Nach der gesetzlichen Vorschrift (§ 613a BGB) liegt ein Betriebsübergang vor, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Der bloße Wechsel des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft ist dagegen kein Betriebsübergang.

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Anja Sprick, Justiziarin, Recht | Steuern, Longial GmbHLongial GmbH

Wer wird erfasst und wer nicht?

Aufgrund der ausdrücklichen Beschränkung im Wortlaut des Gesetzes auf den Übergang bestehender "Arbeitsverhältnisse" erstrecken sich die Rechtsfolgen des § 613a BGB nach der Rechtsprechung ausschließlich auf die im übergehenden Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Dazu zählen auch Auszubildende und leitende Angestellte. Nicht erforderlich ist, dass das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des Betriebsübergangs aktiv besteht. Die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs erstrecken sich auch auf ruhende Arbeitsverhältnisse. Dem Betrieb gehören daher auch solche Arbeitnehmer an, die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs arbeitsunfähig krank, in der Elternzeit oder in der Freistellungsphase eines Altersteilzeitvertrags sind. Organmitglieder juristischer Personen, wie z. B. der Geschäftsführer einer GmbH oder der Vorstand einer AG, werden vom Anwendungsbereich des § 613a BGB nicht erfasst. Möglich ist aber nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG-Urteil v. 20.7.2023 – 6 AZR 228/22) dann eine Betroffenheit, wenn eine GmbH mit dem GmbH-Geschäftsführer einen Arbeitsvertrag geschlossen hat (grundsätzlich erhalten Organpersonen einen Dienstvertrag und dieser wäre nicht vom Betriebsübergang erfasst). Allerdings würde in einem solchen Fall die Organstellung nicht übergehen. Es ist also immer sorgfältig zu prüfen, welche Art von Anstellungsvertrag zwischen den Beteiligten geschlossen wurde. Die Arbeitsverhältnisse gehen auf einen Betriebserwerber in dem Zustand über, den sie zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs haben.

Nicht vom Betriebsübergang erfasst werden dagegen bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer und Rentner.

Was passiert mit der bAV?

Als wesentliche Rechtsfolge des Betriebsübergangs ergibt sich, dass der neue Betriebsinhaber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt, d. h. er erhält die volle Arbeitgeberstellung.

Man könnte daher meinen, dass damit auch die bestehende bAV, die Teil des Arbeitsverhältnisses ist, uneingeschränkt weitergeführt werden muss. Aber ganz so einfach ist es nicht. Denn hier sind verschiedene Fallgestaltungen denkbar: Für die Beurteilung, was mit der bAV geschieht, ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob nur beim Veräußerer oder nur beim Erwerber eine bAV besteht oder bei beiden Parteien Versorgungzusagen bestehen. Weiter ist zu prüfen, auf welcher Rechtsgrundlage die bAV erteilt wurde, also danach, ob es sich um einen individuellen oder kollektivrechtlichen Begründungsakt handelt, wobei hierbei auch noch zwischen Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen zu unterscheiden ist. Zudem kann von Bedeutung sein, ob die Organisationsstruktur bzw. der Betriebszweck beim Betriebsübergang erhalten bleibt. So sind eine Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten denkbar. Aus dem Gesetz ergeben sich keine konkreten Regelungen zu den diversen Fallgestaltungen. Vielmehr hat sich hier die Rechtsprechung durch Rechtsfortbildung weiterentwickelt.

Sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber bestehen Regelungen zur bAV

In der Praxis am häufigsten dürften die Fallgestaltungen auftreten, nach denen sowohl beim Veräußerer als auch beim Erwerber Regelungen zur bAV bestehen und dies oftmals auf der Grundlage von Betriebsvereinbarungen.

Sind Verschlechterungen möglich?

Beim Betriebsübergang ging die ältere Rechtsprechung (BAG-Urteil v. 24. Juli 2001 – 3 AZR 660/00) davon aus, dass eine beim Betriebserwerber aufgrund einer Betriebsvereinbarung geltende Versorgungsordnung (VO) auch auf die übergehenden Arbeitnehmer Anwendung findet und damit VO des alten Arbeitgebers verdrängt. Allerdings nur, soweit sie denselben Regelungsgegenstand haben und soweit es sich um dieselbe Regelungsebene handelt (§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB).

