Ein Versicherungsvermittler entschloss sich, nach Jahren als Handelsvertreter für die Deutsche ProVentus AG in die Selbstständigkeit zu gehen und als unabhängiger Makler zu arbeiten. In dieser Zeit hatte er zahlreiche Kunden betreut, die ihm auch nach seiner beruflichen Neuorientierung die Treue hielten. So auch in einem Fall, bei dem ein Kunde ausdrücklich wünschte, von dem nun selbstständigen Makler weiterbetreut zu werden und die Deutsche ProVentus AG als Betreuer abzulehnen.

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Kundenwunsch ignoriert: wie es zur Klage kam

Um dies klarzustellen, schrieb der Kunde der ProVentus AG einen deutlichen Widerruf der Kontakterlaubnis, in dem es hieß: „Hiermit kündige ich meinen Vertrag zu Ihnen und entziehe Ihnen gleichzeitig die Kontakterlaubnis.“ Dieser Schritt sollte die Tür für weitere Kontaktversuche der ProVentus AG schließen. Doch trotz des unmissverständlichen Schreibens ließ die Deutsche ProVentus AG nicht locker: Einige Wochen nach dem Widerruf versuchte eine Mitarbeiterin, den Kunden telefonisch zu erreichen, um ihn erneut für ihre Betreuung zu gewinnen.

Als der Anruf scheiterte, folgte eine E-Mail mit dem Betreff: „Telefonische Kontaktaufnahme“. In der E-Mail hieß es: „Ich habe Sie versucht telefonisch zu erreichen, leider hat dies nicht geklappt. [...] Ich würde mich gerne einmal bei Ihnen persönlich vorstellen, denn ich bin Ihre neue Ansprechpartnerin.“

Der Kunde fühlte sich belästigt

Der Kunde fühlte sich durch diese unerwünschte Kontaktaufnahme belästigt und informierte seinen neuen Makler. Dieser entschied, gegen das wettbewerbswidrige Verhalten der Deutschen ProVentus AG vorzugehen – und reichte mithilfe der Wirth Rechtsanwälte eine Klage ein. Ziel war es, die unaufgeforderten Kontaktaufnahmen zu stoppen und eine einstweilige Verfügung zu erwirken.

Der Rechtsstreit: Verteidigung und Rechtfertigung

Die Deutsche ProVentus AG verteidigte sich vor Gericht und argumentierte, der Makler selbst habe gegen Wettbewerbsregeln verstoßen. Sie warf ihm vor, Vertriebspartner aktiv dazu aufgefordert zu haben, Kunden umzudecken. Daher seien die eigenen Kontaktaufnahmen gerechtfertigt gewesen, um den Kunden über die Folgen seiner Kündigung zu informieren und sicherzustellen, dass er ordnungsgemäß betreut wird.

Das Urteil: Klare Trennung der Interessen

Das Landgericht Hannover entschied jedoch zugunsten des Maklers und machte deutlich, dass der Widerruf der Kontakterlaubnis bindend ist. Jegliche Kontaktaufnahme ohne ausdrückliche Zustimmung des Kunden stelle eine unzumutbare Belästigung dar und sei als wettbewerbswidrig zu bewerten. Das Gericht stellte zudem klar, dass das Verhalten des Maklers – selbst wenn dieser gegen Wettbewerbsregeln verstoßen hätte – keine Rechtfertigung für das Verhalten der Antragsgegnerin darstellt. „Die Schutzbedürftigkeit des Kunden gegenüber unzumutbarer Belästigung bleibt bestehen, unabhängig von etwaigen Verstößen des Antragstellers“, hieß es im Urteil.

Sanktionen bei Verstoß: Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro

Das Urteil war eindeutig: Sollte die Deutsche ProVentus AG weiterhin unerlaubte Kontaktversuche unternehmen, droht ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, durchzuführen am Vorstand. Im Extremfall könnte das Verhalten der Mitarbeiterin also sogar zu einer Ordnungshaft für den Vorstand der Gesellschaft führen.

Der Anwalt des Maklers, Daniel Berger von Wirth Rechtsanwälte, äußerte sich zufrieden mit dem Urteil und betonte die Bedeutung des Kundenschutzes: "Leider sind solche Verfahren immer wieder erforderlich, obwohl die Spielregeln eigentlich allen klar sein müssten. Bemerkenswert hier ist besonders, dass das Gericht sich auch mit den angeblichen Wettbewerbsverstößen des Maklers beschäftigen musste. Aber die Ansage des Gerichts ist klar: Der Kundenwille steht im Vordergrund und bleibt unantastbar.“

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Quintessenz: Verbraucherinteressen stehen an erster Stelle

Dieses Urteil des Landgerichts Hannover vom 13.10.2023 (Aktenzeichen 26 0 247/23) unterstreicht erneut die zentrale Bedeutung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbsrecht: Ohne ausdrückliche Zustimmung des Kunden darf kein Unternehmen Kontakt aufnehmen – sei es per Anruf oder E-Mail. Das Landgericht hat in diesem Fall deutlich gemacht, dass der Kundenwille oberste Priorität hat, unabhängig von möglichen Wettbewerbsstreitigkeiten zwischen den beteiligten Parteien. Auf das Urteil weist aktuell die Kanzlei Wirth auf ihrer Webseite hin.