Unfallflucht ist nach Paragraf 142 Strafgesetzbuch (StGB) eine Straftat, die schwerwiegende Folgen mit sich bringt. Wer sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt, ohne den Geschädigten oder die Polizei zu benachrichtigen, muss mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen. Diese reichen von Geldstrafen, Punkten im Fahreignungsregister bis hin zum Entzug der Fahrerlaubnis. In schweren Fällen – insbesondere bei Personenschäden – drohen sogar bis zu drei Jahre Haft.

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Ein Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG) verdeutlicht zugleich, dass nicht nur strafrechtliche Konsequenzen drohen, sondern auch erhebliche versicherungsrechtliche Auswirkungen. Denn eine Unfallflucht führt in der Regel dazu, dass der Versicherungsnehmer seine vertraglichen Pflichten gegenüber seiner Kaskoversicherung verletzt – und somit den Versicherungsschutz verliert. Zu den Konsequenzen der Strafgerichtsbarkeit können also auch erhebliche finanzielle Folgen hinzukommen.

Der Unfall: Mit folgenreichem Fehler

Am Abend des 11. März 2020 war der Kläger auf der Autobahn A6 bei Homburg mit seinem Fahrzeug unterwegs. Aufgrund überhöhter Geschwindigkeit und zu geringem Sicherheitsabstand kollidierte er mit einem anderen Fahrzeug und verlor die Kontrolle. Sein Auto prallte schließlich gegen die Mittelleitplanke. Die Insassen des anderen Fahrzeugs erlitten glücklicherweise nur leichte Verletzungen.

Anstatt an der Unfallstelle zu bleiben, verließ der Kläger den Ort – allerdings nicht mit seinem Wagen, sondern zu Fuß. Er ging zu einem nahegelegenen Rasthof und rief seine Freundin an, die ihn dort mit ihrem Auto abholte. Am nächsten Morgen suchte der Kläger einen Arzt auf und erklärte, er habe aufgrund eines „posttraumatischen Schocks“ in Panik gehandelt.

Die Polizei fand später am Unfallort leere Bierkästen und persönliche Gegenstände des Klägers, was den Verdacht auf Alkohol- oder Drogenkonsum nahelegte. Aufgrund dieser Umstände verweigerte die Kaskoversicherung des Klägers die Leistung.

Der Rechtsstreit: Klage durch zwei Instanzen

Nach der Ablehnung der Schadensregulierung durch die Kaskoversicherung klagte der Versicherungsnehmer vor dem Landgericht Saarbrücken. Das Gericht wies jedoch die Klage ab und stellte fest, dass der Kläger durch das Verlassen der Unfallstelle seine vertraglichen Aufklärungsobliegenheiten verletzt habe (Az. 14 O 402/20). Der Kläger ging daraufhin in Berufung.

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Am 31. Juli 2024 bestätigte das Saarländische Oberlandesgericht (Az.: 5 U 102/23) das Urteil der Vorinstanz und entschied ebenfalls zugunsten des Versicherers. Das Gericht stellte fest, dass das unerlaubte Entfernen von der Unfallstelle eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung darstellt. Der Kläger hatte durch sein Verhalten die Schadensaufklärung erheblich behindert und dem Versicherer die Möglichkeit genommen, den Unfallhergang vollständig zu rekonstruieren.

Urteilsgründe: Aufklärungspflicht des Versicherungsnehmers

Das Urteil ist wesentlich durch eine Pflichtverletzung des Klägers als Versicherungsnehmer begründet. Die Aufklärungspflichten des Versicherungsnehmers sind im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und in den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) geregelt. Versicherungsnehmer müssen nach einem Schadenereignis alles unternehmen, um den Unfallhergang lückenlos aufzuklären. Dazu zählt vor allem die Verpflichtung, an der Unfallstelle zu bleiben und den Unfall sofort zu melden. Das unerlaubte Entfernen vom Unfallort erschwert die Beweislage und behindert den Versicherer bei der Feststellung, ob und in welchem Umfang eine Leistungspflicht besteht.

