Der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) ist einer der größten Interessenvertreter für Versicherungsmakler in Deutschland: Er vertritt nach eigenen Aussagen rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Maklerbüros. Vergangenen Dienstag sorgte der Verband auf seiner Fachtagung in Ingolstadt für viel Aufsehen:

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Präsident Thomas Billerbeck stellte eine Initiative vor, nach der sich der BDVM für einen Provisionsdeckel bei Versicherungsanlageprodukten aussprach. Die Abschlussvergütung solle gekürzt, im Gegenzug die Bestandsvergütung erhöht werden. Das begründete der Verband unter anderem damit, dass die EU-Kommission ein grundsätzliches Provisionsverbot befürworte. „Die teils fehlanreizenden Vergütungsformen führen zu einer ideologischen Debatte um ein Provisionsverbot. Dabei ist die Branche selbst schuld“, sagt Billerbeck. „Nur eine Kehrwende in dieser Frage ermöglicht es, dass man das Heft des Handelns erneut in die Hand bekommt“. Bisher schien die Maklerschaft geschlossen gegen einen solchen Markteingriff zu argumentieren.

Provisionsdeckel-Initiative löst heftige Reaktionen bei LinkedIn aus

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten - und sie waren heftig. Auf LinkedIn griffen mehrere prominente Vertreter der Makler- und Vermittlerbranche den BDVM für seine Initiative an. Nicht nur Unverständnis war zu hören bzw. zu lesen. Es wurde auch die Frage gestellt, ob der BDVM überhaupt die Interessen der Maklerschaft vertrete.

Einer der Kritiker ist Norbert Porazik, Geschäftsführer der Fonds Finanz. Und damit Chef des größten Maklerpools in Deutschland. Mehr als 29.000 Vermittler arbeiten mit dem Münchner Dienstleister zusammen: Und damit hat seine Stimme in der Maklerbranche Gewicht. „Wäre ich dort Mitglied, würde ich jetzt austreten. Da ich das aber nicht bin und mich, spätestens jetzt, schämen würde wenn ich es wäre, kann ich nur allen Mitgliedern empfehlen jetzt auszutreten“, schrieb Porazik in einem Kommentar zur Initiative.

Helge Lach: "Eigentor, das die BaFin ermutigen wird wieder aktiv zu werden"

Ebenfalls zu Wort meldete sich Helge Lach, Vorstandsmitglied der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) und Vorsitzender beim Bundesverband Deutscher Vermögensberater. Er äußerte die Befürchtung, dass der BDVM mit seinem Vorstoß der gesamten Vermittlerbranche schade. Lach, zur Einordnung, vertritt als Mitglied der DVAG die Interessen des Ausschließlichkeitsvertriebs.

„Das Provisionsverbot via RIS ist vom Tisch. Warum jetzt mit dieser Kampagne ohne Not die Diskussion wieder eröffnen, und dann auch noch durch einen Vermittlerverband? Die Gegner der Branche werden sich genüsslich freuen“, schrieb Lach ebenfalls bei LinkedIn. Der promovierte Volkswirt spielt mit seinem Statement darauf an, dass die EU-Kommission im Vorjahr daran scheiterte, ein Provisionsverbot für kapitalbildende Produkte im Zuge ihrer neuen Kleinanlegerschutzstrategie durchzusetzen. Obwohl ein solches Verbot von Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness vorangetrieben wurde, fand es keinen Eingang in die Gesetzgebung.

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Weckt der BDVM mit seinem Vorstoß für einen Deckel also schlafende Hunde? So zumindest aus Sicht von Lach. Er wertet die Initiative als Steilvorlage für Branchenkritiker: und als Einladung für weitere regulierende Markteingriffe. „Im übrigen will die BaFin nicht Abschlussprovisionen, sondern Abschlusskosten einschließlich ratierlicher Provisionen rigide deckeln. Das wird auch die Vergütungen der Makler treffen. Ein Eigentor, das die BaFin ermutigen wird, wieder aktiv zu werden. Die Überzeugungsarbeit von über 2 Jahren steht so auf dem Spiel“, schreibt er. Die BaFin hat wiederholt die hohen Kosten von Altersvorsorgeprodukten kritisiert und sich für einen Provisionsdeckel ausgesprochen, ist damit aber bei der Politik auf taube Ohren gestoßen.

Stornohaftung de facto wie Provisionsdeckel?

In eine andere Richtung geht der Einwand von Guido Lehberg, Versicherungsmakler aus Gütersloh und im Netz als „BU-Profi“ bekannt. Sein Maklerbüro hat sich folglich auf die Absicherung biometrischer Risiken spezialisiert. Lehberg verwies darauf, dass der Abschluss von Lebensversicherungs-Produkten schon heute streng reguliert wird und für Versicherungsmakler ein finanzielles Risiko bedeuten kann. Denn es gilt die Stornohaftung nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz (§ 49 Abs. 1 VAG): Kündigt der Kunde innerhalb von fünf Jahren nach Vertragsabschluss seinen Vertrag, müssen Vermittler einen Teil der Abschlussprovision zurückzahlen.

“So einen Quatsch kann man nur erzählen, wenn man im Elfenbeinturm von Mitgliedsbeiträgen lebt!“, beginnt Lehberg seinen Kommentar wenig diplomatisch. Und bringt besagte Stornohaftung ins Spiel. „Bereits heute ist eine „Abschlussprovision“ eine Bezahlung auf Raten. Über ganze 60 Monate zahlen Vermittler diese zurück, wenn der Vertrag storniert wird. Der Grund ist dabei egal: Tod, Scheidung, Kunde hat kein Geld oder einfach keine Lust mehr… die Arbeit gerade in den Bereichen der BU-, Kranken- und Rentenversicherung wurde aber vollständig erbracht und die ist (wenn man es richtig macht) sehr umfangreich“, so Lehberg.

