Die jüngsten Hochwasser in Polen und Tschechien haben erneut die Verwundbarkeit von Wohngebäuden gegenüber extremen Wetterereignissen verdeutlicht. Diese Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel immer intensiver werden, setzen nicht nur betroffene Regionen unter Druck, sondern bringen auch die Versicherer in Schwierigkeiten. Besonders betroffen ist die Wohngebäudeversicherung, die ohnehin mit steigenden Schadensummen und zunehmenden Risiken kämpft. Dr. Reiner Will, Geschäftsführer von Assekurata, hebt in einer aktuellen Analyse hervor, wie sehr Naturgefahren die finanzielle Situation der Versicherer belasten.

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Schon seit Jahren bemühen sich die Versicherer, durch regelmäßige Prämienerhöhungen den steigenden Schadenbedarf auszugleichen. Doch das allein reicht oft nicht aus, um dauerhaft rentabel zu bleiben. So lag die Schaden-Kosten-Quote (bzw. Combined Ratio), die den Anteil der Prämieneinnahmen zeigt, der für Schäden und Verwaltung aufgewendet wird, im Jahr 2023 bei 100,9 Prozent. Obwohl das eine Verbesserung gegenüber den Vorjahren ist – in denen die Quote teilweise über 130 Prozent lag –, reicht es noch nicht aus, um die Branche wieder auf stabile Beine zu stellen.

Steigende Baukosten belasten die Versicherer zusätzlich

Neben zunehmenden Naturgefahren belasten auch steigende Baukosten die Versicherer erheblich. Laut Assekurata lag der Anpassungsfaktor für die gleitende Neuwertversicherung 2023 bei einem historischen Höchststand von 14,7 Prozent. Das bedeutet, dass Prämien deutlich angepasst werden mussten, um mit den gestiegenen Baupreisen Schritt zu halten. Der Anpassungsfaktor, der auf Basis der Baupreis- und Lohnkostenentwicklung berechnet wird, stellt sicher, dass die Versicherungssummen im Schadensfall für den Wiederaufbau des Gebäudes ausreichen.

Für 2024 ist der Faktor zwar auf 7,5 Prozent gesunken, bleibt jedoch weit über dem langfristigen Durchschnitt. „Die Versicherer stehen unter enormem Druck, ihre Prämien regelmäßig anzupassen, um die wachsenden Schadenkosten auszugleichen“, so Reiner Will. Allerdings sind derartige Prämienanpassungen häufig nur kurzfristige Lösungen und keine Garantie für eine langfristige Rentabilität.

Rückversicherung als unverzichtbares Sicherheitsnetz

Angesichts der steigenden Risiken durch Naturkatastrophen und der wachsenden finanziellen Belastungen spielt die Rückversicherung eine zentrale Rolle für die Stabilität der Wohngebäudeversicherer. Rückversicherer helfen Erstversicherern, extreme Schwankungen bei den Schadensbelastungen abzufedern. Das bedeutet, dass die Erstversicherer einen Teil ihrer Risiken an Rückversicherer weitergeben und im Gegenzug einen Teil ihrer Prämieneinnahmen abtreten. Besonders in Jahren mit extremen Schadensereignissen wie 2021, als Sturmtief „Bernd“ zu historischen Höchstschäden führte, hat sich die Bedeutung der Rückversicherung deutlich gezeigt. In solchen Jahren, in denen die Schadenbelastungen sehr hoch sind, können Rückversicherungen den Erstversicherern helfen, ihre finanziellen Verluste zu minimieren.

Allerdings zeigt die langfristige Betrachtung, dass die Rückversicherung nicht immer die gewünschte Stabilität bringt. Die Brutto-Saldo-Quote misst das Verhältnis von Prämieneinnahmen zu Schadenszahlungen ohne Berücksichtigung der Rückversicherung. Sie lag im Jahr 2021 bei minus 36,6 Prozent, was bedeutet, dass die Erstversicherer in diesem Jahr erheblich mehr Schadenszahlungen leisten mussten, als sie durch Prämieneinnahmen gedeckt waren. Durch die Beteiligung der Rückversicherer wurde die Quote zwar auf netto minus 14,6 Prozent verbessert, doch auch diese Quote zeigt, dass die Kosten für Schadenszahlungen immer noch deutlich die Prämieneinnahmen überstiegen.

