Die HUK-Coburg ist Marktführer in der Kfz-Versicherung: Kein anderer Versicherer in Deutschland bietet so vielen Autos Schutz. Traditionell verfolgt das Unternehmen eine Strategie günstiger Prämien. Gut versichert, aber preiswert – das ist die zentrale Markenbotschaft. In den vergangenen Jahren nahm die HUK sogar negative versicherungstechnische Ergebnisse in Kauf, um durch günstige Tarife im intensiven Wettbewerb zu punkten.

Anzeige

Kündigt die HUK an, die Prämien nicht stabil halten zu können, müssen sich Autohalter branchenweit auf höhere Beiträge einstellen. Damit gibt es keine guten Nachrichten für Kundinnen und Kunden. Bei einem Pressegespräch in München erklärte HUK-Vorstand Jörg Rheinländer, dass sich Autofahrer in der aktuellen Wechselsaison auf Preiserhöhungen von über zehn Prozent einstellen müssen. „Wir erwarten wieder eine zweistellige Preisanpassung“, zitierte das Branchenmagazin Versicherungsmonitor den Vorstand.

Dass die Preise im Kfz-Segment weiter steigen werden, ist keine neue Botschaft. Bereits im letzten Jahr hatten die Kfz-Versicherer ein Minus von über drei Milliarden Euro verzeichnet. Nach Schätzungen des Versichererverbandes GDV wird die Branche auch in diesem Jahr mindestens zwei Milliarden Euro Verlust machen. „Nach unserer aktuellen Hochrechnung werden die Beitragseinnahmen auf rund 33,6 Milliarden Euro steigen, aber die Versicherer müssen zwischen 34,9 und 35,6 Milliarden Euro für Schäden und Verwaltung ausgeben“, erklärte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen im Frühjahr.

Die HUK-Coburg hatte mit ihrer Schaden-Kosten-Quote den Branchenschnitt von 111,3 Prozent sogar überboten und meldete eine Quote von 113,4 Prozent. Das bedeutet, für jeden verdienten Euro gab der Versicherer 1,13 Euro für Schäden und Verwaltung aus. Profitabel im engeren Versicherungsgeschäft sind die Versicherer, wenn sie eine Quote von unter 100 Prozent ausweisen.

Ursachen für steigende Kosten in der Kfz-Versicherung

Warum aber geraten die Kfz-Versicherer in die roten Zahlen? HUK-Vorstand Jörg Rheinländer ging bei dem Pressegespräch näher auf die Ursachen ein. Die Inflation sei dabei nicht der Hauptfaktor, erklärte er. Stattdessen nannte er die Ersatzteilpreise als „Treiber Nummer eins“. Diese steigen deutlich stärker als die allgemeinen Verbraucherpreise. In den letzten zehn Jahren klafften die Preisentwicklung von Ersatzteilen und die des Verbraucherpreisindex um fast 43 Prozentpunkte auseinander. 2017 lag dieser Unterschied noch bei knapp 14 Prozentpunkten. Das bedeutet: Die Preise für Ersatzteile steigen so stark, dass dies nicht mehr allein durch die allgemeine Inflation zu erklären ist.

Seit Anfang 2013 stiegen die Verbraucherpreise um knapp 28 Prozent, während die Kosten für Reparaturen im gleichen Zeitraum um mehr als 70 Prozent in die Höhe schossen. Damit seien die von Automobilherstellern festgelegten Ersatzteilpreise seit Jahren der Hauptgrund für die steigenden Kfz-Prämien, erklärte Rheinländer. Trotz sinkender Inflation sei die Teuerungsrate für Ersatzteile nach den Berechnungen der HUK immer noch doppelt so hoch wie die allgemeine Inflationsrate. „Diese Preispolitik, die die Kosten künstlich nach oben treibt, ist nicht nachzuvollziehen“, kritisierte er und fordert eine moderatere Preisgestaltung.

Anzeige

Seit Jahren beklagen die Versicherer, dass Autohersteller ihr Monopol auf sichtbare Ersatzteile nutzen, um höhere Preise durchzusetzen. Grund dafür ist der sogenannte Designschutz. Dieser schreibt vor, dass bei der Reparatur eines Unfalls alle beschädigten sichtbaren Autoteile durch teure Original-Ersatzteile ersetzt werden müssen. Die EU-Designschutzrichtlinie 98/71/EG, die in Deutschland durch das Designgesetz umgesetzt wurde, verschafft den Autobauern ein Quasi-Monopol – ein Kritikpunkt, den nicht nur die Kfz-Versicherer teilen. Die Autobauer hingegen verweisen darauf, dass auch der technische Fortschritt die Preise für Ersatzteile treibe. So müsse bei einem Schaden immer mehr Technik ersetzt werden, die früher noch gar nicht vorhanden gewesen sei: etwa Sensoren für Fahrassistenzsysteme, Kameras, Radarsysteme wie z.B. der Totwinkelassistent.

