„Finanzkriminalität wird in Deutschland noch zu häufig als Kavaliersdelikt angesehen”, sagte Anne Brorhilker, ehemalige Oberstaatsanwältin in Köln, vergangene Woche bei einem Pressegespräche in Berlin. Brorhilker bat im April 2024 um Entlassung aus dem Staatsdienst und sorgte damit deutschlandweit für Furore. „Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird. Da geht es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz“, so die Juristin damals gegenüber dem WDR.

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Wenig später wurde bekannt, dass sich Brorhilker erfolgreich bei Finanzwende um einen Posten in der Geschäftsleitung beworben hatte (Versicherungsbote berichtete). „Ich kenne die Täter und weiß, wie sie arbeiten”, so die Geschäftsführerin von Finanzwende. „Dieses Wissen will ich jetzt nutzen, um kriminelle Geschäfte zu verhindern, bevor sie überhaupt passieren können.” Und sie will weiter mit der Bürgerbewegung gegen den Einfluss der Finanzlobby kämpfen – und dafür, dass massenhaft gestohlene Steuergelder zurückgeholt werden. „Finanzkriminalität wird in Deutschland noch zu häufig als Kavaliersdelikt angesehen”, so Brorhilker vergangene Woche. „Es geht aber um Milliarden, die uns allen fehlen, und die wir endlich zurückholen müssen.”

Ein Paradebeispiel für diese Missstände sind die CumCum-Geschäfte. Trotz eines Schadens von geschätzten 28,5 Milliarden Euro für die Steuerzahler*innen haben die Finanzbehörden bisher nur einen Bruchteil zurückgeholt. Seit 2015 sei klar, dass diese Geschäfte steuerrechtlich nicht in Ordnung sind, aber die verantwortlichen Banken wurden bislang kaum zur Verantwortung gezogen. Brorhilker sieht hier den starken Einfluss der Finanzlobby, insbesondere der Banken, die effektive Kontrollen und Strafverfolgung verhindern wollen.

Ein weiteres Hindernis für die Aufklärung dieser Fälle sind die sogenannten BMF-Schreiben aus den Jahren 2016 und 2017. Diese Schreiben des Bundesfinanzministeriums, damals unter Wolfgang Schäuble (CDU), ermöglichten es den Banken, illegale Profite aus CumCum-Geschäften zu behalten. Erst 2021 wurde dieser Schritt unter Olaf Scholz (SPD) korrigiert. Die genauen Hintergründe dieser Schreiben sind bis heute unklar, und Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wurden von den Behörden weitgehend blockiert, teils mit Verweis auf wirtschaftliche Interessen der Banken.

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Gegen diese Praxis hat Finanzwende nun Klage eingereicht. Ein direkter Einfluss auf die CumCum-Ermittlungen und Rückholung der Steuer-Milliarden ist aus dieser Klage zwar nicht zu erwarten. Gleichwohl erhofft sich Finanzwende, dass sich mit der Klage der politische Druck auf Entscheidungsträger in den Finanzministerien erhöht. „Der Schutz der Banken wiegt für die Finanzbehörden offenbar schwerer als der Schutz von Steuergeldern der Allgemeinheit”, sagte Brorhilker. „Die Finanzministerien müssen endlich zeigen, auf welcher Seite sie stehen.”