Das Gericht erklärte: „Mit der Verletzung der Pflichten des Paragrafen 142 StGB hat der Kläger seine vertraglichen Aufklärungspflichten in einem Maße verletzt, das die Leistungsfreiheit des Versicherers nach sich zieht.“ Weiterhin wurde betont, dass diese Pflichtverletzung als vorsätzlich zu werten sei, da der Kläger nachweislich in der Lage war, nach dem Unfall zu telefonieren und sich geordnet von seiner Freundin abholen zu lassen.

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Für das Urteil ist es auch unerheblich, ob der Versicherungsnehmer den Ort mit seinem Wagen oder zu Fuß verlässt. Entscheidend ist, dass er sich unerlaubt entfernt hat, ohne seiner Pflicht zur Meldung des Unfalls nachzukommen. Auch das Verlassen des Unfallorts zu Fuß wird daher als Unfallflucht gewertet.

Schockzustand als Verteidigung? Warum das Gericht dem nicht folgte

Als Verteidigungsstrategie führte der Kläger an, dass er unter einer Reaktion im Sinne einer „akuten Belastungsreaktion (ICD-10 F43.0)“ gelitten habe, die seine Handlungsfähigkeit stark beeinträchtigt habe. Diese „posttraumatische Reaktion“, so der Kläger, sei eine Bewusstseinsstörung, die seine Unfallflucht verständlich mache und keine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung darstelle. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht.

Das Oberlandesgericht berief sich auf ein gerichtlich angeordnetes Gutachten, das keine ausreichenden Anzeichen für eine derartige Schuldunfähigkeit aufgrund einer „akuten Belastungsreaktion“ feststellen konnte. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass der Kläger keine Symptome zeigte, die auf einen völligen Kontrollverlust hindeuten. Vielmehr habe er geordnet und überlegt gehandelt, indem er nach dem Unfall telefonierte und sich von seiner Freundin abholen ließ. Das Gericht erklärte: „Für die Annahme einer die freie Willensbestimmung ausschließenden Bewusstseinsstörung lagen keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.“

Da das Gutachten die Behauptung des Klägers widerlegte, konnte das Gericht nicht von einer Schuldunfähigkeit ausgehen. Die Obliegenheitsverletzung durch die Unfallflucht wurde daher als vorsätzlich gewertet und führte zur Leistungsfreiheit des Versicherers.

Ein weiterer Urteilsgrund: Der Verdacht auf Alkoholkonsum

Neben der Obliegenheitsverletzung aufgrund der Unfallflucht berief sich das Gericht auf einen weiteren gewichtigen Aspekt: den Verdacht auf Alkoholkonsum. Die am Unfallort gefundenen leeren Bierkästen und persönlichen Gegenstände des Klägers legten den Verdacht nahe, dass der Kläger möglicherweise alkoholisiert gewesen sein könnte. Diese Tatsache verstärkte die Entscheidung des Gerichts, dass das unerlaubte Entfernen von der Unfallstelle als schwerwiegender Pflichtverstoß zu werten sei, da der Verdacht auf eine weitere Obliegenheitsverletzung im Raum stand. Ein möglicher Alkoholkonsum hätte die Verantwortung des Klägers zusätzlich belastet, den Unfall sofort zu melden, um eine lückenlose Schadensaufklärung zu ermöglichen.

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Fazit: Mehrfache Konsequenzen für den Versicherungsnehmer

Das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts verdeutlicht die schwerwiegenden Konsequenzen, die eine Unfallflucht nach sich ziehen kann:

  1. Strafrechtliche Folgen: Unfallflucht nach Paragraf 142 StGB kann mit Geldstrafen, dem Entzug der Fahrerlaubnis und in schweren Fällen mit Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren geahndet werden.
  2. Versicherungsrechtliche Konsequenzen: Eine vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobliegenheiten führt zur Leistungsfreiheit des Versicherers.
  3. Schockzustand nicht ausreichend als Verteidigung: Ein vermeintlicher „posttraumatischer Schock“ oder eine „akute Belastungsreaktion“ wird vom Gericht nur dann anerkannt, wenn klare Beweise für eine Bewusstseinsstörung vorliegen – dies war hier nicht der Fall.
  4. Verdacht auf Alkoholkonsum: Der Verdacht auf eine Trunkenheitsfahrt verschärfte die Pflichten des Versicherungsnehmers zur unverzüglichen Schadensmeldung und unterstreicht die Bedeutung einer umfassenden Aufklärung. Das Urteil ist auf der Webseite des Bürgerservice Saarland verfügbar.
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