Langfristig verstärkt sich dieses Bild noch. Über den Zeitraum von 2012 bis 2022 lag der Mittelwert der RV-Saldo-Quote (das Verhältnis zwischen den an Rückversicherer gezahlten Prämien und den von diesen übernommenen Schäden) bei minus 2,7 Prozent. Das verdeutlicht, dass Rückversicherer zwar helfen, extreme Schadenjahre abzufedern, aber langfristig oft nicht genug zur Deckung der Gesamtschäden beitragen. In den meisten Jahren zahlen die Versicherer mehr an die Rückversicherer, als sie an Schadenübernahmen zurückerhalten. Besonders negativ fällt die Netto-Saldo-Quote aus: Mit minus 5,6 Prozent zeigt sie eine noch größere Diskrepanz zwischen den Nettoprämien (nach Abzug der Rückversicherungskosten) und den verbleibenden Schadenskosten. Dies bedeutet, dass die Versicherer trotz der Rückversicherungsleistungen nicht genügend Prämien einnehmen, um die Schäden vollständig zu decken, was ihre finanzielle Lage weiter belastet

Diese ohnehin schon problematische Situation wird durch zusätzliche Aufwendungen wie die Feuerschutzsteuer weiter verschärft. Diese Steuer beträgt 19 Prozent der Prämieneinnahmen in der Wohngebäudeversicherung, was zusätzlich die Nettoergebnisse der Versicherer belastet. Sie wird erhoben, um den Feuerwehrdienst zu finanzieren, und macht es für Versicherer noch schwerer, ihre Prämien effektiv zur Deckung der Schadenkosten zu nutzen. Insgesamt führte dies dazu, dass sich die Netto-Saldo-Quote auf minus 8,7 Prozent verschlechterte – ein deutliches Zeichen dafür, dass die Rückversicherungsleistungen und die Prämieneinnahmen nicht ausreichen, um die steigenden Kosten zu decken.

Branche seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht profitabel

Die langfristige Betrachtung zeigt ebenfalls, dass die Wohngebäudeversicherung für die Branche ein systematischer Verlustbringer ist. Über den Zeitraum von 2001 bis 2023 betrug die durchschnittliche Nettoergebnisquote (die das Verhältnis zwischen den erzielten Nettoprämien und den versicherungstechnischen Ergebnissen nach Rückversicherung darstellt) minus 10,8 Prozent. Dies verdeutlicht, dass die Branche seit mehr als zwei Jahrzehnten in den meisten Jahren nicht profitabel arbeiten konnte. Einzig im Jahr 2020 verzeichnete die Wohngebäudeversicherung mit einem positiven Nettoergebnis von 2,0 Prozent der Nettoprämien eine Ausnahme.

Neue gesetzliche Vorgaben drohen: Die Asbestprüfungspflicht

Ein weiteres Thema, das die Branche massiv belasten könnte, ist die geplante Änderung der Gefahrstoffverordnung, die eine verpflichtende Asbestprüfung vor Sanierungen an Wohngebäuden vorsieht. Laut der aktuellen Assekurata-Analyse befindet sich der Gesetzentwurf derzeit in der finalen Abstimmungsphase. Sollte das Gesetz in Kraft treten, müssten vor Reparaturarbeiten an älteren Gebäuden umfassende Prüfungen auf Asbest durchgeführt werden. Dies würde insbesondere Gebäude betreffen, die vor den 1990er Jahren errichtet wurden, als Asbest weit verbreitet war.

