Wer die vorgezogene abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte erstmals in Anspruch nimmt, erhält im Durchschnitt eine höhere Rente als Menschen, die bis zur Regelaltersgrenze durchgearbeitet haben. Das zeigen Zahlen der Rentenversicherung, über die vorab die BILD berichtet. Männer, die 2023 erstmals die „Rente mit 63“ erhielten, bekamen demnach durchschnittlich 1.720 Euro netto im Monat, Frauen 1.366 Euro. Wer dagegen bis zur Regelaltersgrenze arbeitete, erhielt im Durchschnitt deutlich weniger: Männer 1.295 Euro Monatsrente und Frauen 937 Euro.

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Die Zahlen überraschen insofern nicht, weil die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte nur von Beschäftigten genutzt werden können, die mindestens 45 Beitragsjahre zur Deutschen Rentenversicherung nachweisen können. Dem entgegen sagt das Erreichen der Regelaltersgrenze nichts darüber aus, wie lange die Neurentnerinnen und Neurentner in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Viele dürften deutlich kürzere Beitragszeiten aufweisen.

Trotzdem sind die vergleichsweise sehr hohen Altersrenten ein Hinweis darauf, dass die „Rente mit 63“ tendenziell eher von Gutverdienern und gut ausgebildeten Fachkräften genutzt wird. Die durchschnittliche „Rente mit 63“ liegt im Schnitt mehr als 400 Euro über der Durchschnittsrente, wie die BILD schreibt.

Auf die Neurentner, die von der „Rente mit 63“ Gebrauch machen, entfällt mittlerweile ein beachtlicher Anteil des Neuzugangs. Fast jeder dritte Neurentner (29,3 Prozent) erhielt 2023 laut BILD die abschlagsfreie Rente für besonders langjährig Versicherte. Allerdings wird auch für diese Personen die Altersgrenze analog zur Regelaltersgrenze schrittweise angehoben, weshalb der Begriff leicht irreführend ist. Im Durchschnitt der Neurentner nahmen Männer die abschlagsfreie Rente erstmals mit 64,11 Jahren in Anspruch, Frauen mit 64,12 Jahren. Die Gesamtzahl der Nutzer, die von der "Rente mit 63" Gebrauch machen, liege mittlerweile bei 2,43 Millionen Rentnerinnen und Rentnern.

Doch der Erhalt einer solchen vorgezogenen Rente bedeutet nicht automatisch, dass die Personen aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Seit dem 1. Januar 2023 gibt es bei vorgezogenen Altersrenten keine Hinzuverdienstgrenzen mehr. Damit will die Bundesregierung dem drohenden Fachkräftemangel entgegen wirken. Dadurch können viele Versicherte weiterhin voll arbeiten und gleichzeitig ihre Rente ohne Abschläge beziehen, warnte im letzten Jahr Karen Perk, Mitglied der Geschäftsführung bei der Rentenversicherung Rheinland. „Wenn davon reger Gebrauch gemacht wird, leistet die Rente in diesen Fällen schon während des Erwerbslebens mehr als ihre ursprüngliche Funktion als Lohnersatz im Alter. Das könnte unsere Rentenkasse zusätzlich belasten und müsste von den anderen Beitragszahlern finanziert werden“, so die Geschäftsführerin.

Die "Rente mit 63" ist auch ein Streitpunkt bei der aktuellen Rentenreform. Obwohl das Rentenpaket II schon vom Kabinett abgesegnet ist, fordert die FDP-Bundestagsfraktion Korrekturen. Die hohen Kosten seien ein wichtiger Grund, weshalb der Rentenbeitrag steigen müsse, zudem würde die "Rente mit 63" den Fachkräftemangel verschärfen. Deshalb sollen künftig nur noch Geringverdiener davon Gebrauch machen können, sofern sie nicht ganz abgeschafft werde.

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Auch die Wirtschaftsweisen haben sich bereits für eine Reform ausgesprochen. "Wenn man sich anschaut, wer sie in Anspruch nimmt, dann sind das Beschäftigte, die durchschnittlich verdient haben und überdurchschnittlich gesund sind. Also gerade nicht die Dachdecker, die nach einem langen Arbeitsleben nicht mehr können, sondern Menschen, die gesund sind und eigentlich noch weiterarbeiten könnten, Menschen, die durchschnittlich verdient haben und gut von ihrer Rente leben können, erst recht, wenn sie ohne Abschläge in Rente gehen", sagte deren Vorsitzende Monika Schnitzer gegenüber dpa. Die Ökonomin fordert, zukünftig sollen nur noch Menschen mit geringen Einkommen oder körperlichen Beeinträchtigungen darauf Anrecht haben.