Was macht eigentlich gerade Mehmet Göker? Mit seinem Finanzvertrieb MEG wurde der Kasseler Unternehmer zum Sinnbild dafür, was schief läuft im Versicherungsvertrieb: Private Krankenversicherungen wurden von ihm und seinen Mitarbeitern im Akkord vermittelt, den Kunden oft unpassende Verträge aufgeschwatzt, die Versicherer hofierten ihn als Neugeschäfts-Bringer. Doch massenhafte Kündigungen waren die Folge, im Jahr 2009 wurde die MEG für einen symbolischen Euro verkauft. Dass der Gesetzgeber im Jahr 2012 die Provisionen in der privaten Krankenversicherung gedeckelt hat, war auch eine Folge der Schlagzeilen um die MEG.

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Doch Göker macht einfach weiter und weiter. Erst entzog er sich einem Gerichtsprozess in Deutschland, in dem es um illegal weiterverkaufte Kundendaten ging, indem er sich in die Türkei absetzte. Seit einiger Zeit ist er in Dubai aktiv. Die Metropole am Persischen Golf ist nicht nur für ihren Luxus bekannt, sondern auch dafür, dass hier keine Einkommenssteuer gezahlt werden muss. Die Facebook-Seite von Mehmet Göker zeigt ihn in einem Großraumbüro, umgeben von etwa 50 Mitarbeitern, die mit Kopfhörer an Schreibtischen sitzen und Telefongespräche führen. Und eine neue Recherche lässt nun vermuten, dass sie nach Deutschland telefonieren, um Kundinnen und Kunden zum Wechsel ihres privaten Krankenversicherers zu überreden.

ZDF schleust Detektiv bei Göker ein

Nachdem bereits im letzten Jahr das Fachmagazin Procontra Online umfangreiche Recherchen zu den aktuellen Aktivitäten von Göker präsentiert hat, ist es nun das ZDF, das hinter die Fassaden blickt. Am Mittwoch strahlte der Sender eine 30minütige Doku über Göker in seinem Rechercheformat „Die Spur“ aus. Hierfür hat das ZDF einen Mann in das Team eingeschleust, der bereits in mehreren Fernsehreportagen als Undercover-Agent von sich Reden machte: Tamer Bakiner ist Privatdetektiv und Wirtschaftsermittler, er deckte unter anderem Müllskandale in Ostdeutschland und die unhaltbaren Zustände für Gastarbeiter beim Fleischkonzern Tönnies auf.

Teilweise sind die Vorwürfe, die gegen Göker in der Doku erhoben werden, schon bekannt. Demnach betreibt der 42jährige das Tarifwechselgeschäft mit treuen Gefolgsleuten. Es werden vornehmlich junge deutschsprachige Männer angeworben, denen laut der Recherche versprochen wird, dass sie mehr als 30.000 Euro im Monat verdienen können. Doch bereits mit diesem Versprechen könnte Göker eine lukrative Einnahmequelle aufgetan haben. Denn um die sogenannte „Göker-Methode“ zu erlernen, müssen die zukünftigen Mitarbeiter laut ZDF 5.900 bis 12.000 Euro bezahlen. Göker verdient folglich auch einen Teil seines Geldes als Finanzcoach.

Einmal im Team, rufen die Mitarbeiter dann Privatversicherte in Deutschland an: Und überreden sie, von einem Tarifwechsel nach § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes Gebrauch zu machen. Privatversicherte haben laut dem Paragraphen das Recht, in einen günstigeren Tarif der eigenen Krankenversicherung zu wechseln, falls dieser gleichwertige Leistungen beinhaltet. Das soll vor allem helfen, sehr hohe Prämien in Tarifen zu vermeiden, in denen viele ältere Menschen mit hohen Krankheitskosten versichert sind. Tatsächlich wollen die Krankenversicherer mit Lockangeboten junge Versicherungsnehmer für sich gewinnen und bieten deshalb oft einer jungen Zielgruppe günstigere Tarife an. Und so können auch Senioren ihre Prämienlast reduzieren, denn eine neue Gesundheitsprüfung oder einen Risikoaufschlag kann der Versicherer nur dann verlangen, wenn der Kunde auf Mehrleistungen besteht.

