Das Thema Nachhaltigkeit hat in vielen Bereichen des Lebens an Bedeutung gewonnen. Das Zukunftsinstitut hat den Begriff „Neo-Ökologie“ sogar zu einem der zwölf Megatrends unserer Zeit erklärt. Diese Entwicklung schlägt sich auch in der Versicherungsbranche nieder. Doch trotz der zunehmenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung und diversen Beteuerungen von Branchenvertretenden sind nachhaltige Versicherungsprodukte noch selten. So bleibt auch der Einfluss des Themas auf das Kaufverhalten der Versicherungsnehmerinnen und -nehmer ebenfalls begrenzt.

Anzeige

Fehlende Erfahrungen mit nachhaltigen Versicherungsprodukten

Dr. Philipp Spreer ist Managing Partner bei elaboratumelaboratumAls Beratung, die viele Versicherungsunternehmen bei der Kundenzentrierung unterstützt, haben wir von elaboratum jetzt in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen die neue Studienreihe „Policen für den Planeten ̶ Nachhaltige Versicherungsprodukte zwischen Nachfragevakuum und Profilierungschance“ veröffentlicht. Diese untersucht die genannte Diskrepanz und zeigt gleichzeitig sowohl Herausforderungen als auch Chancen auf. Im Kontext von Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche gibt es nämlich ein klassisches Henne-Ei-Problem: Solange auf der Anbieterseite ein Vakuum herrscht, können Kundinnen und Kunden trotz nachhaltiger Einstellung keine nachhaltigen Policen kaufen. Und zu erwarten, dass irgendwann eine aktive Kundennachfrage entsteht und Versicherer unter Druck setzt, erscheint weitestgehend unrealistisch.

Die aktuelle Untersuchung belegt, dass zwei Drittel der Befragten zwar noch keine Erfahrungswerte in Bezug auf nachhaltige Versicherungsprodukte haben, aber rund ein Viertel der Versicherungskunden offen für nachhaltige und innovative Produktkonzepte ist. Die Mehrheit sieht jedoch keinen klaren Zusammenhang zwischen Versicherungen und Nachhaltigkeit. Nur etwa 20 Prozent der Befragten erkennen eine starke Verbindung. Das ist angesichts der doppelten Komplexität von Nachhaltigkeit und Versicherung wenig überraschend.

Die nachhaltigsten Versicherer

Ein entscheidendes Problem ist die fehlende Wahrnehmung nachhaltiger Versicherer in der Bevölkerung. Fast die Hälfte der Befragten (47,5 Prozent) nimmt keine Versicherung als besonders nachhaltig wahr. Immerhin 25,4 Prozent nennen die Allianz. Es folgen HUK-Coburg mit 15,3 Prozent und Ergo mit 13,1 Prozent. Interessant ist, dass eine überaus starke Korrelation von wahrgenommener Nachhaltigkeitskompetenz und Markenbekanntheit besteht. Das bietet vor allem bekannten Versicherungsmarken eine große Chance: Ihre Markenbekanntheit kann als Vorsprung genutzt werden, wenn es darum geht, ein nachhaltiges Image zu transportieren und sich in den Köpfen nachhaltig eingestellter Personen zu verankern.

elaboratum

Weiblich, akademisch gebildet, digitalaffin

Zum Kern der Ergebnisse: Jenseits platter Durchschnittswerte haben wir eine nachhaltig orientierte Zielgruppe identifiziert, die 23,3 Prozent des Gesamtmarkts der Versicherungsbranche umfasst. Auffällig ist, dass Frauen in dieser Zielgruppe überrepräsentiert sind, sie machen 59,6 Prozent aus. Nachhaltige Versicherungskundinnen und -kunden sind zudem besser ausgebildet, digitalaffin, weniger preissensibel und kritisch gegenüber Nachhaltigkeitsaussagen der Versicherer. Sie besitzen tendenziell mehr Policen, sind vorsichtiger und langfristig orientiert, was sie zu einer besonders attraktiven Kundengruppe macht. Frühere Untersuchungen unseres Partners der Universität St. Gallen zeigten zudem, dass nachhaltige Personen ein geringeres Schadenrisiko haben.

Das Potenzial der nachhaltigen Zielgruppe

Obwohl bei der Mehrheit der Befragten die Skepsis oder Unwissenheit gegenüber nachhaltigen Versicherungsprodukten überwiegt, gibt es in der nachhaltigen Zielgruppe genügend Potenzial, diese Produktpalette weiterzuentwickeln. Denn nachhaltige Personen sehen durchaus eine inhaltliche Verbindung der beiden komplexen Themen Nachhaltigkeit und Versicherungen. 31,8 Prozent von ihnen erkennen einen eher starken oder starken Zusammenhang. Besonders vielversprechend sind die Anknüpfungspunkte bei Policen, bei denen das versicherte Objekt als ökologisch problematisch diskutiert wird, wie KFZ-, Wohngebäude- und Reisekrankenversicherungen. Denken Sie an das „Diesel-Aus“, den „Heizungshammer“ oder „Flugscham“.

Prof. Dr. Peter Maas von der Universität St. GallenUniversität St. Gallen

Nachhaltige Ansätze in der Versicherungsbranche zu etablieren, ist aktuell noch kein leichtes Unterfangen. Prof. Dr. Peter Maas von der Universität St. Gallen erklärt: „Die Kombination abstrakter Versicherungsprodukte mit dem vielschichtigen Thema ‚Nachhaltigkeit‘ macht es Kunden nicht leichter, einzuschätzen, wie ein konkreter Beitrag der Assekuranz im Bereich Sustainability aussehen könnte. Dabei haben Versicherer hier sehr konkrete Ansatzpunkte, kundenverhaltensbasierte Erkenntnisse für die Entwicklung innovativer Dienstleistungen mit Nachhaltigkeitsbezug zu nutzen, vor allem in den Bereichen Prävention oder nachhaltige Lebensstile.“ Dass das Marktpotenzial durchaus gegeben ist, belegt unsere Studie.

Anzeige