Wenn Frauen von einem Bankberater beraten werden, werden ihnen tendenziell schlechtere Konditionen und teurere Produkte angeboten. Das zeigt eine Auswertung des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), über die exklusiv die Süddeutsche Zeitung berichtet. Für die Studie wurden 27.000 Beratungsgespräche zum Thema Geldanlage mit Männern und Frauen ausgewertet, wobei sich die Auswertungen auf Bankberatungen konzentriert haben. Die Gespräche fanden in den Jahren 2010 bis 2017 statt.

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Frauen erhalten bei Beratungsterminen im Vergleich zu Männern weniger Rabatte auf Verkaufsgebühren. Außerdem werden ihnen mit einer um bis zu neun Prozent höheren Wahrscheinlichkeit teurere Finanzprodukte empfohlen, so zeigt die ZEW-Studie. Folglich müssten Frauen tendenziell höhere Kosten für ihre Finanzprodukte zahlen.

Laut Süddeutscher Zeitung wolle Studienautorin Tabea Bucher-Koenen die Ergebnisse aber nicht so interpretiert wissen, dass Finanzberater Kundinnen „systematisch über den Tisch ziehen“. Vielmehr seien die höheren Kosten ein Ergebnis von fehlendem Finanzwissen - und einem geringeren Selbstbewusstsein in finanziellen Angelegenheiten. Dies zeigen wiederholte Umfragen: Laut einer Auswertung der Bertelsmann Stiftung verlassen sich mehr als jede fünfte Frau bei der Altersvorsorge auf Unterstützung durch Familie und Partner, während es bei den Männern nur jeder Achte tut. Eine Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kommt zu ähnlichen Ergebnissen, wonach Frauen häufiger wichtige Finanzbegriffe nicht erklären konnten als Männer.

Ein weiterer Aspekt, der in dem Artikel nicht genannt wird: Frauen wünschen auch seltener eine Standardberatung in Sachen Finanzen, wie der Kundenmonitor Assekuranz 2022 von Sirius Campus und Aeiforia gezeigt hat. Demnach wünschen 59 Prozent der weiblichen Entscheider und Mitentscheider eine speziell auf die Anforderungen von Frauen abgestimmte Versicherungsberatung, was auch Fragen der Geldanlage umfasst. Dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, öfters ihre Erwerbsarbeit für Erziehung und Pflege unterbrechen und auch ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis bei der Geldanlage haben, wird demnach noch nicht ausreichend berücksichtigt.

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Speziell bei den Alterseinkommen zeigt sich immer noch ein Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern. Laut dem Statistischen Bundesamt Wiesbaden beziehen Frauen ab 65 Jahren Alterseinkünfte von rund 18.700 Euro brutto im Jahr, Männer von rund 25 600 Euro brutto (nach EU-SILC 2023). Die Gender Pension Gap beträgt somit 27,1 Prozent. Dabei wirkt sich noch die Hinterbliebenenrente bei Frauen positiv auf die durchschnittlichen Alterseinkommen aus. Denn mehr als jede vierte Frau (29 %) ab 65 Jahren bezog eine Hinterbliebenenrente, sogenannte abgeleitete Ansprüche. Bei den Männern trifft dies nur auf gut sechs Prozent zu. Werden diese abgeleiteten Rentenansprüche, die von der Erwerbstätigkeit des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin abhängen, aus der Betrachtung ausgeschlossen, ergibt sich ein noch höherer Gender Pension Gap von 39,4 Prozent.