Der Ausgangspunkt für diesen Rechtsstreit war ein scheinbar harmloser Verkehrsunfall im Juni 2021. Ein Fahrzeug, das beim Rückwärtsfahren aus einer Einfahrt kam, stieß gegen das Heck des Autos des Klägers. Bereits damals schien der Fall klar: Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers, die Beklagte, übernahm die Verantwortung für den Schaden. Was jedoch als einfach zu regulierender Schaden begann, entwickelte sich zu einem komplexen Fall, der schließlich vor dem Saarländischen Oberlandesgericht landete.

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Denn bereits im April 2019 hatte das Fahrzeug des Klägers einen Schaden am Heck erlitten, der jedoch nach seiner Aussage fachgerecht repariert worden war. Als es nun zu dem neuen Unfall kam, beauftragte der Kläger erneut einen Sachverständigen, der ein Gutachten über den entstandenen Schaden erstellte. Die Rechnung dafür belief sich auf 1.043,71 Euro. Der Knackpunkt: Das Gutachten berücksichtigte die Vorschäden nicht, was später erhebliche Konsequenzen haben sollte.

Versicherung wurde wegen des hohen Schadens misstrauisch

Die Versicherung der Beklagten wurde misstrauisch, weil der eingereichte Schaden an der hinteren Stoßfängerverkleidung deutlich umfangreicher war, als es dem Unfallhergang entsprach. Die berechtigte Vermutung: ein Vorschaden wäre verheimlicht worden. Also ließ die Versicherung ein eigenes Gutachten erstellen, das den Vorschaden aus dem Jahr 2019 aufdeckte.

Es stellte sich heraus, dass die Heckschäden, die jetzt geltend gemacht wurden, bereits beim früheren Unfall entstanden und nicht vollständig behoben worden waren. Diese Diskrepanz war für die Versicherung ein klares Indiz dafür, dass das Gutachten des Klägers fehlerhaft war. Die Versicherung der Beklagten weigerte sich daraufhin, die vollen Schadensersatzforderungen zu begleichen. Sie argumentierte, dass der Kläger den Vorschaden verschwiegen und damit die Erstellung eines unbrauchbaren Gutachtens zumindest fahrlässig verschuldet habe. Dieser Vorwurf sollte den Verlauf des Rechtsstreits maßgeblich beeinflussen.

Vom Landgericht zum Oberlandesgericht

Zunächst klagte der Geschädigte auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 7.048,98 Euro, einschließlich der fiktiven Reparaturkosten, einer Wertminderung und eben jener Sachverständigenkosten. Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage jedoch ab, da es der Meinung war, der Kläger habe es versäumt, den Sachverständigen auf den Vorschaden hinzuweisen (Az. 5 O 129/21). Der Kläger legte Berufung ein, und so landete der Fall beim Saarländischen Oberlandesgericht.

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Das Oberlandesgericht gab dem Kläger zwar teilweise Recht, reduzierte aber den erstattungsfähigen Betrag erheblich (Urteil vom 03.05.2024 - Az. 3 U 13/23). Die entscheidende Frage war, ob die Sachverständigenkosten in voller Höhe erstattungsfähig waren, obwohl das Gutachten aufgrund der Nichtberücksichtigung des Vorschadens unbrauchbar war. Die Antwort des Gerichts: Nein.

Verantwortung des Geschädigten für die Korrektheit des Gutachtens

Das Gericht stellte klar, dass Sachverständigenkosten grundsätzlich zu den erstattungsfähigen Kosten gehören, solange das Gutachten erforderlich und zweckmäßig ist. Allerdings ist es die Verantwortung des Geschädigten, den Sachverständigen über relevante Vorschäden zu informieren, um die Brauchbarkeit des Gutachtens sicherzustellen. „Die Sachverständigenkosten können jedoch dann nicht beansprucht werden, wenn der Geschädigte die Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten hat“, entschied das Gericht.

In diesem Fall hätte der Kläger den Sachverständigen auf den Vorschaden hinweisen und auf eine Korrektur des Gutachtens drängen müssen, nachdem er das fehlerhafte Gutachten erhalten hatte. Da dies unterblieb, trug der Kläger letztlich die Verantwortung für die entstandenen Kosten.

