Ein Vertrag – vier Absicherungen

Umgangssprachlich wird zwar „nur“ von der Berufshaftpflicht für Praxen gesprochen. Richtig aber ist, dass ein solcher Vertrag in der Regel aus vier Versicherungen besteht:

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  1. Berufshaftpflicht für das Heilwesen
  2. Betriebshaftpflicht
  3. Umwelt-Haftpflichtversicherung und
  4. Umweltschadensversicherung

Durch die verschiedenen Bausteine ist sichergestellt, dass auch das Betriebsstätten-Risiko der Arzt- oder Zahnarztpraxis abgesichert ist.

Berufshaftpflicht-Versicherung für medizinisch Behandelnde

Seit Juli 2021 besteht für niedergelassene Ärzte und Zahnärzte die Pflicht, für ausreichenden Berufshaftpflicht-Schutz zu sorgen. Der Nachweis darüber muss bei Stellung des Antrags auf Zulassung, auf Ermächtigung und auf Genehmigung einer Anstellung sowie auf Verlangen des Zulassungsausschusses erbracht werden. Der neugeschaffene Paragraf 95e des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) fordert für Behandler je nach Niederlassungsform Mindest-Voraussetzungen:

  • Drei Millionen Euro für Personen- und Sachschäden für Vertrags- (Zahn-) Ärzte ohne angestellte (Zahn-) Ärzte;
  • fünf Millionen Euro für Personen- und Sachschäden für MVZ sowie für Vertrags- (Zahn-) Ärzte und Berufsausübungsgemeinschaften mit angestellten Ärzten – diese Summe muss mindestens dreimal pro Jahr zur Verfügung stehen.

Grundsätzlich ist bei richtiger Gestaltung des Vertrages das gesamte Praxispersonal abgesichert: Das (zahn-) ärztliche Personal, Azubis, Assistenz- (Zahn-) Ärzte sowie angestellte (Zahn-) Ärzte und der niedergelassene (Zahn-) Arzt. Für die beiden zuletzt genannten Personengruppen gelten je nach Versicherer unterschiedliche Deckungen.

Marcus Tausend ist Versicherungskaufmann, Betriebswirt und zertifizierter Heilwesen-Berater. Der Geschäftsführer von "Tausend Finanz" hat sich auf die Absicherung von Arzt- und Zahnarztpraxen spezialisiert.www.tausend-finanz.de

Aufgaben der Berufshaftpflicht-Versicherung für Ärzte und Zahnärzte

Die Berufshaftpflicht-Versicherung versichert die gesetzliche Haftpflicht privatrechtlichen Inhaltes aus der ärztlichen Tätigkeit als Behandelnder. Zu ihren Aufgaben gehört, neben der Prüfung des Anspruchs, die Ablehnung unberechtigter oder die Erfüllung berechtigter Ansprüche (vergl. Paragraf 100 Versicherungsvertragsgesetz). Das können Schadenersatz (Ausgleich des materiellen Schadens) für z.B. Behandlungskosten, Verdienstausfall, Unterhalt oder Pflegekosten sowie Schmerzensgeld (Ausgleich des immateriellen Schadens, Wiedergutmachung) wegen z.B. Verletzung des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit etc. sein. Sie bietet Schutz bei vertraglicher (dienstlicher) und deliktischer Haftung sowie beim sogenannten ärztlichen Restrisiko.

Vertragliche bzw. dienstliche Haftung

Der Behandlungsvertrag nach Paragraf 630a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist ein sogenannter Dienstvertrag und kommt immer mit der Praxis (z.B. Einzelpraxis, Berufsausübungsgemeinschaft oder MVZ) zustande. Das bedeutet, dass der Behandelnde eine Behandlung u.a. nach Stand der Medizin, nach aktuellen Leitlinien und mit angemessener Sorgfalt („lege artis“) schuldet. Er schuldet vom Grundsatz kein Ergebnis (vergl. Werkvertrag), weil verständlicherweise ein Erfolg der Behandlung nicht garantiert werden kann.

Hierbei können Behandlungsfehler im Diagnose- und Therapiebereich sowie bei der Aufklärung entstehen, die den Behandelnden nach Paragraf 280 BGB schadenersatzpflichtig machen würden. In einem Berufshaftpflicht-Vertrag sind alle – sowohl niedergelassene als auch angestellte – Behandelnde gegen das vertragliche Risiko abgesichert.

Deliktische Haftung

Legt man zugrunde, dass jede Behandlung ohne die auf die Aufklärung erfolgte Einwilligung durch den Patienten eine Körperverletzung ist, begeht ein Behandelnder eine unerlaubte Handlung. Die Unversehrtheit des Körpers des Patienten ist nicht mehr gegeben. Die entsprechende Norm im Gesetz ist der Paragraf 823 BGB bzw. ist Paragraf 831 BGB für den angestellten (Zahn-) Arzt. Dies führt bei Kausalität zu einer Schadenersatzpflicht des Behandelnden.

