Als im Jahr 2008 die Finanzmärkte ins Schwanken gerieten, ausgelöst durch eine Immobilienblase und höchst undurchsichtige Finanzprodukte, mit denen Kredite gehandelt wurden, gerieten nicht allein die Banken in Schieflage. Auch die Versicherungswirtschaft blieb davon nicht unberührt. Unter anderem musste der US-Versicherer AIG mit insgesamt 182 Milliarden US-Dollar Steuergeldern gerettet werden, wenn auch durch Kredite und Garantien: Es handelte sich keineswegs um ein Geschenk. Nach eigenen Angaben machte das US-Finanzministerium sogar einen Gewinn von 22,6 Milliarden US-Dollar mit der vorübergehenden Verstaatlichung des Versicherers und dem anschließenden Bailout.

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Auch in Deutschland gerieten Versicherungskonzerne in schwieriges Fahrwasser: wenn auch in deutlich kleinerem Maßstab. Nicht nur das Beben an den Börsen führte zu vorübergehenden Anlageverlusten: Versicherer hatten auch teilweise in Anlagen und Geldhäuser investiert, die direkt von der Subprime-Krise betroffen waren. Auch die Geldpolitik belastete die Versicherer: In Reaktion auf die Krise senkten viele Zentralbanken die Zinssätze, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Diese Niedrigzinsphase beeinträchtigte die Erträge der Versicherer, da neu angelegte Gelder nur noch zu geringeren Renditen investiert werden konnten. Als Reaktion auf die Krise verschärfte die EU die Versicherungsaufsicht in den Mitgliedsstaaten deutlich, zwang die Versicherer unter anderem, mehr Eigenkapital vorzuhalten und regelmäßig ihre Krisenfestigkeit nachzuweisen. Dass die deutschen Lebensversicherer nun jährlich umfangreiche Solvenzberichte vorlegen müssen, ist auch eine Folge der verschärften Aufsichtsregeln.

Konzernmutter der Bayerischen aus dem Run-off geholt

Dass die Folgen der Finanzkrise von 2008 noch immer ihre Spuren hinterlassen, zeigt eine heutige Pressemeldung. Einer der Versicherer, die damals finanzielle Probleme hatten, war die Bayerische Beamten Lebensversicherung (BBV-L). Der Konzern hielt damals unter anderem Anteile an der Aareal-Bank, deren Schwerpunkt das Immobiliengeschäft und entsprechende Kredite waren: also genau jene Bereiche, die besonders hart von der Krise betroffen waren. Die Bank musste vorübergehend Stützungsmaßnahmen aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds (Soffin) in Anspruch nehmen: unter anderem eine stille Einlage in Höhe von 525 Millionen Euro, die fünf Jahre später zurückgezahlt wurde.

Doch auch die BBV sah sich plötzlich mit hohen Abschreibungen konfrontiert, in der damaligen Presse mehrten sich Gerüchte über mögliche Fusionen oder Übernahmen. Die BBV aber ging einen anderen Weg: Man schickte die Konzernmutter in die hauseigene Abwicklung, stellte das Neugeschäft ein und versuchte, die Kosten zu senken. Dieser Schritt erlaubte es unter anderem, das Anlageportfolio neu auszurichten und an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Das Versicherungsgeschäft lief fortan über die Konzerntochter BL die Bayerische Lebensversicherung AG.

Nun holt die Bayerische ihre Konzernmutter nach 15 Jahren aus dem Run-off, wie der Versicherer der Presse mitteilt. Geplant zum 1.Juli 2024 wird die Konzernmutter unter neuem Namen "BY die Bayerische Vorsorge Lebensversicherung a.G." das Neugeschäft wieder aufnehmen. "Die Wiederaufnahme des Neugeschäfts markiert einen wichtigen Wendepunkt für die BY und unterstreicht unsere Entschlossenheit, den erfolgreichen Weg der letzten Jahre fortzusetzen. Wir holen unser Mutterschiff aus dem Trockendock und setzen es wieder aufs Wasser. Wir sind bereit, die Herausforderungen anzunehmen und unseren Beitrag zur Stärkung der Gruppe zu leisten.", sagt Herbert Schneidemann, Vorstandsvorsitzender bei die Bayerische.

Die Tochtergesellschaften BA die Bayerische Allgemeine Versicherung AG (Kompositversicherer der Bayerischen) und BL die Bayerische Lebensversicherung AG (Lebensversicherer der Bayerischen) verzeichnen ein überdurchschnittliches Wachstum, so berichtet der Versicherer weiter, das wesentlich zur Kostendeckung der Gruppe beitrage und die Wiederaufnahme des Neugeschäfts ermögliche. "Die Mutter hat ihre Kapitalanlagen neu ausgerichtet und diversifiziert, was zu einer deutlichen Verbesserung der Finanzlage geführt hat. Die deklarierten Überschussbeteiligungen liegen über dem Branchendurchschnitt und die Mitglieder des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit profitieren von der erfolgreichen Neuausrichtung", heißt es im Pressetext.

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Trotz des schwierigen Marktumfeldes und der kritischen Zinsentwicklung erfülle die Gruppenmutter die Anforderungen von Solvency II ohne Übergangsmaßnahmen und verfüge über signifikante Bewertungsreserven, berichten die Münchener. Aber warum wird der Versicherer aus dem Tiefschlaf geweckt? Bereits seit 2012 ist die Versicherungsgruppe recht erfolgreich unter dem neuen Markennamen "die Bayerische" unterwegs, nachdem man die höchst sperrigen "alten" Markennamen abgelegt hatte. Grund könnte eine stärkere Schwerpunktsetzung sein. Die beiden Lebensversicherer der Gruppe, die Mutter BY und die Tochter BL, sollen nun mit unterschiedlichen Schwerpunkten am Markt agieren: Die BY soll sich auf biometrische Risiken spezialisieren, die BL auf (vor allem nachhaltige) Altersvorsorgeprodukte.