Um Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente durch die Deutsche Rentenversicherung zu haben, muss eine Ehe bzw. Lebenspartnerschaft mindestens ein Jahr bestanden haben. Denn die Rentenversicherung unterstellt eine Versorgungsabsicht, wenn ein Partner bzw. eine Partnerin zeitiger verstarb: also, dass nur deshalb geheiratet wurde, um den Hinterbliebenen finanziell abgesichert zu wissen.

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Doch in bestimmten Fällen können Hinterbliebenen noch Zahlungen aus einer Witwen- bzw. Witwerrente zustehen, wie ein aktuelles Urteil des Landgerichtes Berlin zeigt. Nämlich zum Beispiel dann, wenn eine Heirat schon längere Zeit geplant gewesen ist, aber aufgrund von Krankheit oder von äußeren Umständen immer wieder verschoben werden musste. Das Landgericht sprach einem Witwer eine Hinterbliebenenrente zu, dessen Frau im Juli 2020 an Krebs verstarb - obwohl das Paar erst seit drei Monaten verheiratet gewesen ist.

Im verhandelten Rechtsstreit hatte die beklagte Deutsche Rentenversicherung den Antrag auf Witwerrente im November 2020 abgelehnt. Mit der oben bereits erwähnten Begründung: Bei einer Ehe, die weniger als ein Jahr gedauert habe, gehe das Gesetz davon aus, dass der überwiegende Zweck der Eheschließung die Versorgung durch eine Hinterbliebenenrente gewesen sei. Bereits im Zeitpunkt der Eheschließung sei absehbar gewesen, dass die bestehende Krankheit in absehbarer Zeit zum Tode führen werde. Das wollte der Mann aber nicht hinnehmen und klagte gegen die Rentenversicherung.

Dass der Kläger nach einer mündlicher Verhandlung und Zeugenbefragung Recht bekam und folglich eine Witwerrente erhält, liegt an der Vorgeschichte. Das Paar war demnach bereits seit rund acht Jahren zusammen, als die Frau verstarb. 2014 wurde bei ihr erstmals Brustkrebs diagnostiziert. Es folgte eine lange Krankheitsgeschichte mit vielen Behandlungen. Die Absicht, den Bund fürs Leben zu schließen, bestand schon länger. Doch auch aufgrund von Behandlungen und langen Krankenhausaufenthalten wurde die Hochzeitsfeier immer wieder verschoben.

Im September 2019 reservierten der Kläger und die Versicherte Veranstaltungsräume, um im Juli des Folgejahres mit einer großen Feier zugleich ihre beiden 50. Geburtstage zu feiern und zu heiraten. Im November 2019 meldeten sie den Termin der Eheschließung auch beim Standesamt an. Zwischenzeitlich galt der Krebs als überwunden. Doch im Dezember wurde bei einer Folgeuntersuchung festgestellt, dass der Tumor wieder ausgebrochen ist, im März 2020 wurde eine Chemotherapie empfohlen, im April kam die Frau ins Krankenhaus. So fand die Hochzeit unter traurigen Umständen in der Klinik statt, bis die Frau drei Monate später schließlich verstarb.

Ausnahmen bei Vorliegen besonderer Umstände möglich

Diese Krankheitsgeschichte war auch der Grund, weshalb der Mann doch eine Witwerrente von der 4. Kammer des Sozialgerichts zugesprochen bekam. Zwar haben nach der gesetzlichen Vermutung des § 46 SGB VI Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Rente, wenn die Ehe weniger als ein Jahr gedauert hat. Ausnahmen gelten jedoch, wenn besondere Umstände vorliegen, die zeigen, dass die Ehe nicht hauptsächlich oder überwiegend aus dem Grund geschlossen wurde, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, so hoben die urteilenden Richterinnen und Richter hervor.

Nach sorgfältiger Würdigung aller Umstände sei die Kammer in diesem Fall überzeugt, dass die Versorgung des Klägers nicht der überwiegende Zweck der Heirat war. Der Entschluss zur Eheschließung sei bereits deutlich vor der endgültigen Krebsdiagnose im März 2020 gefallen, wie die Hochzeitsvorbereitungen (Raummiete, Termin beim Standesamt) belegen. Wäre die Heirat aus Sorge um einen tödlichen Verlauf der Erkrankung erfolgt, wäre ein kurzfristiger Hochzeitstermin naheliegend gewesen, anstatt die Trauung auf ein dreiviertel Jahr später anzusetzen.

Der Kläger hat zudem glaubhaft dargelegt, dass die Hauptmotivation für die vorgezogene Trauung die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie waren. Die Partner wollten durch ihre Heirat das strikte Besuchsverbot im Krankenhaus überwinden.

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Doch ein Happy End hat die Sache noch nicht. Die Deutsche Rentenversicherung ließ sich weder von dem vorliegenden Schicksal noch von dem Richterspruch überzeugen. Die Deutsche Rentenversicherung hat gegen die Entscheidung Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Sitz in Potsdam eingelegt.