Die Zahl der Pflegebedürftigen in der gesetzlichen Pflegeversicherung ist 2023 stärker gestiegen als in den Jahren zuvor. Wuchs die Zahl der Pflegebedürftigen in früheren Jahren etwa um 326.000 Fälle pro Jahr, gab es 2023 ein Plus von 361.000 Fällen, wie Zahlen des GKV-Spitzenverbandes zeigen. Damit lag die Differenz zum durchschnittlichen jährlichen Anstieg seit 2017 bei 35.000 zusätzlichen Pflegebedürftigen.

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Bereits die Pflegestärkungsgesetze der damaligen Bundesregierung aus Union und SPD führten dazu, dass die Zahl der Pflegebedürftigen schneller steigt. 2017 wurde ein neuer, erweiterter Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt. Die bisherigen drei Pflegestufen wurden durch fünf Pflegegrade ersetzt. Erstmals wurden auch kognitive Einschränkungen wie demenzielle Erkrankungen als Grund für den Bezug von Leistungen der Pflegeversicherung anerkannt. Damit haben weit mehr Menschen Anspruch auf Unterstützung durch die Pflegekassen. Waren im Jahr 2015 noch 2,86 Millionen Menschen pflegebedürftig, so waren es laut Bundesministerium für Gesundheit zum Jahresende 2023 bereits 5,2 Millionen Menschen.

Der GKV-Verband vermutet, dass neben der Alterung der Gesellschaft – speziell bei hochbetagten Seniorinnen und Senioren, die ein statistisch höheres Pflegerisiko haben – auch Nachholeffekte der Corona-Pandemie eine Ursache für den überproportional hohen Anstieg der Pflegebedürftigen sind. „Sollte dies jedoch ein neuer Trend sein, wird sich die Lage in der Pflege noch einmal deutlich kritischer darstellen“, warnte Gernot Kiefer, Vorstandschef des GKV-Spitzenverbandes, bereits Mitte April. Denn je mehr Pflegebedürftige es gibt, desto stärker geraten auch die Finanzen der sozialen Pflegeversicherung unter Druck.

Als Folge dieses Trends rechnen Experten damit, dass der Pflegebeitrag schon im kommenden Jahr angehoben werden muss. „Schon im kommenden Jahr rechne ich mit einer Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge um mindestens einen halben Prozentpunkt“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Thiess Büttner im Mai der BILD-Zeitung. Büttner ist Mitglied im Stabilitätsrat, der die Finanzen von Bund und Ländern überwacht.

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Doch das ist nicht der einzige Grund für leere Kassen, auch teure Reformen kosten Geld. Unter anderem erhalten Pflegebedürftige, die im Heim leben, seit Jahresanfang höhere Zuschläge zu den Pflegekosten, auch das Pflegegeld wurde zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent erhöht. Das Pflegeunterstützungsgeld, welches es erlaubt, bei einem akuten Pflegefall den Job zu unterbrechen, wird nun länger gezahlt. Und Pflegekräfte müssen besser bezahlt werden. Deshalb fordert auch der GKV-Verband kostensenkende Reformen. „Wenn die Politik weiter ausschließlich an der Beitragsschraube dreht, dann werden die Beiträge schrittweise weiter steigen“, hatte sich Verbandsfunktionär Kiefer in einem Interview mit der Morgenpost positioniert.