Hochwasser: Jeder zweite Hausbesitzer in bedrohten Regionen ist nicht versichert
Im Angesicht des jüngsten Hochwassers rückt erneut die unzureichende Absicherung vieler Hausbesitzer in den Fokus. In den betroffenen Regionen Sachsens, Brandenburgs und Bayerns ist nicht einmal jede zweite Immobilie gegen Hochwasser geschützt. Der Versichererverband fordert strenge Maßnahmen, um Neubauten in hochwassergefährdeten Gebieten zu verhindern.
Seit dem Wochenende sucht erneut ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser Teile Europas heim: in Tschechien, Polen, Rumänien und Österreich wurden Ortschaften nach anhaltendem Starkregen überflutet, hunderttausende Menschen mussten evakuiert werden, bisher haben 18 Menschen ihr Leben verloren. Das Wasser macht jedoch vor Landesgrenzen nicht Halt, auch in Deutschland sind erneut einige Regionen bedroht. Besonders die Bundesländer Sachsen, Bayern und Brandenburg müssen sich auf Hochwasser an der Elbe, Neiße und anderen Flüssen einstellen. Auch wenn der Deutsche Wetterdienst teilweise Entwarnung gibt und sonnige Tage in Aussicht stellt, bleibt die Situation angespannt.
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Mit dem erneut auftretenden Hochwasser rückt auch der mangelnde Versicherungsschutz in den bedrohten Regionen wieder in den Fokus. Das aktuelle Hochwasser könnte viele Hausbesitzer treffen, die nicht gegen solche Schäden versichert sind, warnt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einem aktuellen Pressetext. Denn rund jeder zweite Hausbesitzer in den betroffenen Bundesländern hat seine Immobilie nicht gegen sogenannte Elementarschäden versichert. Nach Zahlen des GDV haben in Sachsen rund 52 Prozent der Hausbesitzer einen Elementarschutz, in Bayern rund 47 Prozent und in Brandenburg sogar nur rund 42 Prozent. Verursacht ein Hochwasser Schäden am Gebäude oder am Hausrat, leistet die sogenannte Elementarschadenversicherung. Eine Wohngebäude- oder Hausratversicherung allein reicht nicht aus.
Zu viele Gebäude in Überschwemmungsgebieten
Doch die fehlende Absicherung ist nicht das einzige Anliegen des GDV. Auch die hohe Anzahl an Gebäuden in hochwassergefährdeten Gebieten wird von Versicherern immer wieder kritisiert. Im Frühjahr hat die VdS Schadenverhütung GmbH im Auftrag des GDV untersucht, wie viele der etwa 22,4 Millionen Gebäude in Deutschland in Überschwemmungsgebieten liegen und wie sich diese auf die Bundesländer und Kreise verteilen. Von den insgesamt 22.350.892 Objekten sind 322.498 durch Hochwasser gefährdet.
Die Studie zeigt, dass Sachsen den höchsten Anteil an gefährdeten Immobilien aufweist. Hier sind knapp drei Prozent der Gebäude in Überschwemmungsgebieten, was rund 35.000 von insgesamt 975.000 Adressen entspricht. Die meisten gefährdeten Adressen befinden sich demnach in den Landkreisen Meißen, in Dresden und im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge.
„Es ist gefährlich, dass in Überschwemmungsgebieten weiterhin Bauland ausgewiesen wird und neu gebaut werden darf“, sagt Jörg Asmussen, GDV-Hauptgeschäftsführer. „Zu den bereits bestehenden, enormen Risiken kommen auch noch weitere dazu. Wir brauchen jetzt ein klares gesetzliches Bauverbot in Überschwemmungsgebieten.“
Forderungskatalog der Versicherer
Bereits Anfang des Jahres hat der GDV einen Forderungskatalog zur Prävention und Anpassung an den Klimawandel veröffentlicht. Dieser Katalog enthält strenge Maßnahmen, um Neubauten in hochwassergefährdeten Gebieten zu verhindern. Besonders betroffen sind sogenannte § 76 WHG-Flächen. Das sind Gebiete, die nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) als Hochwassergebiete ausgewiesen sind. In diesen Bereichen besteht ein besonders hohes Risiko für Überschwemmungen, weshalb sie besonders geschützt werden müssen.
Der GDV schlägt vor, ein Bauverbot für diese Regionen im Baugesetzbuch (BauGB) festzuschreiben. Außerdem möchten die Versicherer sich von der Pflicht freistellen lassen, Angebote für Häuser zu machen, die nach dem 1. Januar 2023 in diesen Gebieten neu errichtet wurden. Hintergrund ist ein Plan der Bundesregierung, durch eine Angebotspflicht die Verbreitung von Elementar-Policen zu erhöhen. Versicherer sollen nach den Plänen der Regierung verpflichtet werden, jedem Hausbesitzer einen Schutz gegen Hochwasserrisiken zu unterbreiten.
Aber das ist noch nicht alles. Die Versicherer fordern darüber hinaus, ein Bußgeld zu verhängen, wenn in Überschwemmungsgebieten gebaut wird. Außerdem sollen Versicherer bei Schäden in diesen Regionen ganz oder teilweise von ihrer Leistungspflicht befreit werden. Neubauten in solchen Gebieten sollen als Obliegenheitsverletzung gemäß Paragraph 28 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) gelten. Zudem wird gefordert, das Schutzziel „Klimafolgenanpassung / Extremwetterschutz“ in die Musterbauordnung aufzunehmen. Alle Hoch- und Tiefbauvorhaben sollen dann einer entsprechenden Gefährdungsbeurteilung unterzogen werden.
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Auch wegen möglicher Fehlanreize spricht sich die Versicherungswirtschaft gegen eine Pflicht zur Elementarschadenversicherung aus. Die Bundesländer fordern eine solche jedoch von der Bundesregierung – auch, weil Länder und Kommunen Hausbesitzer mit Milliardenbeträgen unterstützen müssen, wenn Hochwasserkatastrophen Gebäude schwer beschädigen. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Mai wurde das Thema diskutiert, doch die Bundesregierung lehnte die Forderung der Länder ab. Vor allem die FDP blockiere eine entsprechende Lösung, beklagten mehrere Teilnehmer nach dem Treffen. „Ich verstehe nicht, warum es in der Bundesregierung da keine Bewegung gibt. Das Kasperletheater sollte endlich im Interesse der Menschen enden“, sagte im Anschluss an die Gespräche Michael Ebling (SPD), Innenminister von Rheinland-Pfalz. Dort fand 2021 im Ahrtal die wohl verheerendste Flutkatastrophe der Nachkriegszeit statt.