Ab dem 07. Juli 2024 greift die zweite Zeitstufe der EU-Verordnung 2019/2144. Mit dieser Verordnung verfolgt die EU das Ziel, Autofahren auf europäischen Straßen grundsätzlich sicherer zu machen und die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten deutlich zu reduzieren. Deshalb werden viele Assistenzsysteme in Neuwagen zur Pflicht: Bis zum Jahr 2038 sollen so mehr als 25.000 Unfalltote und mindestens 140.000 Schwerverletzte in Europa vermieden werden.

Anzeige

Zu diesen neuen Regeln hat sich nun auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) positioniert. Und bremst die Erwartungen bezüglich der niedrigeren Unfallzahlen. Zur Vermeidung von Unfällen werde demnach laut Prognosen der Kfz-Versicherer hauptsächlich der Notbremsassistent beitragen. „Wir gehen davon aus, dass der Notbremsassistent die Häufigkeit von Pkw-Unfällen, bei denen Dritte zu Schaden kommen, um insgesamt 8 bis 9 Prozent bzw. mehr als 200.000 Unfälle pro Jahr senken kann – wenn alle Autos damit ausgestattet sind“, so sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV. Bis dahin werde es jedoch noch mehr als ein Jahrzehnt dauern, da sich Neuwagen nur langsam auf europäischen Straßen verbreiten würden. Für Gebrauchtwagen und bereits genutzte PKW besteht keine Pflicht, sie entsprechend nachzurüsten.

Andere Helfer hätten hingegen deutlich kleinere Effekte: So dürfte der ebenfalls verpflichtende Spurhalteassistent die Unfallhäufigkeit um weniger als ein Prozent senken. „Assistenzsysteme haben auf viele Schäden gar keinen Einfluss und verhindern in der Praxis weniger Unfälle als in der Theorie“, so Asmussen.

Bereits in einem Pressetext von 2022 hatten sich die Versicherer positioniert, dass sie mit weit weniger positiven Effekten rechnen als von der Politik angenommen: unter anderem, weil die Zahlen unter Idealbedingungen gewonnen werden, die aber in der Realität oft keine Entsprechung finden. "In Baustellenbereichen oder bei widriger Witterung können Assistenzsysteme an Grenzen stoßen, zudem nutzen die Fahrer die Systeme nicht durchgehend. Im realen Straßenverkehr werden daher weniger Schäden verhindert, als es unter idealen Bedingungen möglich wäre“, schrieb hierzu der GDV.

Assistenzsysteme könnten ihre Wirkung am besten entfalten, wenn mehrere Systeme zusammenarbeiten, so eine Studie der Versicherer zum automatisierten Fahren aus dem Jahr 2022. Die Wirkung einzelner Assistenten sei hingegen oft beschränkt. Je nachdem, wie schnell sich neue Fahrzeuge und damit auch die Assistenzsysteme verbreiten, könnte die Zahl der Pkw-Schäden in der Kfz-Versicherung von 2019 bis 2040 um 13 bis 19 Prozent sinken. Die Entschädigungsleistungen könnten um 17 bis 22 Prozent zurückgehen. Besonders deutlich sollen die Schadenzahlen in der Kfz-Haftpflicht sinken: um 24 bis 35 Prozent laut den Berechnungen.

Anzeige

Aber es gibt auch einen gegenläufigen Effekt: Die zusätzliche Technik macht Reparaturen teurer. So werden voraussichtlich die durchschnittlichen Schadenkosten pro Reparatur steigen. „Neue Technik wie Sensoren und Kamerasysteme müssen im Schadenfall ausgetauscht oder neu kalibriert werden. Ein Assistenzsystem macht etwa den Austausch einer Windschutzscheibe um rund 25 Prozent teurer“, sagt Asmussen.

Konkret sind folgende Assistenzsysteme laut EU-Verordnung vorgeschrieben:

  • Intelligenter Geschwindigkeitsassistent (ISA): Ein System, das den Fahrer über die aktuelle Geschwindigkeitsbegrenzung informiert und ihn unterstützt, diese einzuhalten.
  • Notbremsassistenzsystem (AEB): Ein System, das automatisch eine Notbremsung einleiten kann, um Kollisionen zu vermeiden oder ihre Schwere zu reduzieren. In der ersten, nun inkrafttretenden Phase sollen die Bremssysteme stehende und sich bewegende Fahrzeuge erkennen und automatisch bei zu großer Annäherung abbremsen. In einer zweiten Phase ab 2026 sollen die Erstzulassungen auch auf Fußgänger und Radfahrer reagieren und abbremsen.
  • Spurhalteassistent (LKA): Ein System, das den Fahrer warnt und gegebenenfalls eingreift, wenn das Fahrzeug unbeabsichtigt die Fahrspur verlässt.
  • Müdigkeitswarner (DDAW): Ein System, das Anzeichen von Müdigkeit beim Fahrer erkennt und ihn rechtzeitig warnt. Rückfahrkamera oder Rückfahrsensoren: Systeme, die dem Fahrer beim Rückwärtsfahren helfen und Hindernisse hinter dem Fahrzeug erkennen.
  • Rückfahrkamera oder Rückfahrsensoren: Systeme, die dem Fahrer beim Rückwärtsfahren helfen und Hindernisse hinter dem Fahrzeug erkennen.
  • Unfalldatenspeicher (EDR)/ Ereignisbezogene Datenspeicherung: Ein System, das bei einem Unfall relevante Daten wie Geschwindigkeit, Bremsverhalten und andere Fahrparameter aufzeichnet. Das soll anonymisiert und somit in Einklang mit EU-Datenschutz erfolgen.
  • Alkohol-Interlock-Vorrichtung: Eine Schnittstelle, die den Einbau eines Alkohol-Interlock-Systems ermöglicht, das sicherstellt, dass das Fahrzeug nur gestartet werden kann, wenn der Fahrer einen Atemalkoholtest besteht.
  • Erweiterter Notbremsassistent (Advanced Emergency Braking System - AEBS): Ein System, das in kritischen Situationen eine automatische Notbremsung einleiten kann.
  • Notfall-Spurhalteassistent (Emergency Lane Keeping System - ELKS): Ein System, das den Fahrer unterstützt, die Spur beizubehalten, insbesondere in Notfallsituationen.