Die Riester-Rente hatte seit dem Start vor über 22 Jahren einen schweren Stand. Inzwischen zeichnen viele Gesellschaften kein Neugeschäft mehr. Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht Reformbedarf. Dabei war das, nach dem früheren Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) benannte Produkt, eigentlich anders gedacht. Denn Riester wollte ursprünglich eine verpflichtende zusätzliche Altersvorsorge einführen. Statt der 15,511 Millionen Policen, die Ende 2023 gezählt wurden, hätte man "mehr als 40 Millionen Geförderte.“ erreichen können. Dennoch sind die Zahlen gar nicht so schlecht. Denn mit den aktuellen Werten bleibt das Produkt die erfolgreichste freiwillige private Altersvorsorge der Welt.

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Vor der Einführung der Riester-Rente seien auch andere mögliche Alternativen debattiert worden. Demnach habe Riester als passende Lösung für eine staatlich geförderte Altersvorsorge einen Pensionsfonds begrüßt, was am Widerstand der Gewerkschaften gescheitert sei. Vorbild wäre das Schwedische Altersvorsorge-Modell gewesen: Dort fließen zwei Prozent des Bruttoeinkommens verpflichtend in einen zusätzlichen Kapitalstock. „Das fand ich gut. Deshalb ärgere ich mich auch so, dass mir seit über einem Jahrzehnt Verbraucherschützer vorwerfen, ich hätte das für die Versicherungswirtschaft gemacht“, sagte der gebürtige Allgäuer in einem Interview.

Bei den ausgewiesenen Riester-Verträgen handelt es sich um den Bestand zum Ende des jeweiligen Berichtszeitraums. Dieser wurde um stornierte Verträge bereinigt. Dafür sind aber ruhende Verträge enthalten. Ihr Anteil wird auf gut ein Fünftel bis knapp ein Viertel geschätzt, berichtet das Bundesministerium. Für diese Verträge fließt folglich auch keine Förderung.

Riester-Rente: Durchschnittliche Monatsrente liegt bei 132 Euro

Im April 2024 hat die Bundesregierung erstmals eine sogenannte Riester-Auszahlungsstatistik vorgelegt. Sie gibt zumindest einen ungefähren Überblick darüber, was die Sparer an Rente erhalten. Die Daten stammen von der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA), bei der die Versicherer jährlich melden müssen, welche Leistungen sie auszahlen. In konkreten Zahlen: Wer 2022 eine Riester-Rente bezog, erhielt durchschnittlich 132 Euro Monatsrente ausgezahlt. Die durchschnittliche Jahresrente betrug 1.581,12 Euro. Die Auszahlungsstatistik zeigt auch, dass 80,4 Prozent der Betroffenen weniger als 2.000 Euro pro Jahr erhalten. Und fast ein Drittel aller Riester-Sparer erhält weniger als 40 Euro im Monat. Hier kommt sicher auch das Problem zu tragen, dass in den bestehenden Produkten eine 100-Prozent-Beitragsgarantie enthalten ist. Die Riester-Anbieter müssen garantieren, dass den Sparern zu Beginn der Rentenphase mindestens die eingezahlten Beiträge plus Zulagen zur Verfügung stehen. Das schmälert aber die Renditechancen, weil die Vorsorgeanbieter die Gelder überwiegend in festverzinsliche Anlagen investieren müssen: in Zeiten niedriger Zinsen konnten die Anbieter die Garantien kaum erwirtschaften, so dass sich mehrere Versicherer sogar aus dem Neugeschäft zurückgezogen haben.

Die Reaktionen auf die vorgelegten Zahlen aus der Riester-Auszahlungsstatistik waren reflexartig und wenig überraschend. So titelte beispielsweise die "BILD": „Riester-Rente wird zum Flop!“. Denn eigentlich sollte die Riester-Rente vor Geldsorgen im Alter schützen, heißt es in dem Artikel. Doch sie „entpuppt sich für viele als Tropfen auf dem heißen Stein!“, meint Deutschlands größte Boulevardzeitung.