Das Gericht erklärte: „Mit der Verletzung der Pflichten des Paragrafen 142 StGB hat der Kläger seine vertraglichen Aufklärungspflichten in einem Maße verletzt, das die Leistungsfreiheit des Versicherers nach sich zieht.“ Weiterhin wurde betont, dass diese Pflichtverletzung als vorsätzlich zu werten sei, da der Kläger nachweislich in der Lage war, nach dem Unfall zu telefonieren und sich geordnet von seiner Freundin abholen zu lassen.

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Für das Urteil ist es auch unerheblich, ob der Versicherungsnehmer den Ort mit seinem Wagen oder zu Fuß verlässt. Entscheidend ist, dass er sich unerlaubt entfernt hat, ohne seiner Pflicht zur Meldung des Unfalls nachzukommen. Auch das Verlassen des Unfallorts zu Fuß wird daher als Unfallflucht gewertet.

Schockzustand als Verteidigung? Warum das Gericht dem nicht folgte

Als Verteidigungsstrategie führte der Kläger an, dass er unter einer Reaktion im Sinne einer „akuten Belastungsreaktion (ICD-10 F43.0)“ gelitten habe, die seine Handlungsfähigkeit stark beeinträchtigt habe. Diese „posttraumatische Reaktion“, so der Kläger, sei eine Bewusstseinsstörung, die seine Unfallflucht verständlich mache und keine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung darstelle. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht.

Das Oberlandesgericht berief sich auf ein gerichtlich angeordnetes Gutachten, das keine ausreichenden Anzeichen für eine derartige Schuldunfähigkeit aufgrund einer „akuten Belastungsreaktion“ feststellen konnte. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass der Kläger keine Symptome zeigte, die auf einen völligen Kontrollverlust hindeuten. Vielmehr habe er geordnet und überlegt gehandelt, indem er nach dem Unfall telefonierte und sich von seiner Freundin abholen ließ. Das Gericht erklärte: „Für die Annahme einer die freie Willensbestimmung ausschließenden Bewusstseinsstörung lagen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.“

Da das Gutachten die Behauptung des Klägers widerlegte, konnte das Gericht nicht von einer Schuldunfähigkeit ausgehen. Die Obliegenheitsverletzung durch die Unfallflucht wurde daher als vorsätzlich gewertet und führte zur Leistungsfreiheit des Versicherers.

Ein weiterer Urteilsgrund: Der Verdacht auf Alkoholkonsum

Neben der Obliegenheitsverletzung aufgrund der Unfallflucht berief sich das Gericht auf einen weiteren gewichtigen Aspekt: den Verdacht auf Alkoholkonsum. Die am Unfallort gefundenen leeren Bierkästen und persönlichen Gegenstände des Klägers legten den Verdacht nahe, dass der Kläger möglicherweise alkoholisiert gewesen sein könnte. Diese Tatsache verstärkte die Entscheidung des Gerichts, dass das unerlaubte Entfernen von der Unfallstelle als schwerwiegender Pflichtverstoß zu werten sei, da der Verdacht auf eine weitere Obliegenheitsverletzung im Raum stand. Ein möglicher Alkoholkonsum hätte die Verantwortung des Klägers zusätzlich belastet, den Unfall sofort zu melden, um eine lückenlose Schadensaufklärung zu ermöglichen.

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Fazit: Mehrfache Konsequenzen für den Versicherungsnehmer

Das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts verdeutlicht die schwerwiegenden Konsequenzen, die eine Unfallflucht nach sich ziehen kann:

  1. Strafrechtliche Folgen: Unfallflucht nach Paragraf 142 StGB kann mit Geldstrafen, dem Entzug der Fahrerlaubnis und in schweren Fällen mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren geahndet werden.
  2. Versicherungsrechtliche Konsequenzen: Eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheiten führt zur Leistungsfreiheit des Versicherers.
  3. Schockzustand nicht ausreichend als Verteidigung: Ein vermeintlicher „posttraumatischer Schock“ oder eine „akute Belastungsreaktion“ wird vom Gericht nur dann anerkannt, wenn klare Beweise für eine Bewusstseinsstörung vorliegen – dies war hier nicht der Fall.
  4. Verdacht auf Alkoholkonsum: Der Verdacht auf eine Trunkenheitsfahrt verschärfte die Pflichten des Versicherungsnehmers zur unverzüglichen Schadensmeldung und unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden Aufklärung. Das Urteil ist auf der Webseite des Bürgerservice Saarland verfügbar.
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