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Gökers Mitarbeiter vereinbaren mit den Versicherten dann ein Honorar für die Wechselberatung. Auch das ist rechtens - auch andere Experten lassen sich im beratungsintensiven PKV-Geschäft für einen solchen Service bezahlen. Doch zum einen sollen Gökers Mitarbeiter hierfür unangemessen hohe Honorare von mehreren tausend Euro verlangen. Und zum anderen werden Zweifel an der Qualität der Ratschläge laut. Denn ähnlich wie früher bei der MEG werden die Mitarbeiter auf maximales Tempo getrimmt und stehen unter einem enorm hohen Erfolgsdruck. Bereits Procontra hatte in einem früheren Bericht hier fragwürdige Methoden aufgedeckt. Oft werde allein auf die Prämienersparnis geschaut, doch die Versicherten laufen in Gefahr, wichtige Leistungen zu verlieren oder werden in sehr hohe Selbstbehalte von bis zu 2.100 Euro gedrängt, die sich beispielsweise bei einer chronischen Krankheit fatal auswirken können. Im Zweifel zahlt der Versicherte nach seinem Tarifwechsel netto drauf.

Falsche Identitäten, falsche Doktortitel?

Mit seinem neuen Geschäftsmodell ist Mehmet Göker durchaus erfolgreich – zumindest aus monetärer Sicht. Nach eigenen Angaben soll wöchentlich eine sechsstellige Summe eingehen, berichtet das ZDF. Eine besondere Pointe: Während MEG auch an den hohen Stornozahlen scheiterte und daran, dass Provisionszahlungen zurückgezahlt werden mussten, funktioniert das neue Geschäft unabhängig von der Zufriedenheit der beratenen Versicherten. Denn das Honorar für den Tarifwechsel wird in der Regel in einem separaten Vertrag vereinbart, der zwischen Berater und Versichertem geschlossen wird. Die Summe muss also auch bezahlt werden, wenn die Krankenversicherten mit ihrem Tarifwechsel unzufrieden sind.

Aber die Frage ist, ob die Beratenden auch die notwendige Qualifikation für solch eine Tarifwechselberatung haben - und ob sie für den Geschäftserfolg auch Gesetze verletzen. Nach den Erfahrungen des Privatermittlers Tamer Bakiner werden die Verbraucher bewusst getäuscht, berichtet das ZDF. So würden die Berater von Göker dazu gedrängt, eine falsche Identität anzunehmen: Der Ermittler selbst habe unter dem Namen „Sebastian Gärtner“ aktiv sein sollen. Auch die Biographie werde ordentlich gepimpt: Die Berater sollen im Telefongespräch behaupten, bei dem jeweiligen Versicherer des Angerufenen in mittleren Führungspositionen tätig gewesen zu sein. "Damit machen sich die Berater und Göker strafbar", schlussfolgert das ZDF.

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Die Vorwürfe gehen noch weiter. So verwende Göker selbst im Gespräch einen falschen Doktortitel und gebe sich als promovierter Rechtsanwalt und Volljurist aus. Auch das wäre strafbar: § 132a des Strafgesetzbuches (StGB) wertet es als Straftat, entsprechende Bezeichnungen falsch zu verwenden. Nach § 263 des Strafgesetzbuches wird es als Betrug gewertet, wenn Betroffenen durch die Vortäuschung derartiger Behauptungen ein Vermögensschaden entsteht.

Laut der ZDF-Recherche ist der Erfolgsdruck bei Göker auch deshalb so hoch, weil der Chef quasi in Vorleistung geht. Die Mitarbeiter müssen nicht nur hohe Summen für die angeblichen Weiterbildungen bezahlen, sondern auch die Leads, die sie erhalten, um Privatversicherte anzurufen. Pro Nummer werde eine Summe von 33 Euro berechnet. Die Datensätze seien schlecht, berichtet nun Ermittler Bakiner, immer wieder seien Nummern nicht vergeben gewesen. Doch Mehmet Göker nehme so allein durch die weitergegebenen Leads bis zu 100.000 Euro pro Woche ein.

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Mit den Vorwürfen konfrontiert, streitet Göker alles ab. Über Anwälte ließ er dem ZDF mitteilen, dass es in der Vergangenheit Einzelfälle gegeben habe, in denen Mitarbeiter falsche Identitäten genutzt hätten. Dies sei aber unterbunden worden.

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