Im April hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gewarnt: Die Kfz-Versicherer sollten ihre Tarife stärker anheben, um wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgrund der sogenannten Schadeninflation zu vermeiden. Hier treffe ein beinahe verbittert geführter Preiswettbewerb auf die hohe Inflation, was dazu führe, dass viele Versicherer in bestimmten Sparten auch ein negatives versicherungstechnisches Ergebnis akzeptieren, um Kundinnen und Kunden zu gewinnen und zu halten. „Vor allem in der Kfz-Versicherung waren die Prämiensteigerungen branchenweit nicht deutlich genug, um das Geschäft profitabel zu betreiben. Dauerhaft defizitäre Sparten akzeptieren wir aber nicht“, sagte Julia Wiens, bei der Aufsichtsbehörde für die Versicherungsaufsicht zuständig, in einem Interview mit dem „Handelsblatt“.

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Doch da war die Wechselsaison für das Kfz-Geschäft bereits abgeschlossen: In der Regel laufen die Verträge zum Jahresende aus und werden entsprechend angepasst. Und die Autoversicherer hatten erneut nicht die Beiträge derart angehoben, wie dies für ein auskömmliches Versicherungsgeschäft notwendig wäre. Ebenfalls im April musste folglich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) einräumen, dass die deutschen Kfz-Versicherer in diesem Jahr voraussichtlich erneut massive Verluste erleiden werden. Der Branchenverband spricht von einem Defizit von bis zu zwei Milliarden Euro. Der GDV führt dies explizit auf die seit Jahren steigenden Preise für Ersatzteile und die hohen Stundensätze der Kfz-Werkstätten zurück.

„Nach unserer aktuellen Hochrechnung werden die Beitragseinnahmen auf rund 33,6 Milliarden Euro steigen, aber die Versicherer müssen zwischen 34,9 und 35,6 Milliarden Euro für Schäden und Verwaltung ausgeben“, erklärte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Bereits im letzten Jahr hatten die Kfz-Versicherer ein Minus von über drei Milliarden Euro verzeichnet. „Sowohl die Ersatzteile als auch die Arbeit in den Kfz-Werkstätten werden immer teurer. In diesem Jahr dürfte ein durchschnittlicher Sachschaden in der Kfz-Haftpflichtversicherung eines Pkw etwa 4.000 Euro kosten. 2014 waren es noch 2.500 Euro“, sagte Asmussen.

Branchenführer HUK-Coburg machte im Kfz-Bereich 216,3 Millionen Euro Verlust

Damit drückt der Verband in konkreten Zahlen aus, worüber sich die Branche schon seit geraumer Zeit heftig beklagt: Die Kfz-Versicherer müssen sich mit immer weiter wachsenden Aufwendungen für Autoreparaturen auseinandersetzen. Dieser Trend bewirkte selbst beim Branchen-Primus HUK-COBURG eine sich weiter verschlechternde sogenannte Schaden-Kosten-Quote im vergangenen Jahr, wie das Vorstandsmitglied der Versicherungsgruppe, Dr. Jörg Rheinländer, Anfang dieses Jahres beim aktuellen Goslar Diskurs der Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern e. V. (Goslar Institut) mitteilte. Infolgedessen schreiben die Unternehmen zum Teil tiefrote Zahlen in diesem Segment. Dr. Rheinländer machte beim Goslar Diskurs ebenfalls die immer teurer werdenden Ersatzteile und die steigenden Stundensätze in den Werkstätten für die Misere verantwortlich. Die Bilanz der HUK-Coburg weist im Bereich der Kfz-Versicherung einen Verlust von 216,3 Millionen Euro für das Jahr 2023 aus.

Bei den Policen, die zum Jahreswechsel erneuert wurden, habe die HUK die Prämien bereits um mehr als zehn Prozent erhöhen müssen, erklärte Rheinländer, der bei den Franken das Kfz-Versicherungsgeschäft verantwortet, bei der diesjährigen Bilanzpressekonferenz. Er schloss nicht aus, dass ähnliche Preisanhebungen auch bei den unterjährig abgeschlossenen Verträgen erfolgen müssen, die teilweise erst im Sommer verlängert werden. So habe man auch rund 100.000 Kundinnen und Kunden verloren: Die HUK ist ein Versicherer, der explizit mit günstigen Preisen wirbt. Unter dem Strich aber konnte der Branchenprimus erneut hinzugewinnen. Das Kfz-Neugeschäft habe sich von 1,2 Millionen auf 1,4 Millionen versicherte Fahrzeuge erhöht, sodass die HUK zum Jahresende 2023 rund 13,9 Millionen Autos versichert hatte.

Man sei den Kosten für Ersatzteile ein Stück weit ausgeliefert, bedauert Rheinländer, da es sich bei den designgeschützten Ersatzteilen quasi um einen Monopolmarkt handele. Nach Ansicht der Branche ist der sogenannte Designschutz dafür mitverantwortlich, dass viele Ersatzteile deutlich stärker im Preis gestiegen sind, als sich durch die allgemeine Inflation erklären lässt. Dieses Gesetz schreibt vor, dass bei der Reparatur eines Unfalls alle beschädigten sichtbaren Autoteile nur durch teure Original-Ersatzteile ersetzt werden dürfen. Die Designschutzrichtlinie 98/71/EG der EU, die durch das Designgesetz in Deutschland in nationales Recht umgesetzt wurde, räumt den Autoherstellern somit ein Quasi-Monopol ein, kritisieren nicht nur die Kfz-Versicherer.

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Die Autobauer nennen hingegen auch andere Gründe für die steigenden Preise: So müsse bei einem Schaden immer mehr Technik ersetzt werden, die früher noch gar nicht vorhanden gewesen sei: etwa Sensoren für Fahrassistenzsysteme, Kameras, Radarsysteme wie z.B. der Totwinkelassistent an hinteren Kotflügeln und hochauflösende Kameras für die Umgebungserfassung.