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Was aber gilt, wenn der Gutachter der gleiche Gutachter ist, der auch den Vorschaden begutachtete? Das Gericht argumentierte hierfür, dass der Geschädigte zwar darauf vertrauen dürfe, dass ein Sachverständiger, der bereits ein früheres Gutachten erstellt hatte, diesen Vorschaden berücksichtigen würde. Dieses Vertrauen enthebe ihn jedoch nicht der Pflicht, das endgültige Gutachten auf Richtigkeit zu überprüfen.

Urteilsausgang: Kläger trägt großen Teil der Kosten selbst

Folglich wurde die Schadensersatzforderung des Klägers erheblich reduziert. Der Kläger konnte nur einen Teil der ursprünglich geforderten 7.048,98 Euro erstreiten. Das Gericht sprach ihm letztlich 2.047,93 Euro zu, bestehend aus den nachgewiesenen unfallbedingten Reparaturkosten von 2.022,93 Euro und einer Kostenpauschale von 25 Euro. Die Forderung nach Erstattung weiterer Kosten wurde abgewiesen.

Darüber hinaus erhielt der Kläger eine Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 367,23 Euro. Diese setzen sich zusammen aus einer 1,3-Geschäftsgebühr in Höhe von 288,60 Euro, einer Auslagenpauschale von 20 Euro und 19 Prozent Umsatzsteuer in Höhe von 58,63 Euro. Der Kläger musste jedoch 71 Prozent der Kosten des Rechtsstreits selbst tragen, während die Beklagte 29 Prozent der Kosten übernahm. Diese Aufteilung reflektiert die Tatsache, dass der Kläger überwiegend unterlag, da der Großteil seiner Forderungen aufgrund der mangelhaften Kommunikation über den Vorschaden abgewiesen wurde.

Auch die Kosten des fehlerhaften Gutachtens musste der Kläger selbst tragen

Wie aber verhielt es sich mit den Kosten für die beiden Sachverständigengutachten? Diese wurden unterschiedlich behandelt:

  • Das erste Gutachten, das der Kläger in Auftrag gegeben hatte und das aufgrund der Nichtberücksichtigung des Vorschadens unbrauchbar war, wurde nicht von der Beklagten erstattet. Der Kläger musste diese Kosten selbst tragen, da er es versäumt hatte, den Sachverständigen rechtzeitig über den Vorschaden zu informieren und auf eine Korrektur des Gutachtens hinzuwirken.
  • Das zweite Gutachten, das von der Beklagten in Auftrag gegeben wurde und den Vorschaden aufdeckte, war hingegen nicht Gegenstand der Kostenentscheidung im Verhältnis der Parteien, da es lediglich zur Klärung des Sachverhalts diente und da die Beklagte die Kosten hierfür selbst trug.

Die Bedeutung des Urteils für die Versicherungsbranche

Dieses Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf zukünftige Schadensfälle. Es zeigt, dass Geschädigte eine aktive Rolle bei der Erstellung und Überprüfung von Gutachten spielen müssen. Das Oberlandesgericht stellte fest: „In den Verantwortungsbereich des Geschädigten fällt demnach auch, dass ein von ihm eingeholtes Gutachten unbrauchbar ist, weil der Sachverständige über Vorschäden nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Das Sachverständigenrisiko ändert hieran nichts.“

Das Gericht stellte damit klar, dass das sogenannte „Sachverständigenrisiko“ – also das Risiko, dass ein Gutachten unbrauchbar sein könnte – nicht uneingeschränkt auf den Schädiger abgewälzt werden kann. Der Geschädigte trägt eine Mitschuld, wenn er nicht alle notwendigen Informationen bereitstellt.

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Fazit: Vorsicht bei der Kommunikation mit Sachverständigen

Das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts ist eine eindringliche Mahnung an Geschädigte, genau darauf zu achten, dass alle relevanten Informationen einem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden. Es reicht nicht aus, sich auf die Expertise des Sachverständigen zu verlassen – auch die eigenen Informationen müssen korrekt und vollständig sein, um spätere rechtliche Komplikationen zu vermeiden. Dies trifft insbesondere für bestehende Vorschäden an einem Kfz zu. Das Urteil des Oberlandesgerichts ist online verfügbar.

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