Die Haftpflichtversicherung ist ein Paradebeispiel für die volkswirtschaftliche Relevanz von Versicherungsschutz. Sie stellt sicher, dass Schäden, die durch unterschiedliche Ursachen entstehen, wirtschaftlich ausgeglichen werden. Besonders hervorzuheben sind hier zum Beispiel die Kraftfahrthaftpflichtversicherung, die Schäden durch PKWs abdeckt, und Versicherungen, die für Fehler bei statischen Berechnungen im Gebäudebau oder Umwelthaftpflichtschäden aufkommen. Auch Beratungsfehler von Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Wirtschaftsprüfern werden durch entsprechende Versicherungen abgedeckt (Financial Lines). Ohne die Absicherung durch die Versicherung würden die geschädigten Dritten und auch die Schädiger häufiger empfindliche finanzielle Verluste erleiden. Die Absicherung durch Haftpflichtversicherung trägt erheblich zum volkswirtschaftlichen Mehrwert bei und ist ein wichtiger Produktionsfaktor in Europa.

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Die Haftpflichtversicherung ist jedoch eine äußerst vielfältige Sparte, die schwer zu bepreisen ist. Während die private Haftpflichtversicherung noch relativ überschaubar ist, sieht dies bei der gewerblichen oder industriellen Haftpflichtversicherung anders aus. Hier werden in der Praxis einige hundert Wagnisklassen unterschieden. Die Vorhersage von Schadenhöhen und Schadendurchschnitten ist dabei in der Haftpflichtversicherung oft schwieriger als beispielsweise bei Sachversicherungen, da der Schaden eines unbekannten Dritten versichert ist und die Abwicklung der Schäden lange dauern kann („long tail“). Zusätzlich erhöhen Gerichtsverfahren und sich ändernde Rechtsprechung die Komplexität und damit die Abwicklungslänge.

Ein besonders großes Risiko für Versicherer in der Haftpflicht stellt das Reservierungsrisiko dar. Schäden aus Haftpflichtversicherungen benötigen in der Regel am längsten für die Abwicklung. Einzelne Personenschäden aus der Kraftfahrt- oder Krankenhaushaftpflicht können leicht mehrere Dekaden lang ausgezahlt werden. Aus diesem Grund fällt es den Schadenabteilungen naturgemäß schwer, einzelne Haftpflichtgroßschäden frühzeitig verlässlich zu bewerten. Eine Bewertung im hinreichend großen Portfolio ist hier eher verlässlich möglich. Die schwierige Einschätzung dieses „Tails“ der langen Abwicklungsdauer und fortbestehenden Unsicherheiten verringert den Risikoappetit vieler Versicherer auf gewerbliche Haftpflichtrisiken, insbesondere in speziellen Segmenten.

Um einen objektiven Risikoausgleich zu ermöglichen, ist es daher wichtig, aktuarielle Verfahren auf Portfolio-Ebene anzuwenden. Nur so wird letztlich die Versicherbarkeit im Long-Tail-Segment möglich. Aus aktuarieller Sicht ist es dabei fachlich sinnvoll, wenn es in schwer einzuschätzenden Segmenten der gewerblichen Haftpflicht einzelne spezialisierte Versicherer gibt, die über hinreichende Kenntnisse des Segments und eine ausreichende Datenbasis zur Verringerung der Risiken in der Einschätzung der Rückstellungen verfügen. So können Versicherer mit Hilfe ihrer Aktuariate die Grenzen der Versicherbarkeit maximieren und dabei gleichzeitig Profite machen und zum volkswirtschaftlichen Mehrwert beitragen.

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Fazit: Ein möglichst umfassendes Angebot an Haftpflichtversicherungen, insbesondere auch in gewerblichen Segmenten, ist ein immenser volkswirtschaftlicher Mehrwert und trägt zum Gemeinwohl bei. Hierfür müssen Versicherer jedoch auch besondere Risiken eingehen, was ökonomisch sinnvoll nur mit einer möglichst verlässlichen statistischen Risikoanalyse möglich ist. Die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. begrüßt den hohen Grad an Spezialisierung vieler Versicherer in diesem Segment, um die Grenzen der Versicherbarkeit in der gewerblichen Haftpflicht möglichst weit und effizient auszudehnen.