Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) haben sich kritisch zur jüngsten Studie des Bundesverbands Investment (BVI) geäußert, die das Risiko eines vorzeitigen Kapitalverzehrs bei Fondsrenten als vernachlässigbar darstellt. Diese Kritik knüpft an frühere Stellungnahmen des GDV an, die Versicherungsbote ebenfalls thematisierte. Besonders die methodischen Annahmen und die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen der BVI-Studie werden von den Aktuaren in Frage gestellt.

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Ungenaue Annahmen und irreführende Bezeichnungen

Die BVI-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in 96 Prozent der untersuchten Fälle das Fondskapital bis zum Lebensende der Versicherten ausreicht und oft sogar Kapital vererbt werden kann. Laut Dr. Maximilian Happacher, Vorstandsvorsitzender der DAV, sei dieses Ergebnis jedoch trügerisch. In 4 Prozent der Fälle sei das Kapital aufgebraucht, obwohl die betroffene Person noch lebt. Dieses Risiko werde in der Studie des BVI kleingeredet, was vor allem auf die methodischen Annahmen zurückzuführen sei, so Happacher.

Besonders kritisch sieht die DAV die Berechnung der Renditen. Die Studie basiere auf historischen Renditen der letzten 30 Jahre, was angesichts der stark veränderten Zinslandschaft nicht repräsentativ für die Zukunft sei. „Die hohen Anleiherenditen der Vergangenheit können nicht einfach in die Zukunft projiziert werden“, erklärt Happacher. Zudem werde die Lebenserwartung in der Studie um rund zwei Jahre zu niedrig angesetzt. Dies sei problematisch, da die Studienergebnisse auf den durch Corona beeinflussten Sterblichkeitsverhältnissen von 2020 bis 2022 basieren, welche keine verlässliche Grundlage für künftige Schätzungen darstellten.

Forderung nach klarer Begrifflichkeit

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die irreführende Bezeichnung „Fondsrente“. Laut Happacher suggeriere der Begriff eine lebenslange, sichere Versorgung, die der Realität jedoch nicht gerecht werde. Tatsächlich handele es sich um einen simplen Entnahmeplan, der mit Rentenbeginn startet, aber keine lebenslange Sicherheit bieten könne. „Ein Entnahmesparplan ist keine Rente und darf auch nicht so bezeichnet werden“, betont Happacher. „Diese kreative Namensgebung für einen Fondsentnahmeplan ist eine irreführende Marketingstrategie mit dem einzigen Ziel, den wahren Charakter des Produktes zu verschleiern“, hieß es dazu seitens der Aktuarvereinigung in einem Presse-Statement.

Diese kritische Sicht teilt auch der GDV, der schon früher Stellung gegen den Begriff „Fondsrente“ bezogen hatte. In einem Bericht des Versicherungsbote wurde bereits auf die Unterschiede zwischen Entnahmeplänen und echten Rentenlösungen hingewiesen.

Risiko des vorzeitigen Kapitalverzehrs bleibt bestehen

Dr. Friedemann Lucius, Vorstandsvorsitzender des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS), äußert sich besorgt über die in der BVI-Studie vermittelte Botschaft, dass das Risiko des vorzeitigen Kapitalverzehrs bei Entnahmeplänen vernachlässigbar sei. „Das Risiko des Kapitalverzehrs hängt stark von der Höhe der Entsparrate ab“, erklärt Lucius. In den aktuellen Diskussionen um die Altersvorsorge werde sogar vorgeschlagen, Entsparpläne auf das Alter von 85 Jahren zu begrenzen. Doch wie die DAV in einem früheren Pressegespräch aufzeigte, sei es in über 50 Prozent der Fälle wahrscheinlich, dass das Kapital schon zu Lebzeiten aufgebraucht sei.

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Lucius fordert daher, dass echte Altersvorsorge auf lebenslange Rentenlösungen setzen müsse, bei denen die Risiken kollektiv ausgeglichen werden. Diese könnten sowohl klassische Leibrentenmodelle mit Garantien als auch fondsgebundene Leibrenten oder Beitragszusagen im Sozialpartnermodell sein.