Ein aktueller Fall aus dem Jahresbericht des Versicherungsombudsmanns beleuchtet die Pflicht von Versicherern, auch unberechtigte Ansprüche abzuwehren. In diesem Fall ging es um eine Hundehalterin, deren Hund einen mittelbaren Schaden verursacht hatte, was der Versicherer zunächst als Ablehnungsgrund anführte.

Anzeige

Der Vorfall

Die Beschwerdeführerin war mit ihrem Hund spazieren, als eine ältere Frau mit dem Fahrrad um die Ecke bog. Der Hund erschreckte sich und bellte die Frau an, die daraufhin die Kontrolle über ihr Fahrrad verlor und gegen ein geparktes Auto prallte. Das Fahrzeug wurde dabei beschädigt.

Ablehnung durch den Versicherer

Der Hundehalterhaftpflichtversicherer lehnte die Leistung mit der Begründung ab, es handele sich um einen mittelbaren Schaden, der nicht direkt durch den Hund verursacht worden sei. Außerdem verwies er auf die Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Entscheidung wurde auch im Ombudsmannverfahren bekräftigt.

Intervention des Ombudsmanns

Der Ombudsmann wies den Versicherer darauf hin, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als Tierhalterin in Anspruch genommen wurde und dieses Risiko über die Hundehalterhaftpflichtversicherung gedeckt sei. Er stellte klar, dass die Argumente des Versicherers nicht die Deckungsebene, sondern die Haftungsfrage betreffen.

Anzeige

Der Ombudsmann erklärte: „Wenn Sie der Meinung sind, dass die Beschwerdeführerin für den Schaden nicht verantwortlich gemacht werden kann, dann müssen Sie zumindest Versicherungsschutz in Form der Anspruchsabwehr bestätigen. Ihre Vorgehensweise dagegen vermittelt den Eindruck, dass Sie nichts unternehmen und der Versicherungsnehmer alleine dasteht, was sich zu Ihren Lasten auswirken kann. Bei einer ungerechtfertigten Deckungsablehnung oder Untätigkeit sind Sie, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden dann selbst bezahlt, an diese Zahlung gebunden. Das heißt, es findet dann keine Haftungsprüfung mehr statt.“

Was ist der Unterschied zwischen Deckungs- und Haftungsebene?

Deckungsebene

Die Deckungsebene bezieht sich auf den Umfang des Versicherungsschutzes, der durch den Versicherungsvertrag gewährt wird. Es geht darum, ob ein bestimmtes Ereignis oder Risiko überhaupt vom Versicherungsvertrag abgedeckt ist. Fragen auf der Deckungsebene könnten beispielsweise sein:

  • Ist das Risiko versichert?: Deckt die Police das spezifische Risiko ab, das zum Schaden geführt hat? Zum Beispiel, ist ein Einbruch in eine Wohnung durch die Hausratversicherung gedeckt?
  • Gilt die Versicherung zum Zeitpunkt des Schadens?: Ist die Versicherungspolice zum Zeitpunkt des Vorfalls aktiv und gültig?
  • Sind die Vertragsbedingungen erfüllt?: Wurden alle vertraglichen Bedingungen und Obliegenheiten eingehalten?

In dem Fall des Hundes beispielsweise wäre die Frage auf der Deckungsebene: Deckt die Hundehalterhaftpflichtversicherung Schäden ab, die durch den Hund verursacht wurden, selbst wenn sie indirekt sind?

Anzeige

Haftungsebene

Die Haftungsebene bezieht sich darauf, ob der Versicherungsnehmer tatsächlich für den entstandenen Schaden verantwortlich gemacht werden kann. Es geht darum, ob der Versicherungsnehmer nach gesetzlichen oder vertraglichen Grundlagen haftbar gemacht werden kann und in welchem Umfang. Fragen auf der Haftungsebene könnten beispielsweise sein:

  • Ist der Versicherungsnehmer haftbar?: Kann dem Versicherungsnehmer rechtlich eine Verantwortung für den Schaden zugewiesen werden?
  • Wie hoch ist der Schaden?: Wie wird der Schaden bewertet und welcher Betrag muss bezahlt werden?
  • Gibt es Mitverschulden?: Trägt der Geschädigte selbst eine Mitschuld an dem Schaden?

In dem Fall des Hundes wäre die Frage auf der Haftungsebene: Ist die Hundehalterin rechtlich für den Unfall verantwortlich, der durch das Ausweichmanöver der Fahrradfahrerin verursacht wurde?

Anwendung im beschriebenen Fall

Im beschriebenen Fall wurde der Schaden vom Versicherer zunächst abgelehnt mit der Begründung, dass es sich um einen mittelbaren Schaden handele. Der Ombudsmann wies darauf hin, dass diese Argumentation die Haftungsfrage betrifft. Selbst wenn der Versicherer der Meinung ist, dass die Hundehalterin nicht haftbar ist, muss er trotzdem den Versicherungsschutz zur Abwehr unberechtigter Ansprüche bieten. Die Deckungsebene klärt, ob der Fall grundsätzlich von der Versicherung abgedeckt ist, während die Haftungsebene klärt, ob und in welchem Umfang die Versicherungsnehmerin für den Schaden haftbar gemacht werden kann.
Der Versicherer muss also auf der Deckungsebene bestätigen, dass der Schaden grundsätzlich unter die Hundehalterhaftpflichtversicherung fällt, und auf der Haftungsebene überprüfen, ob die Versicherungsnehmerin tatsächlich haftbar gemacht werden kann. Falls sie nicht haftbar ist, muss der Versicherer dennoch den Schutz bieten, um unberechtigte Ansprüche abzuwehren.

Seite 1/2/