Jeder Behandler, der am Patienten tätig wird, haftet bei Behandlungsfehlern gegenüber dem Patienten. Eine fehlerhafte Behandlung gilt als Verletzung der Gesundheit des Patienten, was nach dem Zivilrecht eine unerlaubte Handlung darstellt. Juristisch wird dies auch deliktische Haftung genannt. Wer zum Beispiel als angestellter Zahnarzt versehentlich den falschen Zahn zieht oder als Chirurg die falsche OP durchführt, kann sich nicht darauf berufen, dass der Behandlungsvertrag ja mit dem Arbeitgeber abgeschlossen wurde. Konkret heißt das, dass auch der angestellte Behandler trotz der Anstellung persönlich gegenüber dem Patienten haftbar gemacht werden kann.

In den Policen der Heilwesen-Versicherer steht auch dies sowohl für den Inhaber als auch für die angestellten (Zahn-) Ärzte unter Schutz.

Ärztliches Restrisiko

Auch ausserhalb der Praxis kann es zu Behandlungen kommen, die einen Haftpflichtschaden nach sich ziehen können. Bei Erste-Hilfe-Leistungen in Unglücksfällen, Behandlungen in Notfällen sowie Freundschaftsdienste im Verwandten- und Bekanntenkreis können Haftpflichtschäden entstehen.

Bei nahezu allen Heilwesen-Versicherern sind neben dem Praxisinhaber meist auch die angestellten (Zahn-) Ärzte gegen diese Schäden abgesichert. Trotzdem bedarf es einem genauen Blick in die Bedingungen des jeweiligen Versicherers, ob auch dies auch tatsächlich der Fall ist.

Berufshaftpflicht für angestellte (Zahn-) Ärzte

Praxis-Inhaber sind grundsätzlich verpflichtet, dem Haftpflicht-Versicherer angestellte Zahnärzte und Ärzte zu melden und sie zu versichern. Diese Absicherung stellt die angestellten Behandelnden von der vertraglichen Haftung frei. Ob sie die angestellten Behandelnden auch von der deliktischen Haftung gegenüber dem Arbeitgeber freistellt und auf einen Regress verzichtet, sollte sorgsam überprüft werden. Eine weitere Lücke im Versicherungsschutz über ArbeitgeberInnen könnte - wie oben beschrieben – das ärztliche Restrisiko sein.

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Angestellte Behandelnde müssen sich grundsätzlich nicht zusätzlich selbst berufshaftpflichtversichern, es sei denn, sie werden daneben auch freiberuflich oder auf sonstige Weise tätig. Dennoch ist es wegen der Haftung bei z.B. grober Fahrlässigkeit ratsam, sich auch als angestellte Behandler freiwillig abzusichern.

Wie Sie den Versicherungsschutz aktuell halten

Wichtig für den Erhalt des vollen Deckungsumfangs ist es, dem Versicherer sämtliche Änderungen in der Praxis mitzuteilen. Dies kann eine operative statt einer konservativen Behandlung, eine zusätzliche stationäre Behandlung, die Beschäftigung angestellter (Zahn-) Ärzte oder der Zusammenschluss der Praxis zu einer Praxis- oder Berufsausübungsgemeinschaft sein. Dazu schreiben die Versicherer - genau wie in weiteren Sparten - die Versicherungsnehmer jährlich an. Hier sollte auch der betreuende Makler auf seinen Kunden einwirken, die Meldung nicht zu vergessen.

Empfehlungen nach einem Schadenfall

Ein Behandlungsfehler ist jede ärztliche Massnahme, die nach dem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft die gebotene und nicht nur übliche Sorgfalt vermissen lässt und damit unsachgemäß ist. In nahezu allen Verfahren, bei denen es um Behandlungsfehler geht, wird eine Dokumentation der vorangegangenen Aufklärung und der Behandlung (Paragraf 630e BGB und 630f BGB) eingefordert. Sollte diese nicht oder nicht ausreichend vorgelegt werden können, wird in aller Regel zugunsten des Patienten entschieden – und der Zahnarzt/Arzt ist schadenersatzpflichtig. Selbst bei optimaler Behandlungsqualität wurden deshalb schon viele Prozesse verloren.

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Behandelnde sollten schon beim Verdacht eines Schadenfalls immer umgehend die Berufshaftpflicht-Versicherung informieren. Auch rein vorsorgliche Meldung sind dabei sinnvoll. Häufig gehen sie in der Praxis allerdings den Weg, einen eigenen Rechtsanwalt zu mandatieren. In der Regel bleiben sie aber dann auf dessen Kosten sitzen.

Wenn die Behandelnden aufgefordert werden, Behandlungsunterlagen herauszugeben, sind sie verpflichtet, diese gegen Erstattung der Kopierkosten zur Verfügung zu stellen. Sofern Dritte die Krankendokumentation anfordern, muss jedoch der Patient zuvor eine Schweigepflichtentbindung oder aber eine entsprechende Vollmacht erklärt haben. Diese sollten aus Beweisgründen in schriftlicher Form vorliegen. Originale wie auch bildgebendes Befundmaterial sollten Sie grundsätzlich in Ihrem Besitz halten und ausschließlich in Kopie weiterleiten.