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Der Makler verweist auf die hohen Kosten, die seinem Büro für die Berufsunfähigkeits-Beratung entstehen: zwischen 1.000 und 2.000 Euro je abgeschlossenem Vertrag. „Aber gut, wir können auch einfach die Beratung weglassen und dem Kunden einfach nur das billigste Produkt a la Finanztest verbimmeln“, schreibt Lehberg. Dabei sei daran erinnert, dass ein Makler einen hohen Aufwand hat, wenn er zu BU-Policen berät: Er muss nicht nur den Beruf, die persönliche Lebenssituation, Hobbys und eventuell auch die Lebensplanung seines Mandanten berücksichtigen, sondern unter Umständen auch Krankenakten einsehen, um Gesundheitsfragen genau und ausführlich beantworten zu können – und falsche Diagnosen durch Haus- und Fachärzte auszuschließen.

Bedeutung der Abschlussprovision für junge Makler

Ein anderes Argument greift Benedikt Deutsch auf, der sein Büro im baden-württembergischen Nehren hat und die Webseite clever-sichert.de betreibt. Der junge Makler weist darauf hin, dass die Abschlussprovision für seine Existenzgründung enorm wichtig gewesen ist. „Ich möchte Ihnen erläutern, welche Auswirkungen Ihre Forderungen auf Jungmakler wie mich haben könnten. Kurz gesagt: Wir wären heute nicht mehr am Markt. Seit fünf Jahren bin ich in der Branche tätig und kann seit einiger Zeit von meiner Bestandsprovision (BP) leben. Mit einer geringeren Abschlussprovision (AP) wäre ich jedoch nie an diesen Punkt gekommen. Die AP war entscheidend für mein Wachstum. Ohne ausreichende AP hätte ich kein Marketing machen, keine Mitarbeiter einstellen und keine Prozesse testen können“, schreibt er.

“Wenn man die AP verringert, um die BP zu erhöhen, wird unsere Branche weiter überaltern, und es wird keine neuen Player am Markt geben. Langfristig stärkt das weder den Ruf noch die Attraktivität der Branche als Arbeitgeber“, mahnt Benedikt Deutsch. Und weiter: „Es stärkt nur die Position der Marktteilnehmer, für die Sie meiner Meinung nach sprechen: die großen Maklerhäuser. Ebenso ist es nicht wahr, dass der Kunde von einer Umstellung profitiert. Kosten werden nur verlagert, und die Auswahlmöglichkeit der Player und Berater am Markt sinkt“.

BDVM: keine Gesetzesinitiative, sondern Selbstverpflichtung

Beim Bund Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) war kurzfristig niemand für ein ausführliches Statement erreichbar: Der Verband will sich in den nächsten Tagen positionieren. Allerdings fühlt sich der Verband auch missverstanden. Man wolle keinen gesetzlichen Provisionsdeckel, wie dies nun das Feedback vermuten lasse, sondern eine Eigeninitiative der Vermittlerbranche, sagt ein Sprecher am Telefon: und verweist darauf, dass im Gegenzug die Bestandsprovision entsprechend angepasst werden soll.

Positives Feedback gibt es bei LinkedIn für den Vorstoß des Maklerverbandes kaum. Der BDVM verweist aber darauf, dass sich bei einer Mitgliederbefragung eine knappe Mehrheit von 54 Prozent für einen Deckel ausgesprochen habe. Tatsächlich scheint sich in der Maklerpraxis ein Umdenken abzuzeichnen. Viele Versicherungsmakler haben begonnen, ihre Vergütung durch Servicevereinbarungen und andere alternative Vergütungsmodelle zu erhöhen oder fahren zweigleisig und bieten auch Beratung gegen Honorar an. Der Trend geht weg vom Neugeschäft - hin zu stabilen Beständen.

Versicherungsmakler betreuen mehr Verträge bei weniger Kunden

Ein Indiz dafür, dass sich Versicherungsmakler auf Bestandskunden konzentrieren, sind höhere Cross-Selling-Quoten im Vergleich zu Ausschließlichkeitsvermittlern und ein deutlich kleinerer Kundenbestand. Laut der letztjährigen BVK-Strukturanalyse 2022/2023 betreuen Ausschließlichkeitsvertreter im Durchschnitt 2.188 Kunden, während es bei Versicherungsmaklern "nur" 1.105 sind. Die Cross-Selling-Quote liegt laut Studie in der Ausschließlichkeit bei 3,1 vermittelten Verträgen, bei Maklern immerhin bei 4,3 Verträgen pro Haushalt. Der Tenor auch der Studie: Wenn Versicherungsvermittler viele Verträge in weniger Haushalten betreuen, ermöglicht dies auch eine umfassendere und intensivere Betreuung sowie Kundenbindung.

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Würden hier nicht auch höhere Bestandsprovisionen dazu beitragen, dass die Makler weniger abhängig sind vom Neugeschäft, und eine intensivere Betreuung des Bestandes ermöglichen? „Wenn man bedenkt, dass die große Mehrheit der Vermittlerbetriebe Kleinstbetriebe sind, ist es schwer vorstellbar, dass diese Menge an Kunden intensiv betreut werden kann. Allenfalls mit Methoden der Digitalisierung ist eine regelmäßige Kontaktaufnahme denkbar“, heißt es dazu in der Strukturanalyse durchaus kritisch.

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