Es ist ein Geständnis, dass der Allianz viel Ärger ersparen könnte: Am Freitag hat sich Gregoire Tournant, früherer Portfoliomanager bei Allianz Global Investors (AGI), vor einem New Yorker Gericht für schuldig bekannt, in zwei Fällen Investoren mit gefälschten Zahlen betrogen zu haben. Dies gibt der leitende Staatsanwalt Damian Wilson per Pressemitteilung bekannt.

Anzeige

„Gregoire Tournant und seine Mitverschwörer haben die Anleger belogen, sie heimlich Risiken ausgesetzt und, wie Tournant jetzt zugegeben hat, den Opfern gefälschte Risikoberichte geschickt. Das heutige Schuldeingeständnis ist der Höhepunkt einer mehrjährigen Untersuchung und Strafverfolgung, bei der die Täter zur Verantwortung gezogen, die Opfer entschädigt und die Entschlossenheit dieses Amtes demonstriert wurden, selbst die raffiniertesten Finanzverbrechen zu verfolgen“, lässt sich Williams zitieren. Auf den Vorgang machte zuerst das Branchenmagazin Versicherungsmonitor aufmerksam.

Vermeintlich sicherer Fonds mit Milliardenverlusten

Tournant war zwischen 2014 und 2020 Chefinvestor bei den sogenannten Structured-Alpha-Fonds: und damit wesentlich mitverantwortlich für den größten Skandal der Allianz in der jüngeren Firmengeschichte. Die Fonds wurden als vermeintlich sichere Geldanlage an institutionelle Investoren verkauft und als zuverlässiges Instrument für die Altersvorsorge beworben. Vor allem Pensionsfonds griffen zu: Fonds, die etwa die Altersvorsorge von Lehrern in Arkansas oder Feuerwehrmännern in New York sichern sollen. Das „Manager Magazin“ verweist auf ein Video aus dem Jahr 2016, in dem Tournant das Anlageinstrument der Allianz als besonders krisensicher pries. Vor allem, wenn es an den Märkten mit hoher Volatilität abwärts gehe, sei Structured Alpha besonders krisenfest.

Doch dieses Versprechen entpuppte sich als Luftnummer. Die Ermittler werfen den Managern unter anderem vor, dass sie mit Absicherungspositionen warben, die Investoren vor Verlusten schützen sollten, aber überhaupt nicht gekauft worden seien. Stattdessen seien 75 Risikoberichte gefälscht und an Kunden weitergeleitet worden, in denen Risiken bewusst verschleiert oder verheimlicht wurden. Als es mit den Börsen zu Beginn der Coronakrise 2020 bergab ging, investierten die Allianz-Fonds bewusst riskanter, um die Rendite nicht zu gefährden, so der Vorwurf. Und man sei bewusst davon abgewichen, Hedgefonds mit Optionen gegen plötzliche Kursverluste abzusichern. Das Ergebnis waren im Frühjahr 2020 Verluste in Milliardenhöhe. Zwei Hedgefonds mussten vollständig geschlossen werden.

Die US-Justiz wurde schnell tätig und nahm die Allianz ins Visier: auch, weil es um die Altersvorsorge von städtischen und Krankenversicherungs-Angestellten ging. Neben der US-amerikanischen Finanzaufsicht schaltete sich auch das US-Justizministerium ein.

Vergleich erspart Allianz weitere Ermittlungen

Im Pressetext stellt die New Yorker Staatsanwaltschaft den Sachverhalt noch einmal aus ihrer Sicht dar. "Um das mit der Verwaltung der Structured Alpha Funds verbundene Risiko zu verschleiern, stellten Tournant und seine Mitangeklagten den Anlegern geänderte Dokumente zur Verfügung, um das wahre Risiko der Fondsanlagen zu verschleiern, einschließlich der Tatsache, dass die Anlagen nicht ausreichend gegen Risiken im Zusammenhang mit einem Marktcrash abgesichert waren. Im März 2020, nach dem Einsetzen des durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Marktrückgangs, verloren die Structured Alpha Funds mehr als 7 Milliarden US-Dollar an Marktwert, darunter mehr als 3,2 Milliarden US-Dollar an Kapital, wurden mit Nachschussforderungen und Rücknahmeanträgen konfrontiert und mussten schließlich geschlossen werden", heißt es darin.

Das Gericht betont ausdrücklich, dass sowohl Allianz Global Investors als auch zwei weitere verantwortliche Manager ihre Schuld bereits eingestanden hätten. "Am 17. Mai 2022 bekannte sich AGI des Wertpapierbetrugs im Zusammenhang mit diesem betrügerischen System schuldig und wurde später zu einer Geldstrafe in Höhe von rund 2,3 Mrd. US-Dollar, einer Strafe von rund 463 Millionen US-Dollar und der Zahlung von mehr als 3 Milliarden US-Dollar an die Opfer der Anleger verurteilt. Die Mitangeklagten von Tournant, Trevor Taylor und Stephen Bond-Nelson, hatten sich bereits am 8. März 2022 bzw. am 3. März 2022 schuldig bekannt", heißt es hierzu im Pressetext.

Tournant habe seine Schuld nun in zwei Fällen eingestanden, berichtet die New Yorker Staatsanwaltschaft. Für jedes Vergehen drohe eine Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis. Das Urteil gegen den Manager, der lange Zeit auf „nicht schuldig“ plädiert hatte, soll nun im Oktober bekannt gegeben werden. „Versicherungsmonitor“ verweist darauf, dass dem früheren Chefinvestor aber wahrscheinlich nur eine glimpfliche Strafe drohe. So habe er sich auf einen Deal mit dem Gericht eingelassen und zugestimmt, umgerechnet 15,7 Millionen Euro an Vergütungen und Boni zu zahlen, die er als Verantwortlicher der Structured-Alpha-Fonds verdient hat.

Das könnte auch bei der Allianz für Erleichterung sorgen, spekuliert nun der „Versicherungsmonitor“. Denn hätte sich Tournant nicht einsichtig gezeigt, so hätte der Allianz ein umfangreicher Strafprozess gedroht, in dem die Einzelheiten des Skandals noch einmal öffentlich aufgedröselt worden wären.

Anzeige

In Deutschland wurde unter anderem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hellhörig und leitete im September 2021 Ermittlungen gegen die Allianz ein. Die Finanzaufseher wollten insbesondere prüfen, ob Allianz-Führungskräfte außerhalb des Fondsbereichs von den Ereignissen, die zu den Milliardenverlusten führten, wussten oder sogar involviert waren. Auch der Vorwurf, dass interne Kontrollen versagt hätten, stand im Raum. Die „Wirtschaftswoche" berichtete damals über ein Schreiben der BaFin an die Allianz und berief sich auf Insider aus dem Allianz-Umfeld: Demnach forderte die BaFin, dass das Münchener Unternehmen seine internen Kontrollen verbessere.