Einen anderen Blick auf Zulagenrente haben Professor Dr. Michael Heuser, wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (Diva), sowie Professor Dr. Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ifa) in Ulm. Heuser sieht die Riester-Rente keineswegs als Flop und unterstreicht ihre Form als staatlich geförderte Zusatz-Rente. „Hauptrente ist die gesetzliche Rente. Auch Letztere ist nicht üppig und liegt heute durchschnittlich bei 1.100 bis 1.200 Euro, das heißt die Riester-Auszahlung bringt dem heutigen Rentner im Durchschnitt zusätzliche zehn bis zwölf Prozent auf seine Rente“, erklärt Heuser gegenüber dem Fachportal "cash-online"

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Dem pflichtet Ruß bei: „Wenn beispielsweise ein Geringverdiener mit mehreren Kindern nur den Mindesteigenbeitrag von fünf Euro pro Monat bezahlt hat, aber hohe staatliche Zulagen erhalten hat, so wäre bereits eine lebenslange Rente von 50 Euro pro Monat eine sehr attraktive Leistung.“. Überdies müsse davon ausgegangen werden, dass diejenigen Riester-Sparer, die bereits in Rente sind, eine eher kurze Anspardauer hatten. Bei künftigen Rentner seien durchaus höheren Rente erwartbar. Schließlich hätten sie eine längere Spardauer.

Altersvorsorgedepot: Mehr Freiheiten und höhere Förderungen als Riester-Rente

Hätte der Hund nicht…oder so ähnlich, heißt im bürgerlichen Sprachgebrauch. Die Tageszeitung "Die Welt" hat sich nun der hypothetischen Frage gestellt, welches Vermögen Sparer aufgebaut hätten, wenn sie zum Start der Riester-Rente bereits in das von Bundesfinanzminister Christian Lindner bevorzugte Modell hätten sparen können. Beim angedachten privaten Altersvorsorgedepot sollen Bürger frei entscheiden können, mit welchen Produkten sie vorsorgen wollen. Es solle jedoch eine Positivliste geben, die vorgibt, in welche Anlageklassen investiert werden kann. Lindner erklärte: „Im Gesetz werden wir eine Positivliste vorgeben, in welcher Anlageklasse investiert werden kann, also zum Beispiel ETFs oder auch in Schuldverschreibungen“. Einzelaktien sollen ebenfalls möglich sein, während Knock-out-Zertifikate, kurz laufende Optionsscheine und Krypto-Assets ausgeschlossen sind. Diese seien „nicht geeignet für ein Altersvorsorgedepot, das öffentlich gefördert wird“.

Bei der Förderung legt der Staat auf jeden selbst eingezahlten Euro 20 Cent drauf, bis zu einem maximalen Eigenbetrag von 3.000 Euro pro Jahr. Für Menschen mit Kindern wird es neben der Grundzulage weiterhin eine Kinderzulage geben. Das Finanzministerium schlägt 25 Cent pro selbst eingezahltem Euro vor, wobei der maximale Eigenbetrag hier 1.200 Euro beträgt und die Zulage pro Kind auf 300 Euro anwächst. Für Menschen mit einem Einkommen bis zu 26.250 Euro soll es zudem 175 Euro Bonus geben, Berufseinsteiger unter 25 Jahren können bis zu drei Jahre von einem 200-Euro-Bonus profitieren.

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Ein Steuervorteil kommt hinzu: Der Fiskus greift erst im Ruhestand zu. Das bedeutet, dass alle Erträge während der Ansparphase zunächst im Depot bleiben. Der frühestmögliche Zeitpunkt der Auszahlung soll von 62 auf 65 Jahre erhöht werden, um „Fehlanreize in Richtung auf Frühverrentung“ zu begrenzen. Lindner hofft, dass das Gesetz noch in diesem Jahr beschlossen wird und bis 2025 umgesetzt werden kann. Er räumte jedoch ein, dass nicht alles bis zum 1. Januar 2026 fertig sein könne. Die Vergleichsplattform für die zertifizierten Produkte brauche mehr Vorlaufzeit.