Behandelnde sollten keine Schadensersatzansprüche anerkennen. Die Bewertung der schwierigen Haftungssituation gehört in die fachkompetente Hände der Berufshaftpflicht-Versicherer und sollte dort detailliert geprüft werden.

Die Unterstützung des betreuenden Maklers bei der Bearbeitung eines Haftpflicht-Schadens darf sich lediglich auf den organisatorischen Part beschränken. Wo muss die Schadenmeldung wie eingereicht werden und worauf ist dabei zu achten. Da es sich dabei um besonders schützenswerte Daten nach Paragraf 203 Abs. 1 Satz 1 Strafgesetzbuch (StGB) handelt, darf ein Makler nichts vom eigentlichen Schaden erfahren.

Verjährung vs. Nachhaftung: die Grundlagen

Ein wichtiges Thema bei der Berufshaftpflicht-Versicherung sind Schäden, die sich erst mit einer zeitlichen Verzögerung ereignen. Durch die Tatsache, dass es sich um einen sogenannten gedehnten Schadenfall handelt, greift die Occurrence -Theorie (Schadenereignis-Theorie). Dabei ist dann zu unterscheiden, ob sich der Grund für den Schaden während der Vertragslaufzeit der Berufshaftpflicht-Versicherung ereignete (Verjährung) oder nach deren Ende (Nachhaftung).

Die regelmässige Verjährung beträgt drei Jahre (Paragraf 195 BGB). Die längst-mögliche Verjährung bei einem Berufshaftpflicht-Schaden ist 30 Jahre (Paragraf 197 Abs. 1 Satz 1 BGB). Alle Heilwesen-Versicherer leisten auch für solche Spätschäden.

Die Nachhaftung - ein Schaden, der nach Beendigung des Haftpflicht-Vertrags entsteht - ist eher theoretischer Art. Eines der wenigen Beispiele hierfür ist, dass ein Arzt am letzten Tag seiner aktiven Niederlassung ein Rezept ausstellt und der Patient dies erst später - nach Beendigung der ärztlichen Tätigkeit - einlöst und die Medikamente eine ungewollte Wirkung haben, wie z.B. einen anaphylaktischen Schock.

Einige Haftpflicht-Versicherer haben eine Nachhaftungszeit von drei oder fünf Jahren. Einige wenige bieten auch eine lebenslange Nachhaftung.

Beitrag und Rabattierungsmöglichkeit

Der Beitrag ist abhängig von der Fachrichtung und dem Behandlungsspektrum. Die Frage, ob nur konservativ oder auch operativ, ob ambulant oder auch stationär behandelt wird, hat ebenso Einfluss auf die Beitragshöhe wie die Anzahl angestellter Behandler. Das Beitragsspektrum ist sehr groß: Während für einen ambulant, konservativ tätigen Hausarzt eine Jahresprämie von ca. 600 Euro p.a. (netto) fällig werden, beläuft sich die Prämie für einen ambulant, operativ tätigen Orthopäden auf ca. 3.500 Euro p.a. (netto). Es gibt nur geringe Beitragsunterschiede zwischen den einzelnen Haftpflicht-Versicherern.

Die meisten Versicherer gewähren bei einer dreijährigen Vertragslaufzeit einen Rabatt von zehn Prozent des Beitrags. Manche Heilwesen-Versicherer gewähren einen weiteren Beitragsnachlass beim Verwenden spezieller Aufklärungsbögen, bei Existenzgründungen und der gemeinsamen Absicherung einer Praxisgemeinschaft.

Empfehlung bei der Auswahl der Versicherer

Während der überwiegende Teil des bisherigen Artikels aus objektiver Sicht formuliert ist, ist die Empfehlung für einen Haftpflicht-Versicherer subjektiv und basiert auf unserer Erfahrung bei Tausend Finanz.

Solange es nicht zu einem Schaden kommt, ist es völlig gleich, bei welchen Versicherer der Vertrag besteht. Im Schadenfall allerdings ist es für den Behandelnden eminent wichtig, ob der Versicherer über eine auf das Heilwesen spezialisierte Schadenabteilung verfügt.

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Als zwei unsere Kunden Post von der Staatsanwaltschaft erhielten, aus der der Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung und einmal gar der fahrlässigen Tötung hervor ging, konnte der professionelle Umgang des Versicherers, der sich auf Heilwesen spezialisiert hat, schnell für eine Beruhigung sorgen. Anders ging es einem unserer Kunden, dessen Schadensachbearbeiter ihm bei einem ähnlichen Vorwurf telefonisch mitteilte, dass er nur noch kurz den Tankstellenschaden bearbeiten muss und er ihm dann zur Verfügung stehe.

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