Ausschlussklausel in der Wohngebäudeversicherung: Streit um Erdbebenschaden
Eine Hausbesitzerin fordert Entschädigung für Erdbebenschäden in Höhe von 20.000 Euro. Der Versicherer verweigert die Zahlung, und der Ombudsmann muss die Klausel kritisch prüfen.
In seinem Jahresbericht schildert der Versicherungsombudsmann Fälle aus seiner Arbeitspraxis. Darunter einer, in dem sich eine Beschwerdeführerin an den Versicherungsombudsmann wandte, weil ihr Wohngebäudeversicherer einen Schaden an ihrem Haus nicht als Erdbebenschaden anerkennen wollte. Der Schaden wurde auf 20.000 Euro geschätzt. Unbestritten war, dass am Wohnort der Beschwerdeführerin ein Erdbeben mit einer Magnitude von 3,5 registriert wurde. Ein Regulierungsbeauftragter des Versicherers stellte an drei Gebäudeaußenwandflächen leichte Rissbildungen fest, die dem Erdbeben zugeordnet werden konnten. Der Versicherer lehnte jedoch die Regulierung mit der Begründung ab, dass die Standfestigkeit des Gebäudes nicht beeinträchtigt oder die Benutzbarkeit nur geringfügig gemindert sei.
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Die entsprechende Klausel in den Versicherungsbedingungen lautet:
„Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch [...] ff) Schäden, die infolge eines Erdbebens entstanden sind, wenn die Standfestigkeit der versicherten Sache noch gewährleistet ist oder deren Benutzbarkeit nur geringfügig gemindert ist.“
Der Anwalt der Beschwerdeführerin argumentierte, dass durch den Schaden die Standfestigkeit des Gebäudes nicht beeinträchtigt und die Benutzbarkeit nicht gemindert worden sei. Er wies darauf hin, dass der Ausschluss folgendermaßen zu lesen sei: „Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch [...] Schäden, die infolge eines Erdbebens entstanden sind, wenn die Standfestigkeit der versicherten Sache noch gewährleistet ist oder deren Benutzbarkeit nur geringfügig gemindert ist.“ Aus der Formulierung „Schäden durch Schäden“ schloss er, dass ein Vorschaden vorgelegen haben müsse, der sich vertieft habe. Einen solchen Vorschaden habe es aber nicht gegeben.
Der Versicherungsombudsmann folgte dieser Auslegung nicht. Er erklärte, dass sich ein vorhandener (Vor-)Schaden vergrößern oder ausweiten könne, aber nicht erst durch einen (weiteren) Erdbebenschaden entstehe. Die Formulierung „Schäden durch Schäden“ mache erkennbar keinen Sinn. Betrachtet man die Klausel insgesamt und dabei insbesondere die Einleitung „Nicht versichert sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch...“ in Verbindung mit den nachfolgenden Unterpunkten aa) bis ff), sei erkennbar, dass mit der Klausel das Ziel verfolgt werde, Schäden, die durch bestimmte Ursachen hervorgerufen werden, vom Versicherungsschutz auszuschließen. Die Klausel sei zwar in Verbindung mit dem Einleitungssatz nicht sauber formuliert, aber es bleibe erkennbar, dass bestimmte Schäden bei Erdbeben vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sein sollen.
Unabhängig davon prüfte der Ombudsmann, ob durch den Ausschluss der Vertragszweck gefährdet werde. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in einem Urteil zu dem Ausschluss von Schimmelschäden (Urteil vom 12. Juli 2017, Az. IV ZR 151/15) entschieden, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer von seiner Wohngebäudeversicherung einen umfassenden und – soweit sich aus ihr keine Einschränkungen ergeben – lückenlosen Schutz erwartet. Dieses Hauptleistungsversprechen des Versicherers schränkt die hier in Rede stehende Ausschlussklausel ein, indem Schäden erst ab einem bestimmten Ausmaß versichert sein sollen. Nach Auffassung des BGH bedeutet allerdings nicht jede Begrenzung des Leistungsversprechens eine Vertragszweckgefährdung. Eine Gefährdung des Vertragszwecks liege erst dann vor, wenn die Einschränkung den Vertrag seinem Gegenstand nach aushöhle und in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos mache.
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Nach Einschätzung des Versicherungsombudsmanns könne dies bei der hier maßgeblichen Ausschlussklausel der Fall sein, denn Erdbeben in Deutschland würden vermutlich in den wenigsten Fällen zu einer Beeinträchtigung der Standfestigkeit eines Gebäudes führen. Ob dem tatsächlich so sei, ließe sich nur auf Grundlage einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage, insbesondere mit sachverständiger Hilfe, beantworten. Da es dem Versicherungsombudsmann nach seiner Verfahrensordnung nicht möglich ist, ein entsprechendes Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben, konnte er nicht abschließend entscheiden, ob der Vertragszweck durch die Klausel gefährdet wird.