Bodensenkungen nach erheblichem Regen“, schreibt die SPD im Positionspapier. Der Elementarschutz müsse insbesondere auch Schäden durch Sturmfluten abdecken.

Vorbild: französisches CatNat-System

Konkret besteht eine solche Versicherungspflicht in Frankreich seit 1982, wie das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz (ZEV) in einer Studie berichtet. Damals wurde ein Rückversicherungssystem etabliert (régime catastrophe naturelle, das sog. „CatNat-System“), das den Versicherern den Gestaltungsspielraum bei den Verträgen weitestgehend entzieht und strikte Vorgaben macht. So besteht Kontrahierungszwang: Die Versicherer dürfen keinen Hausbesitzer aufgrund einer hochwassergefährdeten Lage seiner Immobilie ablehnen. Auch in der Vertragsgestaltung sind sie nicht frei, sie müssen standardisierte Klauseln anbieten.

Damit auch die Versicherer mit den finanziellen Folgen von Naturereignissen nicht überlastet sind, hat der Staat eine Rückversicherungslösung zwischengeschaltet. Die Caisse centrale de réassurance (CCR) ist ein öffentlicher Rückversicherer, der sich zu 100 Prozent in Besitz des französischen Staates befindet, auch wenn er 1992 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde.

Der Rückversicherer finanziert sich aus den Prämienzahlungen der Erstversicherer, kann aber auf eine Staatsgarantie zurückgreifen, wenn die eigenen Mittel nicht ausreichen, um alle Hauseigentümer nach einem Großschaden zu entschädigen. Fast alle französischen Wohngebäudeversicherer nehmen den Rückversicherungsschutz der CCR in Anspruch. Was sie an den Rückversicherer zahlen müssen, berechnet sich nach einer Quotenformel: Der Erstversicherer zahlt an den Rückversicherer einen festgelegten Anteil der von ihm eingenommenen Versicherungssummen. Alternativ können die Erstversicherer auch einen "Stop-Loss"-Vertrag bei der CCR abschließen. Dann erstattet der Rückversicherer dem Erstversicherer alle von ihm geleisteten Entschädigungen, die über einen festgelegten Betrag hinausgehen.

Grundlage des Elementarschadensystems in Frankreich ist das Prinzip der nationalen Solidarität. Es hat Verfassungsrang und leitet sich direkt aus der Präambel der französischen Verfassung von 1946 ab. Dort heißt es in Absatz 12: „Die Nation verkündet die Solidarität und Gleichheit aller Franzosen vor den Lasten, die aus nationalen Katastrophen resultieren“.

Von einer Einheitsprämie kann in Frankreich jedoch insofern nicht gesprochen werden, weil der Staat nicht festlegt, wie hoch die Prämien für Wohngebäudeversicherungen inklusive Elementarschutz sind. Zwar gibt es kein Zürs-System wie in Deutschland, an dem sich die Versicherer bei der Preisgestaltung hinsichtlich der Elementarrisiken orientieren. Dennoch ist die Prämie laut der ZEV-Studie dem Markt unterworfen. Sie richtet sich unter anderem nach dem Versicherungsort, dem Wert der Immobilie, der Größe und dem Alter.

Laut ZEV ist das französische Modell aber sehr erfolgreich. Die durchschnittliche Prämie für den separaten Elementarschutz liege bei 26 Euro im Jahr, 98 Prozent aller Haushalte und Unternehmen seien versichert. Das liege daran, dass sich das Risiko, einen entsprechenden Schaden zu erleiden, auf mehr Schultern verteile. Die Prämie zahlen schließlich auch jene, die in einer wenig hochwasserbedrohten Region ihr Haus stehen haben.

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In Deutschland meldete zuletzt die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) Zweifel an, dass eine Elementarschaden-Versicherungspflicht die Prämien wirksam begrenzen könne. Das liege am besonderen Kumulcharakter von Elementarschäden. Kumul leitet sich vom lateinischen Begriff „kumulus“ ab, was soviel wie „Anhäufung“ bedeutet. Und damit ist bereits der Charakter solcher Schäden benannt: Sie treten zur gleichen Zeit vielfach und weit verbreitet auf, sodass auch die Versicherer zeitgleich sehr viele Schäden ersetzen müssen. Maximilian Happacher, Vorsitzender der DAV, erklärte hierzu: „Es gibt vereinzelt die Behauptung, eine Pflichtversicherung führe zu geringeren Prämien, weil dann die Zunahme der Versichertenzahl das Gesamtkollektiv entlaste. Das ist nicht erwartbar, weil dieser Mechanismus im Falle von Elementarschadenversicherungen nicht in dem Maße greift, wie mancher es sich erhofft. Denn bei Hochwasser sind eben in der Regel alle Häuser in einer Region, die eine bestimmte Gefahrenklasse aufweisen, gleichermaßen gefährdet", so Happacher.