Das ifo Institut hat in einer Studie vorgeschlagen, das Wohngeld in das Bürgergeld zu integrieren und auch die Freibeträge für Erwerbstätige zu erhöhen, um Arbeit für die Empfänger finanziell attraktiver zu machen. "Eine Integration des Wohngeldes in das Bürgergeld und eine gleichzeitige Reform der Erwerbstätigenfreibeträge könnten mehr Arbeitsanreize schaffen und das System effizienter machen", sagt ifo-Forscher Andreas Peichl, einer der Autoren der Studie. Demnach könnte eine solche Reform bewirken, dass die Erwerbstätigkeit von Bürgergeld-Empfängern im Umfang von etwa 144.000 zusätzlichen Vollzeitstellen steigt.

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„Zudem würde das Budget leicht entlastet und es käme zu einer geringen Zunahme der Haushalte mit Transferbezug“, sagt ifo Forscher Maximilian Blömer, der ebenfalls an der Studie mitwirkte. Etwa 1,6 Millionen Haushalte mehr würden Bürgergeld bekommen, aber 1,8 Millionen weniger Wohngeld. Das bisherige Wohngeld würde bei der Reform komplett in die Kosten der Unterkunft (KdU) des Bürgergeldes integriert. Im Gegenzug müssten aber auch die Anrechnungsbeträge im Bürgergeld großzügiger gestaltet werden. Das sind stark vereinfachend die Freibeträge, die von den Gesamteinkünften einer Person abgezogen werden, um zu berechnen, auf wie viel Bürgergeld sie tatsächlich Anspruch hat. Hier schlagen die Experten folglich vor, dass ein größerer Teil des eigenen Einkommens nicht auf das Bürgergeld angerechnet wird.

Mehr Einkommen aus Erwerbsarbeit wird finanziell oft "bestraft"

Ein Problem erkennen die Ökonomen darin, dass Bürgergeld, Wohngeld und Kindergrundsicherung derart schlecht aufeinander abgestimmt sind, dass es sich zwar lohnt, kleinere Beiträge hinzuzuverdienen. Wer aber deutlich mehr arbeiten will, sieht sich damit konfrontiert, dass Mehrarbeit finanziell bestraft wird. Die Studienautoren sprechen von „Grenzbelastungen“.

Im schlimmsten Fall wirkt sich der Wegfall von Leistungen dann derart aus, dass die Erwerbstätigen netto schlechter dastehen, als wenn sie gar nicht oder nur wenig nebenher arbeiten würden. Entsprechend bestehen in Einkommensbereichen mit hoher Grenzbelastung besonders niedrige Anreize für eine Ausweitung des Erwerbseinkommens. Zu beachten ist hierbei, dass aktuell zwei verschiedene Systeme bestehen, um Mietkosten sozial zu unterstützen: im Bürgergeld die Kosten der Unterkunft (KdU) und bei Geringverdienern das Wohngeld.

Die Grenzbelastung zeigt, wie viel von einem zusätzlichen Einkommen durch den gleichzeitigen Verlust von Sozialleistungen sowie durch Sozialbeiträge und Steuern „aufgefressen“ wird. Hohe Grenzbelastungen machen Mehrarbeit oft unattraktiv, weil ein großer Teil des zusätzlichen Einkommens durch reduzierte Sozialleistungen verloren geht. Das betrifft besonders Paare mit Kindern, die bei höherem Einkommen finanziell schlechtergestellt werden können. Wenn sie vom Bürgergeld- in den Wohngeldbezug wechseln, ist die Grenzbelastung zunächst niedrig, steigt aber später stark an. Wird gleichzeitig der Anspruch auf Wohngeld und den Kinderzusatzbetrag (bzw. die Kindergrundsicherung) reduziert, können die Grenzbelastungen in Städten mit hohen Mieten über 100 Prozent steigen. Das bedeutet, dass eine Erhöhung des Brutto-Einkommens zu einem Rückgang des verfügbaren Einkommens führen kann.

Die Ökonomen schlagen vor, das Wohngeld in das Bürgergeld zu integrieren und gleichzeitig das Bürgergeld großzügiger auszugestalten. Großzügiger bedeutet in diesem Fall, dass der Anrechnungsbetrag für Erwerbseinkommen im Bürgergeld auf 65 Prozent gesenkt wird. Derzeit werden ab einem Einkommen von 520 Euro 70 bis 100 Prozent auf die Sozialleistungen angerechnet. Der Arbeitsanreiz soll also dadurch erhöht werden, dass ein größerer Anteil des zusätzlich verdienten Einkommens behalten werden darf.

Ob der Staat durch diese Reform wirklich bis zu zwei Milliarden Euro an Kosten einsparen kann, hängt davon ab, ob die Sozialleistungsempfänger mehr Arbeit aufnehmen und sich der Arbeitsmarkt wie in den Simulationsrechnungen angenommen entwickelt. Denn zunächst entstehen dem Staat Mehrkosten. Allerdings bringen 144.000 zusätzliche Vollzeitstellen auch zusätzliche Einnahmen für den Staat und die Sozialversicherungen, so nehmen die Ökonomen an.

Debatte: Lohnt sich Arbeit noch?

Die Studie knüpft indirekt an eine frühere an, die ebenfalls das ifo Institut im Januar vorgestellt hat. Dabei ging es um die Frage, ob sich Arbeit für Menschen in weniger gut bezahlten Jobs überhaupt noch lohne, da ohne Geld vom Staat das Einkommen niedriger sei als das Bürgergeld. Unter anderem hatte die BILD-Zeitung dies behauptet: und Alarm geschlagen, viele Menschen würden ihren Job kündigen, um es sich mit Bürgergeld gemütlich zu machen.

Andreas Peichl hatte dem anhand von Modellrechnungen widersprochen. "Die von manchen Politikern aufgestellte Behauptung, wer nur Sozialleistungen beziehe, bekomme netto mehr als ein Geringverdiener, ist schlicht falsch“, zitiert ihn die ARD Tagesschau. Die Krux: Damit sich die Arbeit tatsächlich finanziell lohnt, sind Menschen mit kleinen Bruttoeinkommen darauf angewiesen, ihr Einkommen mit zusätzlichen Sozialleistungen aufzustocken. Darauf verzichten aber viele Menschen: aus Scham oder weil sie ihre Ansprüche nicht kennen.

Ein Beispiel: Ein Alleinstehender in einer Stadt mit mittlerem Mietniveau wie Dresden, der 1.000 Euro brutto verdient, kann nach Abzug von Miet- und Heizkosten und mit zusätzlichen Sozialleistungen auf ein Netto von 891 Euro kommen. Wenn diese Person keine Sozialleistungen beantragt, bleiben ihr nur 357 Euro netto. Bei einem Bruttoeinkommen von 2.000 Euro kann derselbe Alleinstehende mit Sozialleistungen auf 1.020 Euro netto kommen, ohne Sozialleistungen wären es 965 Euro. Diese Beträge liegen deutlich über dem Bürgergeld von 563 Euro, das man ohne Erwerbseinkommen erhält.

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Ähnlich verhält es sich bei Alleinerziehenden: Mit 1.000 Euro brutto und Sozialleistungen kommen sie auf 2.033 Euro netto, während jemand ohne Arbeit und nur mit Bürgergeld 1.553 Euro erhält. Wer allerdings keinerlei Sozialleistungen beantragt, hätte mit 1.000 Euro brutto nur 622 Euro zur Verfügung.

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