Bundesgerichtshof verpflichtet Sparkassen zur Neuberechnung von Prämiensparverträgen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erneut über Prämiensparverträge von Sparkassen entschieden. Für Sparerinnen und Sparer gibt es gemischte Nachrichten: Einerseits wurde bestätigt, dass die verwendeten Klauseln der Banken intransparent sind und Verbraucher benachteiligen. Andererseits scheiterten die klagenden Verbraucherzentralen mit ihrer Revision, die noch höhere Rückzahlungen für Sparer erzwingen wollte. Dennoch müssen die Sparkassen Gelder nachzahlen, da sie Zinsen einseitig angepasst haben.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erneut ein Urteil zu Prämiensparverträgen gefällt. Es ist ein Rechtsstreit, der seit Jahren ausgefochten wird - und nun, glaubt man den klagenden Verbraucherzentralen, zu einem Ende kommt. Einerseits muss die Verbraucherzentrale eine Schlappe einstecken, denn eine von ihr angestrengte Revision wurde zurückgewiesen. Und andererseits bestätigt das Urteil erneut, dass die Sparerinnen und Sparer auf hohe Nachzahlungen hoffen können.
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Klauseln intransparent: Sparkassen passten Zinsertrag einseitig an
Konkret haben der Verbraucherzentrale Bundesverband und zwei regionale Verbraucherzentralen gegen die Saalesparkasse und die Ostsächsische Sparkasse Dresden geklagt. Im Mittelpunkt stehen die sogenannten Prämiensparverträge, die besonders von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken angeboten wurden. Seit den 90er Jahren hatten die Banken diese Verträge im Angebot – und das mit großem Erfolg. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wusste im Jahr 2021 von etwa 1,1 Millionen dieser Prämiensparverträge.
Diese Sparverträge sehen einen variablen Zins und einen gestaffelten Bonus zum Jahresabschluss vor. Sie versprachen zumindest in der Anfangszeit vergleichsweise gute Erträge, bei denen ein Jahreszins von bis zu fünf Prozent möglich war. Das Problem: In Zeiten niedriger Zinsen passten die Sparkassen ihren Zinssatz immer wieder nach unten an, bis faktisch nichts mehr übrig war. Zuletzt betrug er magere 0,001 Prozent per annum. Dabei wurden die Kundinnen und Kunden oft nur über Aushänge in den Filialen informiert, dass sich der variable Bonus deutlich zu ihren Ungunsten verändert hatte.
Bereits in früheren Urteilen hatte der BGH entschieden, dass die Klauseln, mit deren Hilfe der Zins angepasst wurde, gegen Verbraucherrecht verstößt. Denn diese Klauseln waren recht vage und ungenau formuliert. Zudem erlaubten sie es, dass die Sparkassen den Zins einseitig zum Nachteil des Kunden bzw. der Kundin anpassten. Aus Sicht des BGH benachteiligen diese Klauseln den Sparer. Der Kunde könne nicht nachvollziehen, wie und unter welchen Bedingungen die Zinsen nach Vertragsabschluss angepasst werden. Es bestehe die Gefahr, dass die Sparkassen den Zins willkürlich zum Nachteil des Kunden abändern (u.a. BGH-Urteil vom 17.02.2004, AZ: XI ZR 140/03 sowie BGH-Urteil vom 14.03.2017, XI ZR 508/15).
Ein weiterer Streitpunkt war, an welchem Referenzzins sich die Sparkassen orientieren sollten. Die Sparkassen bezogen auch kurzfristige Spareinlagen ein, was dazu führte, dass die Zinsen schneller nach unten korrigiert werden konnten. "Hierdurch werden fallende Zinsen schneller an die Sparer weitergegeben," berichtet Rechtsanwalt Kai Malte Lippke auf anwalt.de, der gemeinsam mit der Verbraucherzentrale die Sparverträge prüfte. Die Verbraucherzentralen argumentierten hingegen, dass sich die Sparkassen an einer Zeitreihe der Bundesbank orientieren müssten, die für langfristige Anlagen gilt und Pfandbriefe mit zehnjähriger Laufzeit erfasst.
Der XI. Zivilsenat des BGH entschied nun am am 9. Juli 2024 in zwei Urteilen, dass die Zinsanpassungen bei diesen Verträgen auf Basis der Umlaufrenditen börsennotierter Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von über 8 bis 15 Jahren erfolgen müssen (Az.: XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23). Damit haben die Richterinnen und Richter die Urteile der Vorinstanzen bestätigt, vor allem ein Urteil des OLG Dresden aus dem Jahr 2023. Die Verbraucherzentralen hatten dagegen Revision eingelegt, um noch höhere Rückzahlungen durchzusetzen. Diese Revision scheiterte.
Problem der Verjährung
Trotz der gescheiterten Revision werten die Verbraucherzentralen die aktuellen BGH-Urteile als Erfolg. Erstmals herrscht nun Klarheit darüber, auf welcher Basis die Sparkassen und Banken die Prämiensparverträge hätten berechnen müssen. Viele Sparerinnen und Sparer können nun auf vierstellige Nachzahlungen hoffen.
Ramona Pop, Vorständin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, erklärt hierzu: „Heute ist ein guter Tag für geprellte Prämiensparer:innen. Der Bundesgerichtshof hat einen Maßstab festgelegt, wie Sparkassen falsch berechnete Verträge neu berechnen müssen. Jetzt müssen alle Sparkassen tätig werden und von sich aus Entschädigungen in die Wege leiten. Prämiensparer:innen müssen eine finanzielle Entschädigung erhalten, ihnen stehen erhebliche Nachzahlungen zu", so Popp.
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Doch es gibt auch ein Problem: Drei Jahre nach Kündigung des Sparvertrages verjähren die Ansprüche, sofern sich die Betroffenen noch keiner Klage angeschlossen haben. Hier wollten die Verbraucherzentralen vor dem BGH eine Verjährungsfrist von zehn Jahren durchsetzen, was ebenfalls gescheitert ist. „Bei Verträgen, die 2021 endeten, ist also Zeit bis zum Jahresende, bevor die dreijährige Verjährungsfrist für Rückforderungen endet. Betroffene sollten in diesem Fall eine Schlichtungsstelle einschalten, um so die Verjährung zu hemmen“, sagt Fachjournalist Hermann-Josef Tenhagen von Finanztip. Er rät Kundinnen und Kunden dazu, kein voreiliges Vergleichsangebot der Banken anzunehmen, sondern eine Neuberechnung der Zinsen zu beantragen.