Zugunsten der Arbeitnehmer hatte die Rechtsprechung einen Besitzstandschutz nach der ersten Stufe der sog. Drei-Stufen-Theorie entwickelt: Und zwar musste den übergehenden Arbeitnehmern der Besitzstand, den sie bei ihrem alten Arbeitgeber vor dem Betriebsübergang erdient hatten, in aller Regel erhalten bleiben. Dies wurde damit begründet, dass die versorgungsberechtigten Arbeitnehmer, die beim bisherigen Arbeitgeber unter der Geltung der dortigen VO eine bestimmte Zeit im Arbeitsverhältnis zurückgelegt hätten, darauf vertrauen dürften, dass ihnen die dort erworbenen Anwartschaften nicht mehr genommen würden. Besitzstandswahrung bedeutet in diesem Fall, dass bei Eintritt in den Ruhestand die Betriebsrente mindestens so hoch sein muss, wie sie gewesen wäre, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre. Hatte ein Arbeitnehmer also beispielsweise bis zum Betriebsübergang eine Anwartschaft auf eine Rente von 100 EUR erworben und erhält er nach der VO des Erwerbers ebenfalls 100 EUR oder auch mehr, dann ist nach dieser Rechtsprechung der Besitzstand gewahrt gewesen. Möglich waren hingegen zumeist Eingriffe, die sich auf noch nicht erdiente, sondern künftig erst noch zu erwerbende Anwartschaften auswirken. Die Einzelheiten sind komplex. Für eine Kürzung künftiger dienstzeitabhängiger Zuwachsraten sind sog. sachlich-proportionale Gründe erforderlich (z. B. eine wirtschaftlich ungünstige Entwicklung oder die Vereinheitlichung der Altersversorgung).

Nach der neueren Rechtsprechung (vgl. BAG-Urteil vom 22.10.2019 - 3 AZR 429/18) geht der Vertrauensschutz im Rahmen der Drei-Stufen-Theorie noch weiter und bezieht auch die zweite und dritte Stufe ein. Das bedeutet, dass die auf einer Betriebsvereinbarung beruhende bAV des Veräußerers grundsätzlich weitergilt und dass sie nur dann geändert werden dürfe, wenn beim Erwerber Änderungsgründe vorliegen, die auch nach den Besitzstandsregeln der Drei-Stufen-Theorie eine Neuordnung rechtfertigen. Denn bei der bAV gehören zum Besitzstand des Arbeitnehmers auch die Erwartungen, die durch die VO begründet werden. Sie beziehen sich auf das gesamte Arbeitsverhältnis bis zum Eintritt des Versorgungsfalls. Das bedeutet, dass nicht nur geprüft wird, was der Arbeitnehmer des Veräußererbetriebs im Zeitpunkt des Betriebsübergangs an Anwartschaften bereits erworben hat, sondern welche Ansprüche er im Versorgungsfall, also zum Altersrentenbeginn nach der alten VO erworben hätte. Hätte er beispielsweise ab Altersrentenbeginn nach der VO seines alten Arbeitgebers einen Anspruch auf 200 EUR erworben und nach der VO des neuen Arbeitgebers nur einen Anspruch von 150 EUR, so muss geprüft werden, ob der Differenzbetrag der Drei-Stufen-Theorie standhält. In der Regel müssten daher beim neuen Arbeitgeber sachlich-proportionale Gründe für eine Verringerung des Anspruchs vorgelegen haben. Das BAG hat hier betont, dass allein das Interesse des Arbeitgebers, nach einem Betriebsübergang unterschiedliche VOen vereinheitlichen zu wollen, als Sachgrund für eine Verschlechterung von Regelungen zur bAV nicht ausreicht – auch nicht für Eingriffe in die weiteren dienstzeitabhängigen Zuwächse. Vielmehr müssen weitere Voraussetzungen für diesen Sachgrund erfüllt sein.

Insoweit können Betriebserwerber den Inhalt von übernommenen Versorgungssystemen ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht ohne Weiteres verschlechtern.

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