Das Kölner Analysehaus warnt davor, dass diese neue Regelung zu erheblichen Mehrkosten führen könnte. Neben den Kosten für die Prüfungen selbst würden sich voraussichtlich auch die Sanierungsarbeiten aufgrund von Verzögerungen deutlich verteuern. Laut Assekurata könnten die entstehenden Mehrkosten für die Versicherer schnell in den dreistelligen Millionenbereich steigen, da viele Versicherungsfälle langwieriger und teurer würden. Diese Zusatzkosten müssten die Versicherer in Form höherer Prämien an die Kunden weitergeben.

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Zusätzlich zu den spezifischen Herausforderungen durch Naturkatastrophen bleiben generische Schadentreiber wie Leitungswasserschäden oder Feuerschäden ein noch immer problematischer Kostenfaktor. Diese Schäden treten besonders häufig bei älteren Gebäuden auf, deren Leitungen und Materialien oft anfällig sind. Auch hierfür haben Versicherer noch keine befriedigende Lösung gefunden, um die Belastung durch wiederkehrende Schäden zu reduzieren und die Kosten in den Griff zu bekommen.

Strategien für die Zukunft: Wege aus der Ertragsfalle

Angesichts der vielfältigen Herausforderungen zeigt das Kölner Analysehaus in seiner Studie mehrere „Erfolgs“-Indikatoren auf, die den Versicherern helfen sollen, die Belastungen zu bewältigen und langfristig wieder stabil zu wirtschaften. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, strukturelle Schwächen zu beheben und das Geschäft nachhaltig rentabel zu gestalten.

  1. Flexiblere Prämienanpassungen: Die Assekurata-Analyse empfiehlt, die Prämien noch flexibler an die tatsächlichen Kostenentwicklungen zu koppeln. Der Anpassungsfaktor, der bereits eine wichtige Rolle spielt, sollte dynamischer eingesetzt werden, um schneller auf Veränderungen bei Bau- und Materialkosten reagieren zu können. Auf diese Weise könnten Versicherer das Risiko von Unterversicherung besser in den Griff bekommen und ihre Einnahmen langfristig stabilisieren.
  2. Spezialisierte Rückversicherungsverträge: Die Rückversicherung bleibt ein entscheidender Pfeiler für das Risikomanagement. Das Kölner Analysehaus schlägt vor, Rückversicherungsverträge gezielt auf bestimmte Naturkatastrophenarten wie Hochwasser oder Stürme auszurichten. Dies würde es den Versicherern ermöglichen, ihre Risiken gezielter zu streuen und besser auf spezifische Schadensszenarien vorbereitet zu sein.
  3. Förderung von Schadenprävention: Versicherer sollten verstärkt präventive Maßnahmen fördern, um langfristig die Schadenquoten zu senken. Anreize für den Einbau von Rückstausicherungen oder feuerfesten Materialien könnten helfen, zukünftige Schäden zu minimieren und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit zu steigern.
  4. Effizienzsteigerung bei der Schadensregulierung: Assekurata empfiehlt den verstärkten Einsatz digitaler Technologien, um die Schadensregulierung effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Schnellere Bearbeitungszeiten und geringere Verwaltungskosten könnten dazu beitragen, die Kosten zu senken und die Kundenzufriedenheit zu steigern.
  5. Fokus auf profitable Kundensegmente: Besonders Kunden mit einem hohen Risikobewusstsein und präventiven Maßnahmen sollten stärker in den Fokus der Vertriebsstrategien rücken. Diese Zielgruppe ist oft bereit, höhere Prämien zu zahlen, und bietet langfristig ein stabileres Ertragsmodell.

Trotz der gegenwärtigen Herausforderungen deutet die Analyse demnach darauf hin, dass es auch realistische Chancen für eine Erholung der Ertragslage gibt. Mit den rückläufigen Inflationsraten und den kontinuierlichen Prämienanpassungen eröffnet sich für die Versicherer eine zusätzliche Möglichkeit, langfristig wieder in die Gewinnzone zurückzukehren. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Kosten konsequent im Blick behalten werden und dass flexibel auf Marktveränderungen reagiert wird. Nur durch ein effizientes Management können die Unternehmen von diesen positiven Entwicklungen profitieren. Die Analyse ist auf der Webseite der Kölner Experten verfügbar.

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