Höhere Stundensätze, unterbrochene Lieferketten

Wenn HUK-Vorstand Rheinländer die Ersatzteilpreise als Haupttreiber für die steigenden Kosten identifiziert, sind sie jedoch nicht der einzige Faktor. Auch die Reparaturarbeiten selbst werden teurer. Seit 2021 sind die Stundenverrechnungssätze der Werkstätten für Unfallreparaturen überproportional gestiegen. Dies betrifft sowohl Lackierarbeiten als auch Arbeiten an Karosserie und Mechanik. „Wir beobachten in der Spitze Netto-Löhne von bis zu 400 Euro pro Stunde“, erklärt der Kfz-Versicherungsvorstand. Die letzte Preissteigerungsrunde fiel mit etwa zehn Prozent besonders hoch aus. Konkrete Gründe nannte der Vorstand nicht, aber neben dem höheren Mindestlohn trägt auch der Fachkräftemangel dazu bei, dass Werkstätten höhere Arbeitskosten abrechnen können. Laut einer Umfrage des Fachmagazins „Kfz-betrieb“ haben mehr als zwei Drittel der Entscheider in Werkstattfirmen (69 Prozent) Probleme, offene Stellen zu besetzen.

Längere Standzeiten, teurere Mietwagen

Dass auch Lieferketten den Preis einer Kfz-Versicherung beeinflussen, mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, ist aber nachvollziehbar: Wenn Ersatzteile nicht rechtzeitig geliefert werden können, bleiben Autos länger unrepariert, und die Versicherer müssen für längere Zeit Mietwagen finanzieren. „Unsere Partnerwerkstätten bestellen im Durchschnitt wöchentlich 50.000 Ersatzteile für rund 8.000 beschädigte Fahrzeuge“, führt Rheinländer aus. „Bei etwa 650 Fahrzeugen waren die Ersatzteile in der ersten Woche nicht verfügbar“. Das entspreche immerhin acht Prozent der zu reparierenden Fahrzeuge.

Anzeige

Bei 300 Autos waren die Ersatzteile sogar nach sechs Monaten noch nicht erhältlich. „All das führt zu längeren Standzeiten und kostet Geld. Im vergangenen Jahr entstanden dadurch Kosten von 45,2 Millionen Euro für Mietwagen, die unter anderem aus der längeren Bereitstellung von Ersatzmobilität resultieren. Das sind 7,9 Millionen Euro mehr als 2022, was einem Anstieg von über 20 Prozent entspricht. Auch das belastet die Bilanz“, kommentiert Rheinländer diese Entwicklung.

Steigende Schadendurchschnitte

Die Schadendurchschnitte nehmen ebenfalls zu und sorgen für Aufsehen, berichtet der HUK-Vorstand. Mit Schadendurchschnitten sind die durchschnittlichen Kosten gemeint, die bei Schäden entstehen, die durch Kfz-Versicherungen abgedeckt sind. In der Kfz-Haftpflichtversicherung haben sich diese Werte in den letzten Jahren stark verändert: Von 2021 bis 2022 stiegen sie um über zwölf Prozent, gefolgt von einem Anstieg von knapp zehn Prozent von 2022 auf 2023. Das ist deutlich mehr, als die Versicherer in den Jahren zuvor an durchschnittlichen Teuerungen der Schäden beobachtet haben, denn in den Jahren 2014 bis 2018 betrug das Plus nur etwa jeweils drei Prozent. Und die Entwicklung hält an: Für 2024 wird ebenfalls wieder ein weiterer Anstieg von sieben bis neun Prozent erwartet.

Ähnlich entwickeln sich die Schadendurchschnitte auch in der Kaskoversicherung bei Kollisionsschäden. „Das ist ein signifikanter Unterschied und macht deutlich, wie sehr sich die Schadendurchschnitte in den letzten Jahren kontinuierlich verteuert haben,“ so Rheinländer. Hier hätten sich auch die zunehmenden und ebenfalls höher ausfallenden Elementarschäden aus. „Wir haben eine Kasko-Krise“, beschreibt Rheinländer die aktuelle Situation.

Damit hat Rheinländer bereits einen weiteren Preistreiber angesprochen: die zunehmenden Elementarschäden. In der Regel zahlt die Kaskoversicherung, wenn ein Auto zum Beispiel durch Hagel oder Hochwasser beschädigt wird. „Wir sehen, dass der Klimawandel hochläuft“, sagte der Vorstand. So seien die durchschnittlichen Schäden bei Hagel gestiegen. Während typische Hagelschäden früher bei rund 3.000 Euro lagen, seien es bei Ereignissen wie dem massiven Hagel in Benediktbeuern am bayerischen Alpenrand im vergangenen Jahr im Schnitt mehr als 5.000 Euro gewesen.

Anzeige

In dem Pressegespräch erklärte Rheinländer auch, warum die HUK in der Lage ist, Jahre mit einem negativen versicherungstechnischen Ergebnis zu verkraften: Der Versicherer verfügt über ausreichend Rücklagen. Die Schadenreserve wurde gestärkt, sodass 2022 für Personenschäden 90 Millionen Euro reserviert wurden, und 2023 kamen noch einmal 105 Millionen Euro dazu. Nach Einschätzung Rheinländers sei die HUK-COBURG eines der ersten Unternehmen gewesen, das rechtzeitig auf die neue Schadenrealität reagiert hat. Die Vorherrschaft in der Autoversicherung dürfte die HUK weiter unangefochten innehaben. Im Kfz-Neugeschäft konnte der Versicherer in diesem Jahr seine Zahlen um über 20 Prozent steigern – von 1,0 Millionen auf 1,2 Millionen Stück bzw. neu versicherte Fahrzeuge.

Seite 1/2/