Am vergangenen Donnerstag konnte Allianz-Chef Oliver Bäte gute Zahlen für das erste Halbjahr 2024 verkünden. Während viele Konkurrenten zu kämpfen hatten, strich Europas Nummer eins auf dem Versicherungsmarkt erneut einen Rekordgewinn von 7,9 Milliarden Euro ein. Dennoch gab es auch Bereiche, in denen die Allianz weniger erfreuliche Entwicklungen vermelden musste. In der Schaden- und Unfallversicherung verschlechterte sich die Schaden-Kostenquote leicht auf 92,7 Prozent (Vorjahr: 92,0 Prozent): Damit nähert sich der Versicherer leicht der kritischen 100-Prozent-Marke, bei der mehr für Schäden und Verwaltung ausgegeben als an Beiträgen eingenommen wird.

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Die jüngsten Naturkatastrophen schlugen auch der Allianz ins Kontor, und so musste der Versicherer allein im zweiten Quartal 642 Millionen Euro für derartige Schäden erstatten. 292 Millionen Euro entfielen auf das Hochwasser in Süddeutschland, bei dem im Mai und Juni unter anderem die Innenstädte von Augsburg und Regensburg überflutet wurden. Hier musste die Allianz nach eigenen Angaben 11.500 Schäden zahlen. Damit kommt die Allianz sogar noch vergleichsweise glimpflich davon. Der Versichererverband GDV hat die Gesamtkosten der Fluten in Bayern und Baden-Württemberg auf etwa zwei Milliarden Euro geschätzt.

"Besser in der Schadenvorbeugung werden"

Das veranlasste Allianz-Chef Oliver Bäte dazu, auch bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen den mangelhaften Hochwasserschutz anzuprangern. „Am wichtigsten, auch in Bayern, ist es, dass wir besser bei der Schadenvorbeugung werden“, zitiert ihn die Deutsche Presse-Agentur (dpa) bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen in München. Und weiter: „Sie können sich fragen, warum wir in Deutschland fortgesetzt diese hohen Schäden haben.“ Andere Länder wie die Niederlande, „die seit Jahrhunderten unter dem Meeresspiegel leben“, seien besser in der Vorbeugung.

Ähnlich hatte sich im Juni bereits Klaus Peter Röhler geäußert, der das Deutschland-Geschäft der Allianz verantwortet. „Wir brauchen ein schlüssiges Gesamtkonzept gegen Wetterextreme“, argumentierte er in einem Kommentar, der auf der Webseite der Allianz veröffentlicht wurde. „Wir schätzen, dass Extremwettereignisse durch den Klimawandel an Intensität und Frequenz zunehmen werden. Notwendig ist daher ein Gesamtkonzept gegen Naturgefahren, das auf drei Bausteine setzt: Prävention und Schutzmaßnahmen zur Klimafolgenanpassung, risikogerecht kalkulierter Versicherungsschutz und staatliche Unterstützung im extremen Katastrophenfall“, schrieb Röhler.

Vor allem in Bayern hatten Versäumnisse beim Hochwasserschutz nach dem Juni-Hochwasser für heftige Debatten gesorgt. Bäte bezieht sich laut dpa mit seiner Kritik auf zwei Sachverhalte: Viele Kommunen entlang der Donau hätten in den vergangenen Jahrzehnten Baugebiete in Überschwemmungsgebieten ausgewiesen. Und von den großen Flusspoldern, die die bayerische Staatsregierung seit mehr als zwanzig Jahren zum Hochwasserschutz plant, seien erst zwei fertiggestellt. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich dabei um Gebiete, die bei Flusshochwasser gezielt geflutet werden können, um den Abfluss im Fluss zu entlasten und Hochwasserwellen abzuschwächen. Sie sind sowohl vom Flussbett als auch von den angrenzenden Gebieten durch Deiche abgetrennt. Die nicht fertiggestellten Polder zeigen ein Problem des Hochwasserschutzes: Sie wurden auch wegen des Widerstandes von Anwohnern und Wählern nicht fertiggestellt.

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Die mangelhafte Prävention ist ein Grund, weshalb die Allianz und die Versicherungswirtschaft allgemein eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ablehnen. Diese schaffe massive Fehlanreize, den Hochwasserschutz zu vernachlässigen und in Überschwemmungsgebieten zu bauen, argumentiert der Versichererverband GDV. Eine Versicherungspflicht „hätte keinen einzigen Schaden verhindert. Sie ist zudem unsolidarisch und undemokratisch, weil sie den Kundinnen und Kunden ihre Entscheidungsfreiheit nimmt“, schreibt Allianz Deutschland-Chef Röhler. Eine solche Versicherungspflicht gibt es zum Beispiel in Frankreich und in Kantonen der Schweiz: Die Bundesländer drängen darauf, um die Länderhaushalte und Kommunen zu entlasten. Oft müssen sie mit Milliardenhilfen einspringen, wenn es wieder einmal eine "Jahrhundertflut" in kurzer Zeit gab. Aktuell ist nicht einmal jede zweite Immobilie in Deutschland gegen Elementarschäden versichert.