In der privaten Altersvorsorge kündigt sich ein Paradigmenwechsel an. Wurden bisher ausschließlich Rentenlösungen staatlich gefördert, so hat Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigt, zukünftig auch das Investment in Fonds oder andere geeignete Anlageklassen ohne Beitragserhaltgarantie staatlich fördern zu wollen. Das sehen die Pläne für ein sogenanntes Altersvorsorgedepot vor.

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Ein aktueller Meinungsbeitrag von Thomas Richter für die Tageszeitung „Welt“ macht nun deutlich, dass damit auch alte Grabenkämpfe verbunden sind. Richter ist Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (BVI) und damit ein Lobbyist der Fondsbranche. In seinem Kommentar erhebt er auch Vorwürfe gegen die Versicherungsbranche. Im Mittelpunkt des Streits steht dabei die Frage, wie verlässlich eine Altersvorsorge sein kann, die nicht eine lebenslange Rente garantiert.

“Von Riester profitieren die Lebensversicherer, nicht die Sparer“

Bereits zum Einstieg in seinen Beitrag zweifelt Richter daran, ob die staatlich geförderte Riester-Rente überhaupt einen Sinn für die Vorsorgenden hat. „Von der Riester-Rente profitieren seit Jahren die Lebensversicherer, nicht aber die Sparer. Das muss sich ändern“, schreibt er. Er unterstellt dabei indirekt, dass die Versicherer durch Lobbyarbeit Konkurrenz auf dem Altersvorsorgemarkt verhindern. Denn er fordert: „Die Versicherungsbranche darf die Fondsanbieter und ihre Produkte nicht länger mit falschen Argumenten vom Altersvorsorgemarkt fernhalten.“

Das Credo der Politik sei seit Jahrzehnten gewesen, dass nur Rentenversicherungen zur Altersvorsorge taugen, schreibt Richter. Er wertet dies als ein „teures Credo für die Sparer“ und spricht von einem „Dogma“, das bald der Vergangenheit angehören müsse. Damit verweist er auf Lindners Gesetzesvorhaben, wonach zukünftig auch Fonds als Altersvorsorge staatlich gefördert werden, sofern sie bestimmte Kriterien erfüllen.

Mit Lindners neuem Gesetz werde der Zwang aufgehoben, das angesparte Kapital zu verrenten. „Das ist gut, denn die Kosten einer lebenslangen Rente, wie sie auch bei Riester vorgeschrieben ist, mindern die Rendite gewaltig. Rendite ist aber notwendig, um den Lebensstandard im Alter auch nur einigermaßen halten zu können“, schreibt Richter, der auch Mitglied im Verwaltungsrat der BaFin ist. Und weiter: „Die Riester-Rente fuhr von Beginn an mit angezogener Handbremse.“ Die vorgegebenen Beitragsgarantien und die Verrentungspflicht bei Riester seien nicht nur teuer und hätten die Rendite gedrückt, sondern hätten auch verhindert, dass sich die Riester-Vorsorge stärker ausbreiten konnte, argumentiert er.

Streitfall: lebenslange Rente

Die Absätze sind inhaltlich stark, könnten aber etwas klarer und flüssiger formuliert werden. Besonders der erste Absatz ist etwas komplex und könnte durch leichte Anpassungen leserfreundlicher werden. Hier ist eine überarbeitete Version:

Richter greift im Folgenden ein häufiges Argument der Versicherer für eine Versicherungslösung an: Sowohl der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) als auch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hatten wiederholt gewarnt, dass nur die Zusage einer lebenslangen Rente den Lebensstandard im Alter sichern könne. Diese Kritik der Versicherer richtete sich insbesondere gegen Bankauszahl- oder Fondsentnahmepläne, da diese oft nur bis zum 85. Geburtstag kalkuliert werden und danach keine Zahlungen mehr leisten.

Was passiert, wenn der Verrentungszwang wegfällt? Frauen müssten dann im statistischen Mittel etwa acht Jahre und Männer etwa sieben Jahre ohne zusätzliche Vorsorge auskommen, warnt der GDV. Das wäre fatal, insbesondere da sich der Charakter der geförderten privaten Altersvorsorge künftig ändert. „Die Auszahlungen dienen immer weniger der Finanzierung von Extras“, schreibt der GDV, „sondern werden gebraucht, um den Lebensstandard zu sichern. Es geht darum, Miete, Nahrungsmittel, Kleidung und vor allem Gesundheitsleistungen zahlen zu können – und zwar Monat für Monat bis ans Lebensende.“

Fonds-Funktionär Thomas Richter hingegen vermutet hinter solchen Warnungen der Versicherer reine Lobbyarbeit. Er schreibt, die Versicherer „wollen mit der Forderung, eine Leibrente weiterhin zwingend vorzuschreiben, die Fonds als Wettbewerber mithilfe des Gesetzgebers auch künftig vom Markt fernhalten. Dafür zeichnen sie das Schreckensbild verarmter Rentner, die dem Staat zur Last fallen würden, wenn ihre private Fondsrente nicht bis zum Tod reicht.“

Thomas Richter nennt zwei Gründe, weshalb der Wegfall einer lebenslangen Rente unproblematisch sei:

  • Erstens, argumentiert er, dass die private Altersvorsorge lediglich eine Zusatzrente zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards darstellt, während der Staat mit der gesetzlichen Rente bereits die Existenzsicherung gewährleistet. Es sei daher unwahrscheinlich, dass bei vorzeitigem Verbrauch der privaten Fondsrente zusätzliche staatliche Leistungen nötig würden. Dieses Argument verwundert ein wenig, verweist doch auch die Politik wiederholt darauf, dass private Altersvorsorge genau deshalb wichtig sei, weil die gesetzliche Rente eben nicht mehr den Lebensstandard sichere.
  • Zweitens verweist er darauf, dass die Annahme, ein Fondsauszahlplan werde vorzeitig aufgebraucht, meist falsch sei. In 96 von 100 Fällen reiche das Fondsvermögen bis zum Lebensende. Auf welche Statistik oder Quelle er sich bei letztgenanntem Argument bezieht, wird in seinem Kommentar nicht deutlich.

“Unsere Berechnung belegt, dass auch bei regelmäßigen Entnahmen aus dem Fonds am Ende des Lebens häufig ein großer Teil des Fondskapitals übrigbleibt, im Schnitt mehr als zwei Drittel“, argumentiert Richter weiter. Dem verbleibenden geringen Risiko stünden ungleich mehr Chancen gegenüber. Denn ohne die Verpflichtung zu lebenslangen Auszahlungen könne der Fonds stärker in ertragreiche Anlagen investieren.

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Thomas Richters Kommentar zeigt: Die Lebensversicherer erhalten verstärkt Gegenwind. Zuletzt hatte erneut die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Kritik an den Kosten vieler Verträge geäußert - und den Verdacht, dass viele Produkte gar nicht als Vorsorgeinstrument geeignet seien. Seit Jahren nehmen auch Verbraucherschützer die Lebensversicherer ins Visier. Nun kommt weitere Kritik vom Börsenparkett - und aus der Fondsbranche.

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