Rechenmodell: Riester-Rente vs. Lindner-Rente

Ein im Sinne des Finanzministers begünstigtes Investment in den Aktienindex MSCI World liegt der Rechnung zugrunde. Denn: Langfristig versprechen Aktien die höchste Rendite unter den liquiden Anlageformen. Die Modellrechnung basiert auf Bloomberg-Daten und nimmt monatliche Einzahlungen von 250 Euro an, was im Jahr 3000 Euro ergibt. Für diese Summe kann die staatliche Förderung von 20 Prozent in Anspruch genommen werden.

Die jährliche staatliche Förderung von 600 Euro wurde in der Modellrechnung zusätzlich zu den selbst erbrachten Raten am Jahresende in den MSCI World investiert. Auf diese Weise hätten Anleger im Laufe der Zeit inklusive staatlicher Zulage MSCI-World-Anteile für 81.200 Euro erworben. Wer mit diesem Geld lediglich „geriestert“ hätte, würde nach 22 Jahren nur wenig mehr als diese Summe besitzen. Mit der Aktienlösung hingegen sieht es anders aus: Dank Börsenaufschwung hätte sich der Wert des Investments bis heute auf 288.500 Euro mehr als verdreifacht.

Um den Zinseszinseffekt voll auszunutzen, müssen Anleger auf ihre Investments im Altersvorsorge-Depot bis zur Auszahlungsphase keine Steuern zahlen. Die „nachgelagerte Besteuerung“ greift erst in der Auszahlungsphase. Derzeit wird dieser Zinseszinseffekt innerhalb von Wertpapier-Sparplänen durch den Fiskus ausgebremst. Auf unterjährige Erträge fallen Abgeltungsteuer und Solidaritätszuschlag an. Selbst wenn Fonds keine Dividenden ausschütten, wird eine Vorabpauschale einbehalten, um die Wertzuwächse zu erfassen.

Zuletzt hatte FDP-Chef Lindner gegenüber der „Rheinischen Post“ erklärt, dass es mit dem Altersvorsorge-Depot sogar möglich sei, als Millionär in Rente zu gehen. Rechnerisch ist die angesprochene Million sicherlich möglich. Ob dies auch wirklich realistisch ist, bleibt abzuwarten. Schließlich bräuchte es einen maximalen Anlagehorizont. Laut Berechnungen des "Handelsblatts" bräuchte es dafür 46 Jahre mit voller Förderung und U25-Bonus. Vorausgesetzt seien bei diesem Modell eine Jahresrendite von sieben Prozent und jährliche Kosten von 0,5 Prozent.

Sollte die Lindner-Rente wirklich kommen, könnte es gleich mehrere große Gewinner geben. Denn insbesondere junge Verbraucher könnten durch die Kraft des Zinseszinseffektes ein auskömmliches Altersgeld erhalten. Aber auch für den Staat könnte das neue Modell ein gutes Geschäft werden. Nimmt man allein die Berechnung aus dem obingen Vergleich zur Hand, dann hätte der Lindner-Sparer einen Gewinn von 207.300 Euro erzielt. Dieser ergibt sich aus den errechneten Vermögen von 288.500 Euro nach 22 Jahren abzüglich der eingezahlten sowie geförderten Summe von 81.200 Euro. Wird dieser Betrag - sehr vereinfacht gerechnet - einmalig versteuert, fielen 25 Prozent Abgeltungssteuer zzgl. 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag an. Ergo würde der abzuführende Steuersatz 26,375 Prozent betragen. Gemessen an der Summe von 207.300 Euro wären das 54.675,38 Euro. Gemessen an den vom Staat bereitgestellten Förderbetrag von 13.200 Euro darf das Altersvorsorge-Depot als langfristige Chance auf ein gutes Investment angesehen werden.

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