Im Pressetext nimmt der Verband ein mittleres Kostenszenario als Grundlage: In dieser Modellrechnung wird der Eigenanteil zur Pflege bei 700 Euro pro Monat gedeckelt und die Leistungsausgaben verteuern sich um 5,7 Prozent pro Jahr. Das hätte schon im ersten Jahr 2024 zu zusätzlichen Kosten von 8,1 Milliarden Euro geführt, zeigt die Kostenschätzung des WIP. Getrieben durch den demografischen Wandel würden die jährlichen Kosten dann auf 15,2 Milliarden Euro im Jahr 2030 steigen (siehe Grafik).

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PKV-Verband

"Die Zahlen machen einmal mehr deutlich: In Zeiten von Haushaltslöchern und rasant steigenden Sozialabgaben gibt es keinen Spielraum für zusätzliche Leistungen in der Gesetzlichen Pflegeversicherung“, erklärt PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther. „Obergrenzen für die Eigenanteile sind Sozialpolitik mit der Gießkanne – weder zielführend noch bezahlbar".

Heutige Entlastung der Eigenbeiträge wird mehrheitlich von gesetzlich Versicherten gestemmt

Was der PKV-Verband im Pressetext nicht erwähnt: Schon die heutige Entlastung der Eigenanteile durch Zuschläge kostet Milliarden. Die Pflegeversicherung könnte Kosten sparen, wenn die gestaffelten Zuschläge nach Aufenthaltsdauer im Heim entfallen. Auf lange Sicht, bis etwa 2030, drohen diese Kosten erheblich zu steigen. Schätzungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge und anderer Fachorganisationen gehen davon aus, dass die jährlichen Ausgaben möglicherweise 3 bis 4 Milliarden Euro erreichen könnten. Doch diese Zuschüsse werden aus den Beiträgen der gesetzlich Versicherten finanziert: Die privaten Krankenversicherer wären fein raus, wenn der Status Quo erhalten bliebe.

Die gesetzlichen Versicherer haben wiederholt eine gerechtere Verteilung der Pflegekosten gefordert. Der Verband der Ersatzkassen verlangt, dass sich die privaten Pflegeversicherer am Solidarausgleich beteiligen. Laut dem „Pflegereport 2019“ liegen die Pflegekosten bei privaten Versicherern pro Versicherten um 250 Prozent niedriger als bei den gesetzlichen.

Die niedrigeren Pflegekosten resultieren nicht nur aus einer effizienteren Verwaltung. Private Anbieter dürfen Cherry-Picking betreiben, indem sie Antragsteller mit hohem Gesundheitsrisiko oder chronischen Krankheiten ablehnen oder mit höheren Beiträgen belasten. Zudem haben private Versicherer eine höhere Anzahl männlicher Versicherter, da Frauen seltener privat versichert sind. Frauen haben aber eine längere Lebenserwartung und somit ein höheres Pflegebedürfnis. In der gesetzlichen Pflegeversicherung sind daher mehr ältere Menschen versichert: Bei den über 80-Jährigen, die am stärksten pflegebedürftig sind, liegt der Anteil der gesetzlich Versicherten bei 6,4 Prozent – fast doppelt so hoch wie bei den privaten Versicherern.

Forderung nach mehr Privatvorsorge

Der Verband der privaten Krankenversicherer fordert stattdessen, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr privat vorsorgen. „Zur Stabilität der Sozialsysteme braucht es jetzt dringend mehr Eigenverantwortung und private Vorsorge. Fast 70 Prozent der Rentnerhaushalte können sich aus ihrem Einkommen und Vermögen einen Platz im Pflegeheim für mehrere Jahre leisten. Für alle anderen garantiert die Sozialhilfe gezielte Unterstützung nach Bedürftigkeit“, sagt Verbandsdirektor Reuter. Ein Vorteil: Anders als in der gesetzlichen Pflegeversicherung wird dann auch ein Kapitalpolster angespart, um jüngere Generationen zu entlasten.

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Ob eine verstärkte private Vorsorge allein ausreicht, um das Problem der stark steigenden Eigenbeiträge zu lösen, ist fraglich. Sollte der Eigenbeitrag bis 2029 tatsächlich auf 3.142 Euro monatlich steigen, wie vom AOK-Institut prognostiziert, müssten Pflegebedürftige auch bei typischen Privatrenten einer Pflegezusatzversicherung von 1.000 bis 1.200 Euro noch erhebliche zusätzliche Beträge aus ihren Alterseinkünften und Ersparnissen aufbringen. Es bliebe eine große Lücke. Denkbar wären auch Reformen, die sowohl eine verstärkte Eigenvorsorge fördern als auch private Pflegeversicherer stärker in die Verantwortung nehmen.

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