Reputationsbildung: „Die Bedeutung von Social Media nimmt zu - die klassischer Nachrichtenmedien verliert“
Wie misst man die Reputation von Versicherern und welche Rolle spielen dabei KI und Social Media? Andreas Quest und Jörg Forthmann vom Institut für Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) antworten im Interview. Das Institut untersuchte die Reputation von Versicherern (Versicherungsbote berichtete).
Wie haben Sie die fünf Reputationsdimensionen ausgewählt, und warum halten Sie diese für repräsentativ für die Wahrnehmung der Versicherungsbranche?
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Andreas Quest: Auf diese Frage liefert das Modell von Charles Fombrun und der US-amerikanischen Marktforschungsgesellschaft Harris Interactive bereits seit Ende der 90er Jahre eine belastbare und praxisnahe Antwort: Fünf Dimensionen entscheiden über die Reputation eines Unternehmens: Arbeitgeber-Performance, wirtschaftliche Performance, Produkt & Service-Performance, Performance des Managements und last but not least Performance in der Nachhaltigkeit. Das gilt für alle Branchen und natürlich auch für die Versicherungsbranche. Denn welcher Versicherer ist nicht auf die Gunst von Mitarbeitern, Investoren, Kunden und der öffentlichen Meinung angewiesen?
Inwiefern stellt die von Ihnen eingesetzte KI sicher, dass die Tonalität der gesammelten Aussagen tatsächlich objektiv und akkurat bewertet wird?
Andreas Quest: Wir setzen das von Google entwickelte BERT (Bidirectional Encoder Representations from Transformers) ein und haben dies regelbasiert erweitert. BERT ist ein auf selbstüberwachtem Lernen basierendes Sprachmodell. Es nutzt neuronale Netze und stellt die Grundlage für die Entwicklung von NLPs (Natural language processing). Es kann sehr gut den Kontext erkennen und versteht in gewisser Weise, worüber gesprochen wird. Um aber die Zuordnung von Tonalität noch zu optimieren, wird es von uns permanent mit linguistischen Regeln erweitert und trainiert.
In welcher Weise berücksichtigen Sie den Einfluss von Social Media auf die Wahrnehmung der Versicherer im Vergleich zu traditionellen Medien?
Andreas Quest: Für jedes Sprachmodell ist eine Aussage zunächst mal nur eine Aussage, gleich welcher Provenienz sie ist, ob sie also aus der F.A.Z. oder einem Instagram-Beitrag stammt. Da aber die Quelle immer der Aussage zugeordnet bleibt, kann die Reputationsanalyse dies berücksichtigen sowohl im Hinblick auf deren Reichweite als auch der möglichen Stakeholdergruppen. Wir können also klar differenzieren in welchem Kanal, zu welchen Themen über wen gesprochen wird. Social Media gewinnt an immer größerer Bedeutung im Medienkonsum der Menschen. Dementsprechend steigt auch die Bedeutung von Social Media in der Reputationsbildung – während klassische Nachrichtenmedien verlieren.
Welche Herausforderungen sind bei der Erhebung und Auswertung der Daten aufgetreten, und wie haben Sie diese bewältigt?
Andreas Quest: Das IMWF wertet täglich die Reputation von über 27.000 Unternehmen national wie international aus. Dafür nutzen wir Aussagen aus redaktionellen Onlinenews, Presseportalen, Agenturen und Social Media. Das heißt, die Daten haben wir, es galt folglich nur den Zeitraum festzulegen und eine Auswahl an Versicherern vorzunehmen. Und für Letzteres gehen wir von einem Mindestmaß an Sichtbarkeit aus, unter dessen keine sinnvolle Aussage mehr zur Reputation zu treffen ist. Der eigentliche Aufwand liegt in der KI-basierten Analyse, den Qualitätskontrollen und der Erstellung des Berichtsbandes.
Wie schneidet die Versicherungsbranche in Bezug auf Reputation im Vergleich zu anderen Branchen ab, die Sie analysiert haben?
Andreas Quest: Das IMWF erstellt jährlich eine Reputationsanalyse zu allen Unternehmen der sechs führenden Aktienindizes – Dow Jones, NASDAQ 100, S&P 100, DAX, Eurostoxx und FTSE 100 – worin wir auch nach Branchen differenzieren. Dieser Analyse ist zu entnehmen, dass „Finance & Insurance“ in allen Reputationsdimensionen im oberen Mittelfeld mitspielen und keine Ausreißer nach oben wie unten haben. Im Gegensatz zu „Health care, pharmaceuticals & biotechnology“ oder „Telecommunications“. Wenn etwas auffällig ist, dann die geringe Wahrnehmung als Arbeitgeber und in der Nachhaltigkeit.
Wie stark beeinflussen unterschiedliche Medientypen (z.B. Fachpresse vs. soziale Medien) die Wahrnehmung und Reputation der Versicherungsunternehmen?
Andreas Quest: Für jedes Unternehmen gleich welcher Branche gilt natürlich, gehe dahin, wo du deine relevanten Stakeholder erreichst. Hier spielt bei den Versicherern für die Stakeholder-Gruppe Kunden auch die Präsenz durch kleine Versicherungs-Agenturen vor Ort eine Rolle, sei es in der lokalen Presse oder eben über Social Media.
Welche Maßnahmen sollten Versicherer ergreifen, um ihre Reputation in den einzelnen Dimensionen gezielt zu verbessern?
Jörg Forthmann: Es ist nicht klug, von den Maßnahmen her zu denken. Besser ist die Frage, was die Strategie des Versicherungsunternehmens ist und wie diese Strategie durch kluges Reputationsmanagement unterstützt werden kann. Hier ist dann entscheidend, welches Reputationsprofil die Versicherung haben sollte und mit welchen Themen dieses Reputationsprofil unterfüttert werden soll. Traditionell legen Versicherungen großen Wert auf die Reputationsdimension Produkt & Service. Hier könnte sich die Assekuranz mit attraktiven Konditionen zeigen. Wenn es allerdings in einem Marktsegment ohnehin einen starken Konditionenwettbewerb gibt, ist es womöglich klüger, einen Vertriebskanal wie die Makler kommunikativ herauszustellen – oder den Schwerpunkt in der Reputationsstrategie auf die Dimension „Arbeitgeber“ legen und eine starke Innen- und Außendienstmannschaft aufzubauen, mit der zukünftige Marktchancen durch den demographischen Wandel umgemünzt werden können.
Studie: Die vollständigen Ergebnisse "Das große Reputationsranking von Deutschlands Versicherungen 2024" sind in kostenpflichtigen, individuell aufbereiteten Studienberichten erhältlich. Die Reputationswerte werden detailliert vorgestellt, ebenso, wie die Sichtbarkeit, Tonalität und Medienquellen der einzelnen Unternehmen. Die Studienergebnisse sind durchgehend kommentiert. Für jeden Auftraggeber werden ein individuelles Summary und abgestimmte Handlungsempfehlungen erstellt. Eine Präsentation der Ergebnisse ist inbegriffen.