Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) schlägt Alarm: Die geplanten Kürzungen bei den Steuerzuschüssen zur gesetzlichen Rente könnten negative Folgen für die Beitragszahler haben. Bis 2027 sollen demnach etwa zehn Milliarden Euro weniger in die Rentenkasse fließen, wie es die aktuellen Haushaltsfinanzierungsgesetze für 2023 und 2024 vorsehen. Konkret bedeutet das, dass der zusätzliche Bundeszuschuss in den Jahren 2024 bis 2027 um jährlich 1,2 Milliarden Euro gekürzt werden soll. Zudem sieht der Finanzplan bis 2028 weitere Einsparungen von insgesamt zwei Milliarden Euro zwischen 2025 und 2027 vor. In Summe fehlen der Rentenkasse dadurch zehn Milliarden Euro, die ursprünglich eingeplant waren. Auf den Vorgang macht aktuell die Frankfurter Rundschau aufmerksam.

Anzeige

Bereits ein Drittel des Staatshaushaltes für Rente

Die Zuschüsse des Bundes zur Rentenversicherung steigen seit Jahren stark an. 2023 flossen bereits insgesamt rund 112,4 Milliarden Euro an Zuschüssen und weiteren Bundesmitteln in die gesetzliche Rente, das entsprach fast einem Drittel des gesamten Staatshaushaltes. Die Bundeszuschüsse gliedern sich in drei verschiedene Zuschüsse an die allgemeine Rentenversicherung: Den allgemeinen Bundeszuschuss von rund 54,2 Milliarden Euro, den zusätzlichen Bundeszuschuss von rund 14,6 Milliarden Euro und den Erhöhungsbetrag zum zusätzlichen Bundeszuschuss von rund 15,4 Milliarden Euro.

Ökonomen warnen, dass künftig immer größere Beträge aus dem Bundeshaushalt an die gesetzliche Rente fließen müssen, um die demografischen Veränderungen abzufedern. Die Gesellschaft altert, was bedeutet, dass immer mehr Rentnerinnen und Rentner einer zunehmend kleineren Zahl von Erwerbstätigen gegenüberstehen. Diese zusätzlichen Mittel fehlen dann für wichtige Zukunftsinvestitionen wie Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur. Der Wirtschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums wies Ende letzten Jahres in einem offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Grüne) darauf hin, dass bereits in den 2040er Jahren mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts für die Rente aufgebracht werden müsste, wenn die Ausgaben nicht sinken.

Versicherungsfremde Leistungen - was kosten sie?

Aber aus Sicht der Beitragszahlenden gibt es ein Problem: die sogenannten nicht beitragsgedeckten Leistungen. Das sind Aufgaben, die gesamtgesellschaftlich wichtig sind, aber eigentlich nicht in den Verantwortungsbereich der Rentenversicherung fallen und daher auch nicht durch Beiträge finanziert werden dürfen. Der Staat geltet sie mit pauschalen Zahlungen ab - ohne dass genau bekannt ist, wie viel diese tatsächlich kosten. Beispiele sind etwa der Grundrentenzuschlag oder die Anrechnung von Erziehungszeiten bei der Rente. Diese Leistungen sind ein wesentlicher Grund dafür, warum so viel Geld in die Rentenversicherung fließt. Gleichzeitig sorgen die Zuschüsse für die finanzielle Stabilität der Rentenversicherung in einer alternden Gesellschaft.

Was genau als versicherungsfremde Leistungen zählt, ist jedoch nicht klar definiert. In der Forschung wird zwischen einem engen und einem weiten Begriff unterschieden – je nachdem, welche Leistungen man einbezieht. Nach der weiten Definition gehören zum Beispiel auch Teile der Hinterbliebenenrenten dazu, da sie der sozialen Absicherung von Witwen und Witwern im Alter dienen. Nach der engen Definition fallen sie jedoch nicht darunter. Für die Frage, wie viel der Staat an die Rentenkassen zahlen muss, ist dieser Unterschied aber entscheidend. Im Jahr 2020 hätte der Staat beispielsweise einen doppelt so hohen Zuschuss an die Rentenversicherung geben müssen, wenn man die weite Definition zugrunde legt: Nach Berechnungen des Spitzenverbands der Rentenversicherung wären das 112,4 Milliarden Euro gewesen, statt der tatsächlich gezahlten 63,3 Milliarden, die zur Deckung der versicherungsfremden Leistungen überwiesen wurden.

Zahlt der Staat zu wenig Zuschüsse an die Rentenversicherung, müssen die versicherungsfremden Leistungen teilweise aus den Beiträgen der Rentenversicherten finanziert werden. Das benachteiligt die Einzahlenden gegenüber jenen, die nicht in die Rentenkasse einzahlen – etwa Selbstständige, die meist privat vorsorgen, oder Berufsgruppen wie Anwälte, die eigene Versorgungswerke haben. „Es kann nicht sein, dass gesamtgesellschaftliche Aufgaben durch das Kollektiv der Beitragszahler gestemmt werden müssen“, mahnte Anja Schulz, Rentenexpertin der FDP-Bundestagsfraktion, im Mai gegenüber der WirtschaftsWoche. Aus diesem Grund mahnt auch der Bundesrechnungshof mehr Transparenz bei den nicht beitragsgedeckten Leistungen an - ohne bei der Bundesregierung Gehör zu finden.

Anzeige

Rentenbeitrag muss schneller steigen

Ohne eine ausreichende Finanzierung durch Bundesmittel wird die Übertragung „solcher gesamtgesellschaftlicher Aufgaben“ zu höheren Beitragssätzen führen,warnt die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Sie wirft der Ampel-Koalition vor, ihre Finanzierungszusagen durch „wiederholte, haushaltspolitisch motivierte Kürzungen“ nicht einzuhalten. Damit setze die Regierung „das Vertrauen in die Verlässlichkeit ihrer Zusagen aufs Spiel“. Darüber hinaus trügen die aktuellen Kürzungen dazu bei, dass die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung schneller aufgebraucht werde. Infolgedessen müsste der Rentenbeitrag für Versicherte und Arbeitgeber früher als geplant steigen – nach derzeitigem Stand im Jahr 2028 um 0,1 Prozentpunkte mehr als bislang erwartet.