Die Bundesregierung streitet um die Rente: eigentlich wurde das sogenannte Rentenpaket II schon vorgestellt und auf den Weg gebracht, da stellte sich zunächst Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) quer - und die Bundestagsfraktion der FDP will ihre Zustimmung verweigern. Es ist vor allem der erwartete hohe Anstieg des Rentenbeitrags, der den Widerstand der Liberalen provoziert. Bis zum Jahr 2035 muss der Rentenbeitrag nach Berechnungen der Bundesregierung auf über 22 Prozent steigen, um das Paket umzusetzen - eine Mehrbelastung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die auch zulasten jüngerer Generationen gehen dürfte.

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In diese Debatte schaltet sich nun Monika Schnitzer ein, die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen. Sie fordert, dass eine Rentenreform schnell umgesetzt wird - und weiter geht, als dies bisher geplant ist. Denn aus ihrer Sicht schießen die Kosten derart in die Höhe, dass dies nicht mehr tragfähig ist.

“Es wäre wichtig, dass man einen parteiübergreifenden Konsens über eine Reform der Rente insgesamt erreicht. Das wäre das Gebot der Stunde. Wir können es uns nicht leisten, einfach die Renten weiter so steigen zu lassen wie bisher“, sagte Schnitzer der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin.

"Rente mit 63": von Personen genutzt, die weiter arbeiten könnten

Korrekturbedarf sieht Schnitzer bei der so genannten Rente mit 63. Die FDP will diese abschaffen, weil sie darin einen wichtigen Grund sieht, dass die Kosten im Rentensystem aus dem Ruder laufen. So weit geht Schnitzer nicht. Sie lässt aber das Argument, dass vor allem Menschen mit körperlich herausfordernden Tätigkeiten davon profitieren, nicht gelten:

"Wenn man sich anschaut, wer sie in Anspruch nimmt, dann sind das Beschäftigte, die durchschnittlich verdient haben und überdurchschnittlich gesund sind. Also gerade nicht die Dachdecker, die nach einem langen Arbeitsleben nicht mehr können, sondern Menschen, die gesund sind und eigentlich noch weiterarbeiten könnten, Menschen, die durchschnittlich verdient haben und gut von ihrer Rente leben können, erst recht, wenn sie ohne Abschläge in Rente gehen", so Schnitzer gegenüber dpa. Grundsätzlich brauche es weitere Anreize, damit Beschäftigte auch freiwillig länger arbeiten - und entsprechend später in Rente gehen. Die Rente mit 63 solle hingegen zukünftig lediglich Geringverdienern offen stehen.

Schnitzer verweist darauf, dass schon bald zahlreiche Babyboomer in die Rente wechseln werden: Folglich gebe es weniger Beschäftigte, die die Rentenbeiträge zahlen könnten. „Das Problem ist, dass die Babyboomer einen Teil des Generationenvertrags nicht eingehalten haben. Sie haben mit ihren Beiträgen für die Rentner und Rentnerinnen bezahlt. Aber sie haben nicht ausreichend viele Kinder bekommen und großgezogen, um später genügend Beitragszahler für ihre eigene Rente zu haben. Damit müssen wir irgendwie umgehen“, positioniert sich die Ökonomin.

Dementsprechend soll künftig auch der Anstieg der Renten gedrosselt werden. Zwar solle das Niveau beim Renteneinstieg nicht abgesenkt werden. „Aber die Zuwächse sollten begrenzt werden. Zurzeit sind die Rentenerhöhungen gekoppelt an die Lohnentwicklung. Das machen nur ganz wenige Länder so“, gibt Schnitzer zu bedenken. Zukünftig solle sich der Rentenanstieg stattdessen, wie in vielen anderen Staaten auch, an der Inflation orientieren. „In normalen Zeiten, wenn die Inflation nicht so hoch ist wie die Lohnentwicklung, würde das bedeuten: Man ist weniger stark an der Wirtschaftsentwicklung beteiligt. Aber die Kaufkraft bleibt zumindest erhalten“.

Wirtschaftsweise sehen Verteilungskonflikt zwischen Beitragszahlern und Rentnern

Neu sind diese Vorschläge nicht: Die Wirtschaftsweisen hatten sie bereits in ihrem Jahresgutachten 2023/24 unterbreitet. Und dabei auch eine Reform der privaten Altersvorsorge angemahnt. Man müsse letztlich auch mehr selbst für die Rente ansparen, sagt Schnitzer nun. Vier der fünf Wirtschaftsweisen hatten sich hierbei für einen staatlich organisierten Aktienfonds als Standardprodukt für die private Altersvorsorge ausgesprochen, bei dem vor allem Geringverdiener staatlich gefördert werden.

Dass die derzeitig geplanten Rentenreformen der Bundesregierung nicht ausreichen, um die Rente zukunftsfest zu machen, hatten die Wirtschaftsweisen bereits in ihrem Jahresgutachten zu bedenken gegeben - und scharf kritisiert. „Das Sicherungsniveau festzuschreiben, wie es die Bundesregierung aktuell plant, ist keine nachhaltige Lösung, sondern verstärkt den absehbaren Anstieg der Beitragssätze noch. Dies verschärft den Verteilungskonflikt zwischen Rentenbeziehenden und Beitragszahlenden. Die Lasten der alternden Gesellschaft müssen zwischen sowie innerhalb dieser beiden Gruppen fairer geteilt werden. Eine Kombination verschiedener Maßnahmen ist dabei unverzichtbar“, hieß es hierzu in einem Pressetext zur Studie.

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Die SPD weist die Vorschläge jedoch zurück. "Wer jetzt eine solche Debatte anzettelt, hat ehrlicherweise nur eines im Sinn: die gesetzliche Rente zu kürzen. Das machen wir als SPD-Fraktion nicht mit", sagte Tanja Machalet, rentenpolitische Sprecherin der SPD, der WELT. Das deutsche Rentensystem sei auf Löhne und Beiträge bezogen. Deshalb sei es "nur gerecht", dass sich die Rentenhöhe vor allem nach der Höhe des vorherigen Arbeitseinkommens richte, argumentiert Machalet. Positiver zu den Vorschlägen äußert sich hingegen die FDP. „Für eine Rentenpolitik, die in Generationen denkt“, seien „alle Vorschläge willkommen, sollten ergebnisoffen geprüft und nicht vorschnell abgetan werden“, positioniert sich FDP-Politiker Pascal Kober ebenfalls gegenüber der WELT.