Wer eine fondsgebundene Rentenversicherung abschließt, kann von den Vorteilen des Kapitalmarktes profitieren und gleichzeitig von der Sicherheit einer Rentenversicherung. So zumindest lautet die Werbebotschaft der Versicherer, denn es gibt auch massive Kritik an den Verträgen - zum Beispiel von den Verbraucherzentralen. Kritiker bemängeln, dass die Rentenzahlungen im Vergleich zu den eingezahlten Beiträgen und den möglichen Renditen der Fonds oft enttäuschend niedrig ausfallen. Und da wäre noch die Sache mit dem Rentenfaktor. Er legt fest, wie das angesparte Vermögen mitsamt Zinserträgen und abzüglich der Kosten zu Rentenbeginn in eine monatliche Rente umgerechnet wird.

Anzeige

In Zeiten niedriger Zinsen hatten viele Versicherer diesen Rentenfaktor zum Unmut ihrer Kundinnen und Kunden nach unten korrigiert. Und das beschäftigt nun die deutschen Gerichte. Aktuellstes Beispiel ist die Allianz. Vor dem Amtsgericht Reinbek musste der Versicherer eine Niederlage im Streit um seine Rentenanpassungen einstecken. So entschied das Gericht aus der Metropolregion Hamburg, dass die Vertragsklausel, auf deren Grundlage die Allianz den Rentenfaktor angepasst hatte, den Kunden unangemessen benachteiligt. Auf das Urteil machte am Mittwoch procontra-online.de aufmerksam (Amtsgericht Reinbek, Urteil vom 10. Juli 2024, Az: 14 C 473/23).

Rentenfaktor zweimal deutlich gesenkt

Laut ProContra ging es in dem Rechtsstreit um eine fondsgebundene Riester-Rente. Dabei ist zu beachten, dass die Versicherer bei Riester-Verträgen garantieren müssen, dass zum Ende der Ansparphase mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge plus die staatlichen Zulagen erhalten bleiben. Diese Garantie zwingt die Versicherer dazu, die Gelder der Kunden eher konservativ anzulegen, meist in Zinspapiere mit langer Laufzeit. Dadurch wird die Möglichkeit, von den Chancen des Kapitalmarktes zu profitieren, stark eingeschränkt. Besonders in Niedrigzinsphasen standen die Versicherer vor dem Problem, dass sie mit neu abgeschlossenen Anleihen kaum noch den Erhalt der Beiträge garantieren konnten.

Geklagt hatte ein Versicherungsnehmer, der nicht damit einverstanden war, dass die Allianz den Rentenfaktor zweimal zu seinen Ungunsten gesenkt hatte. Bei Vertragsabschluss war ihm noch ein Rentenfaktor von 35,76 zugesagt worden. Er hätte demnach für 10.000 Euro Guthaben eine Monatsrente von 35,76 Euro erhalten. Im April 2017 teilte ihm die Allianz laut dem Bericht mit, dass der Rentenfaktor auf 30,44 reduziert werde. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Im Januar 2021 griff die Allianz abermals zum Korrekturstift und wollte nun nur noch 27,93 Euro pro 10.000 Euro Guthaben als Rente auszahlen.

Die Allianz erklärte, dass die Senkung des Höchstrechnungszinses durch die Bundesregierung die Anpassungen notwendig machte. Sie kündigte zudem an, den Rentenfaktor bei Rentenbeginn gegebenenfalls wieder zu erhöhen, wenn die Rechnungsgrundlagen dies zulassen. Zur Senkung des Rentenfaktors berief sich die Allianz auf eine Klausel in den Allgemeinen Vertragsbedingungen, die eine solche Anpassung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt.

Doch das Landgericht Reinbek hat diese Klausel vorerst für unwirksam erklärt. Die Richter urteilten laut ProContra, dass die Klausel die Kunden unrechtmäßig benachteilige. Der Grund: Sie regelt lediglich die Absenkung des Rentenfaktors, nicht aber die Bedingungen, unter denen er wieder erhöht werden muss. „Anpassungsklauseln dürfen nicht nur Anpassungen zulasten des Versicherers vorsehen, sondern müssen auch das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung in beide Richtungen wahren“, zitiert das Portal aus dem Urteil.

Landgericht Stuttgart wies Klage gegen Allianz ab

Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht: Wie ProContra berichtet, hat die Allianz bereits Berufung dagegen eingelegt. Sie verweise darauf auf ein Urteil des Stuttgarter Landgerichts, das in einem ähnlichen Rechtsstreit für den Versicherer entschieden hatte. Auch bei diesem Urteil stand die Frage im Raum, ob es gegen das Äquivalenzprinzip verstoße, wenn der Versicherer mit so einer Klausel einseitig den Rentenfaktor kürzen kann. Das aber verneinten die Richter und wiesen die Klage des enttäuschten Kunden ab. Dieser hatte mit Unterstützung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg geklagt, die ebenfalls gegen das Stuttgarter Urteil in Berufung ging (Az: 53 O 214/22).

Warum aber entschieden die Gerichte unterschiedlich? Laut Vertrag hat der Versicherungsnehmer die Möglichkeit, einmal im Jahr eine Zuzahlung zu leisten und so die Einbußen bei der Rente auszugleichen, die durch die Kürzung des Rentenfaktors entstehen. Das Landgericht Stuttgart hatte entschieden, dass mit dieser Option das Äquivalenzprinzip gewährt sei, da die Sparenden entstehende Einbußen bei der Rente ausgleichen könnten - wenn auch gegen zusätzliches Geld, das sie an die Allianz zahlen müssen. Das Amtsgericht Reinbeck entschied nun anders: Hierbei handle es sich nicht um eine ausreichende Kompensation.

Zuvor hatte die Zurich bereits in einem ähnlichen Rechtsstreit vor dem Landgericht Köln eine Niederlage erlitten (Az.: 26 O 12/22). Der Versicherer zog seine Berufung überraschend zurück und akzeptierte somit das Urteil, berichtet die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Zusammen mit der Bürgerbewegung Finanzwende kämpft die Verbraucherzentrale gegen solche Rentenkürzungen und klagt auch gegen andere Versicherer.

Anzeige

Die Riester-Rente soll als ergänzende Altersvorsorge dazu beitragen, Einkommenslücken zu schließen, die durch das sinkende Rentenniveau bei der gesetzlichen Rente entstehen. Für die Verbraucherzentralen sind derartige Kürzungen des Rentenfaktors ein Argument, um ein Aus für die staatlich geförderte Riester-Rente zu fordern. Sie bemängeln, dass dadurch die zusätzliche Altersvorsorge schwer planbar sei und zusätzliche Rentenlücken drohen. "In dem Verfahren gegen die Zurich betrug der Rentenfaktor 37,34 Euro. Während der Ansparphase wurde er schließlich auf 27,97 Euro gekürzt. Bei einem Vertragsguthaben zu Beginn der Rentenphase von beispielsweise 100.000 Euro müsste die Zurich regulär eine monatliche Rente von 373,40 Euro zahlen. Nach der Kürzung wären es nur noch 279,70 Euro monatlich“, rechnet die Verbraucherzentrale vor.

Berechnen Sie Ihre zukünftigen Altersvorsorgeansprüche mit unserem praktischen Riester-Renten-Rechner.