Millionen Babyboomer werden in den kommenden Jahren in die Altersrente wechseln. Das bedeutet nicht nur zusätzliche Belastungen für Rentenbeitragszahler, dem Arbeitsmarkt werden auch viele Fachkräfte verloren gehen. Schon heute zeigt sich eine gefährliche Lücke. In naturwissenschaftlich-technischen MINT-Berufen ist fast ein Viertel der Beschäftigten (24 Prozent) 55 Jahre und älter, wie eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt. Jedes zweite Unternehmen hat Probleme, Stellen mit geeignetem Personal zu ersetzen.

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Was also tun? Die Bundesregierung will zusätzliche Anreize schaffen, dass Menschen auch nach Erreichen des regulären Rentenalters in ihren Berufen bleiben. Das aber belastet die Rentenbeitragszahler zusätzlich, wie Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung im Auftrag von Ippen.Media zeigen. Demnach drohen jährliche Beitragsausfälle in Höhe von einer Milliarde Euro.

Konkret geht es um die sogenannte Wachstumsoffensive, die Vertreter der Bundesregierung am 07. Juli vorgestellt haben. Damit die potentiellen Rentnerinnen und Rentner in ihren Jobs verbleiben, sind zwei Maßnahmen vorgesehen:

  • So sollen jene, die über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten, den Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung und zur Rentenversicherung ausgezahlt bekommen.
  • Die Arbeitnehmer sollen eine sogenannte Rentenaufschubprämie erhalten: Die entgangene Rentenzahlung soll dann als Einmalzahlung ausgezahlt werden. Diese Einmalzahlung soll steuer- und abgabenfrei sein.

Entsprechende Gesetzesvorlagen gibt es bisher nicht. Ob die Vorschläge tatsächlich umgesetzt werden: ungewiss.

Warum sich die Kosten für diese Reform schwer berechnen lassen, liegt daran, dass unklar ist, wie viele Menschen aufgrund der finanziellen Anreize auch im Rentenalter weiter arbeiten werden. Schon heute gehen Hunderttausende vorzeitig in Rente, obwohl sie dadurch Abschläge bei ihren monatlichen Rentenzahlungen in Kauf nehmen. Das berichtet die „Frankfurter Rundschau“ unter Berufung auf die Deutsche Rentenversicherung. Finanzielle Anreize bewirken also keineswegs automatisch, dass die Menschen tatsächlich länger in ihren Jobs verbleiben.

Folglich hat die Deutsche Rentenversicherung auf Zahlen von 2022 zurückgegriffen, um zu errechnen, welche Kosten durch die Reform entstehen würden, berichtet die „Frankfurter Rundschau“. Denn schon jetzt haben viele Altersrentnerinnen und -rentner trotz Erreichen der Regelaltersgrenze einen Job. Aktuell arbeiten 1,07 Millionen Menschen, obwohl sie bereits eine Altersrente beziehen. Weitere 37.000 Rentnerinnen und Rentner sind in einer Beschäftigung tätig, bei der sie freiwillig weiterhin Rentenbeiträge zahlen. All diese Menschen würden von der Neuregelung profitieren - ohne, dass eine Rentnerin bzw. ein Rentner zusätzlich für den Arbeitsmarkt gewonnen wäre. Dabei ist zu bedenken, dass diese Anspruchsberechtigten trotzdem weiterhin ihre Altersrente erhalten, sodass die Rentenversicherung an dieser Stelle nicht sparen kann.

Nun scheinen rund eine Milliarde Euro, obwohl es zunächst viel klingt, verkraftbar zu sein: Die Deutsche Rentenversicherung hat 2023 mehr als 289 Milliarden Euro an Beitragseinnahmen verzeichnet. Das Problem ist jedoch, dass die Rentenversicherung ohnehin finanziell unter Druck steht, auch weil immer mehr Rentner immer weniger Beitragszahlern gegenüberstehen.

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Wird das Rentenniveau wie vorgesehen mit dem Rentenpaket II dauerhaft stabilisiert, müsste der Rentenbeitragssatz bis zum Jahr 2035 auf 22,3 Prozent steigen, hat die Bundesregierung errechnet. Zusätzlich soll der Bundeszuschuss zur Deutschen Rentenversicherung (DRV) von 2025 bis 2027 um insgesamt zwei Milliarden Euro gekürzt werden. Diese Kürzung allein trägt laut DRV dazu bei, dass der Rentenbeitrag ab 2028 um 0,1 Prozent höher ausfällt. Auch diese Reform droht folglich zulasten der Beitragszahler zu gehen - und damit der jüngeren Generationen.