Die Doppelverbeitragung von Betriebsrenten wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Für viele, die ihre Altersvorsorge in Direktversicherungen, Pensionskassen oder Pensionsfonds angelegt haben, ist sie zu einer dauerhaften Belastung geworden. In den 80er und 90er Jahren schlossen zahlreiche Arbeitnehmer solche Verträge in dem festen Glauben ab, im Alter gut abgesichert zu sein. Doch was einst als vernünftige Vorsorge galt, wurde durch eine Gesetzesänderung 2004 zur finanziellen Falle.

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Sozialabgaben auf Betriebsrenten: Wie ein Gesetz zur Falle wurde

Denn seit der Gesetzesänderung werden auf Betriebsrenten und Direktversicherungen doppelte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung fällig. Das bedeutet: Rentner zahlen bei der Auszahlung ihrer betrieblichen Altersvorsorge – sei es als laufende Rente oder als Einmalzahlung – erneut Sozialabgaben, obwohl bereits während des Erwerbslebens Sozialbeiträge auf das Gehalt abgeführt wurden, aus dem diese Altersvorsorge angespart wurde. Somit werden die gleichen Einkünfte doppelt verbeitragt.

Diese sogenannte Doppelverbeitragung betrifft alle Versorgungsbezüge, die in Paragraf 229 Abs. 1 Nr. 5 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) genannt sind. Das führt zu einer zusätzlichen Belastung für die Betroffenen, die bereits beim Aufbau ihrer Vorsorge in die Sozialversicherung eingezahlt haben und nun erneut zur Kasse gebeten werden. Laut Schätzungen des Vereins der Direktversicherungsgeschädigten (DVG) sind rund 13 Millionen Menschen von der Doppelverbeitragung betroffen. Ein aktueller Artikel der Frankfurter Rundschau verdeutlicht die Auswirkungen: Eine Rentnerin, die eine Einmalzahlung von 70.000 Euro aus ihrer Direktversicherung erhielt, muss nun zehn Jahre lang monatlich 100 Euro an die Krankenkasse zahlen. Für sie ist dies ein klarer Fall von „staatlich abgesegnetem Betrug“, wie die Zeitung weiter berichtet.

Die Ampel-Koalition: Die Zeit wird knapp

Seit der Gesetzesänderung von 2004 wird die Doppelverbeitragung von Betriebsrenten auch in der Politik kontrovers diskutiert – doch Lösungen bleiben aus. Immer wieder wurden Reformen angekündigt, die letztlich nicht umgesetzt wurden. So versprach auch Bundeskanzler Olaf Scholz im September 2022, das Problem „in irgendeiner fiskalisch möglichen Form“ noch in dieser Legislaturperiode anzugehen. Allerdings räumte er zugleich ein, dass eine Rückzahlung bereits gezahlter Beiträge in Höhe von 13 Milliarden Euro nicht realistisch sei.

Trotzdem setzten viele Betroffene auf eine Entlastung. Doch während die Legislaturperiode ihrem Ende entgegengeht, bleibt diese für Millionen von Rentnern aus. Angesichts des erwarteten Defizits der Krankenkassen von 4 bis 4,5 Milliarden Euro für 2024 wird es immer fraglicher, ob die versprochene Lösung überhaupt noch umgesetzt wird.

Teilerleichterung seit 2020: Ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht genug

Freilich: Bereits im Januar 2020 wurde unter der Großen Koalition ein Schritt zur Entlastung der Betriebsrentner unternommen. Ein Freibetrag wurde eingeführt, der Rentnern mit kleineren Betriebsrenten eine gewisse Entlastung bietet: Für Betriebsrenten unterhalb von derzeit 176,75 Euro pro Monat müssen keine Krankenversicherungsbeiträge gezahlt werden.

Wie funktioniert dieser Freibetrag? Für Betriebsrenten bis zu 176,75 Euro entfällt die Beitragspflicht zur Krankenversicherung. Erst für den Teil der Rente, der diesen Betrag übersteigt, werden Krankenversicherungsbeiträge fällig. Die Pflegeversicherungsbeiträge hingegen fallen weiterhin auf die gesamte Betriebsrente an. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Ein Rentner erhält eine monatliche Betriebsrente von 400 Euro. Nach Abzug des Freibetrags bleiben 223,25 Euro, die der Krankenversicherung unterliegen. Der Rentner zahlt also nur auf diesen Betrag Beiträge, nicht auf die vollen 400 Euro. Das entlastet vor allem Rentner mit kleineren Betriebsrenten.

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Für viele bleibt dies jedoch unzureichend, da höhere Renten weiterhin stark belastet werden. Besonders für Personen, die Direktversicherungen vor 2004 abgeschlossen haben, bleibt das Problem bestehen, dass sie auf höhere Renten und Einmalzahlungen weiterhin doppelte Beiträge zahlen müssen. Betroffen sind insbesondere Einmalzahlungen, wie der aktueller Fall aus der Frankfurter Rundschau zeigt: Für eine Einmalzahlung von 70.000 Euro aus der Direktversicherung bietet der Freibetrag kaum Entlastung, da Einmalzahlungen dieser Größenordnung fast vollständig verbeitragt werden.

Die Lage der Krankenkassen: Ein weiterer Hemmschuh

Während viele Betroffene auf weitere Entlastungen hoffen, stehen die Krankenkassen vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Die Abschaffung der Doppelverbeitragung würde den Krankenkassen schätzungsweise 1,2 Milliarden Euro pro Jahr an Einnahmen entziehen. Diese Verluste müssten durch andere Einnahmequellen oder höhere Beiträge kompensiert werden. Angesichts des bereits erwarteten Defizits von 4 bis 4,5 Milliarden Euro im Jahr 2024 erscheint eine Reform, die zu weiteren Mindereinnahmen führt, zunehmend unwahrscheinlich.

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Fazit: Scholz' Versprechen auf der Kippe

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte versprochen, das Problem der Doppelverbeitragung noch in dieser Legislaturperiode zu lösen. Doch angesichts der angespannten finanziellen Lage der Krankenkassen und der internen Krisen der Ampel-Koalition scheint es immer unwahrscheinlicher, dass dieses Versprechen noch eingehalten wird. Für Millionen Betroffene bleibt die Hoffnung auf eine echte Entlastung weiterhin ungewiss. Der aktuelle Artikel der Frankfurter Rundschau mit der Beispielrechnung ist auf der Webseite des hessischen Traditionsblatts verfügbar

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