Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 17. April 2024 (Az.: IV ZR 91/23) die Rechte von Versicherungsnehmern bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Hausratversicherung nach Einbruchdiebstählen gestärkt. Demnach profitieren die Versicherten von einer Beweiserleichterung: Es genügt, dass das äußere Erscheinungsbild auf einen Einbruch hinweist, auch wenn die Spuren nicht eindeutig und zweifelsfrei darauf hindeuten. Auf das Urteil weist die Kanzlei Wirth Rechtsanwälte aus Berlin hin.

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Hebelspuren bei angekipptem Fenster?

Der Kläger trat als Erbe seines während des Rechtsstreits verstorbenen Vaters auf. Er machte geltend, dass in der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 2016 während der Abwesenheit seiner Eltern unbekannte Täter in das versicherte Haus eingedrungen seien. Die Täter hätten sich durch Aufhebeln des linken, geschlossenen Fensters im Erdgeschoss Zutritt verschafft, nachdem sie zunächst vergeblich versucht hätten, das mittlere Erdgeschossfenster aufzuhebeln. Nachdem ihnen der Einbruch gelungen sei, hätten sie das Gebäude nach Wertgegenständen durchsucht und schließlich im Obergeschoss einen verschlossenen Tresor entwendet, in dem sich Schriftstücke, Wertgegenstände und Bargeld befunden hätten. Nach den Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen des Vertrages liegt ein Einbruchdiebstahl unter anderem dann vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes einbricht oder einsteigt.

Doch der Versicherer wollte nicht zahlen und berief sich darauf, dass die festgestellten Spuren nicht zu einem Einbruchdiebstahl passten. So fanden die Polizeibeamten das Fenster, durch das die Täter angeblich eingedrungen waren, in Kippstellung vor. Ein Sachverständiger des Versicherers hatte jedoch festgestellt, dass die vorgefundenen Hebelspuren am Fenster nur bei einem verriegelten und komplett geschlossenen Fenster hätten entstehen können. Denn dafür hätte sich der Drehgriff des Fensters in waagerechter Stellung befinden müssen. Ein Versuch, das Fenster im geschlossenen Zustand von außen zu öffnen, um den Einbruch nachzustellen, scheiterte jedoch komplett. Dabei hätten neue, eindeutig erkennbare Einbruchspuren entstehen müssen, so das Fazit des Sachverständigen. Auch hätten derartige Gewaltspuren nicht angewendet werden müssen, wenn doch das Fenster bereits geöffnet gewesen sei.

Entsprechend haben die beiden Vorinstanzen, das Landgericht München und das Oberlandesgericht München, gegen den klagenden Versicherungsnehmer entschieden. Das Landgericht wies die Klage ab, da die Spurenlage nicht eindeutig auf einen Einbruch hindeutete. Das Oberlandesgericht (OLG) München bestätigte diese Entscheidung und führte aus, dass der Kläger das äußere Bild des Einbruchdiebstahls nicht hinreichend bewiesen habe. Wären die Täter durch ein angelehntes Fenster eingestiegen, liege ein anderer Sachverhalt vor als der vom Kläger behauptete. Zudem passten die festgestellten Spuren nicht zu einem Einsteigediebstahl, da die Täter, wenn sie ohne weiteres ins Gebäude hätten einsteigen können, keine Einbruchspuren hinterlassen hätten.

BGH: Nicht alle Spuren müssen widerspruchsfrei auf Einbruch hinweisen

Der BGH hob das Urteil des OLG auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Der BGH stellte klar, dass die Anforderungen an die Darlegung des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls nicht überspannt werden dürfen.

Dem Versicherungsnehmer einer Sachversicherung sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats aus dem Leistungsversprechen des Versicherers abgeleitete Erleichterungen für den Beweis eines bedingungsgemäßen Diebstahls versicherter Sachen zuzubilligen. Er genügt seiner Beweislast bereits dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Entwendung zulassen“, heißt es hierzu im Urteilstext.

Stark vereinfacht formuliert, muss der Versicherungsnehmer im Schadensfall nicht akribisch nachweisen, dass der Diebstahl tatsächlich stattgefunden hat. Es genügt, genügend Hinweise vorzulegen, die den Diebstahl nach allgemeiner Lebenserfahrung als wahrscheinlich erscheinen lassen. Zu den Mindestanforderungen, um das äußere Bild eines Einbruchdiebstahls zu erzeugen, gehören zwei Dinge: Erstens, dass die zuvor am Tatort vorhandenen und als gestohlen gemeldeten Gegenstände unauffindbar sind. Und zweitens, dass Einbruchspuren vorhanden sind. „Keine Voraussetzung ist dagegen, dass die festgestellten Spuren stimmig in dem Sinne sind, dass sie zweifelsfrei auf einen Einbruch schließen lassen. Insbesondere müssen nicht sämtliche typischerweise auftretenden Spuren vorhanden sein“, führt der Bundesgerichtshof aus.

Hier wird üblicherweise eine Beweiserleichterung zugunsten des Versicherungsnehmers wirksam. Deren Zweck sei es laut Urteil, ihm die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darbietet, auch wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann. Denn in der Regel könnten Versicherungsnehmer keine Zeugen und keine Beweismittel für den Diebstahl beibringen, da sich die Täter ja bemühen würden, ihre Spuren zu verwischen und die Tat unbeobachtet zu begehen. Gerade in solchen Fällen sollen die Beweiserleichterungen zugunsten des Versicherungsnehmers greifen.

Versicherer ist bei Verdacht auf vorgetäuschten Einbruch in Beweispflicht

Der BGH betonte, dass die Anforderungen an den Nachweis eines solchen Einbruchdiebstahls nicht überspannt werden dürfen. Versicherungsnehmern müssen Beweiserleichterungen zugutekommen, da es oft nicht möglich ist, den genauen Tatverlauf im Nachhinein zu rekonstruieren. Die dem Versicherungsnehmer zustehenden Beweiserleichterungen sind darauf ausgelegt, ihm die Versicherungsleistung auch dann zuzuerkennen, wenn sich nach den festgestellten Umständen nur das äußere Geschehen eines Diebstahls darstellt, selbst wenn von einem typischen Geschehensablauf nicht gesprochen werden kann.

Dass Einbruchspuren ggf. nicht stimmig sind und bspw. auf einen vorgetäuschten Einbruch hinweisen, muss die Versicherung beweisen. Die Versicherung und gerade nicht der Versicherungsnehmer trägt dann aber auch das Risiko, diesen Beweis nicht zur Überzeugung eines Gerichtes führen zu können.

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„Dieses Urteil ist ein bedeutender Schritt zur Stärkung der Rechte von Versicherungsnehmern“, sagt Rechtsanwalt Tobias Strübing der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte, die auf das Urteil aufmerksam gemacht hat. „Es stellt nochmal klar, dass sie in Fällen von Einbruchdiebstählen nicht durch überhöhte Beweisanforderungen benachteiligt werden dürfen.“