Das Thema Inflation ist in aller Munde. Auch wenn die aktuellsten Daten des statistischen Bundesamtes (DeStatis.de Pressemitteilung 30. September) im August und September andeuten, dass die Inflation deutlich unter 2 Prozent gesunken sind, so sagt diese Zahl doch nur eines immer noch sehr deutlich aus: Es wird nach wie vor alles teurer, nur vielleicht etwas langsamer.

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Das mag sich erst einmal gut für Endverbraucher anhören, löst aber nicht das inhärente Problem der Versicherer. Die über Jahre gewachsenen Strukturen in den Unternehmen sind vielerorts wenig effizient, die operativen Kosten kontinuierlich gestiegen und die ambitionierten Effizienzprojekte sind unter den hohen Erwartungen geblieben. Hinzukommen vielerorten Investitionsstaus, wenn es darum geht, die IT und überhaupt die Digitalisierung auf ein neues, modernes Level zu heben – und so die Kundenwünsche richtig bedienen zu können.

Kostenprognose: Eher steigend als fallend

Der Maßstab für die Kostenentwicklung und eine der Kennzahlen in der Versicherungsindustrie ist die Combined Ratio, die kombinierte Kosten-Schadenquote. Sie sagt letztendlich aus, ob nach Abzug aller operativen Kosten, den tatsächlichen Schäden (Schadenquote) und den angefallenen Vertriebskosten unter dem Strich für den Versicherer noch etwas heraus kommt. Hier sieht es unisono für die Versicherer nicht gut aus. Combined Ratios (CR) über 100 sind aktuell in einigen Sparten keine Seltenheit mehr, prominentes Beispiel ist hier sicherlich die KFZ-Versicherung, Verbandszahlen sehen auch für dieses Jahr eine CR von 115 Prozent voraus, aber auch Wohngebäude und Rechtsschutz sind regelmäßige Kandidaten für eine schlechte CR.

Die Versicherer müssen also etwas tun, um wieder in den grünen Bereich zu kommen. Nur ist das nicht uneingeschränkt möglich. Wenn wir die Combined Ratio einmal zerlegen. kann man zumindest aber die Möglichkeiten eingrenzen.

Die Kosten von Dritten

Fangen wir bei der Schadenquote an. Hier lässt sich der eine oder andere Basispunkt vielleicht durch schnellere effizientere Regulierung herausholen. Aber, Statistik ist eben Statistik und der Einfluss eines Versicherers auf das statistische Schadenverhalten des Kollektivs seiner Versicherten ist sehr begrenzt. Auch die Kosten für die Regulierung, den Ersatz oder Pflegekosten sind ebenso schwierig zu beeinflussen. Mit anderen Worten: Wie oft ein individueller Kunde einen Haftpflichtschaden verursacht ist kaum zu steuern. Und wenn das beschädigte Parkett in den letzten zehn Jahren im Preis mit Einbau um 50 Prozent gestiegen ist wird es auch für den Versicherer anspruchsvoll, hier noch merklich zu sparen. Denn weder können Versicherer Parkett selbst herstellen noch einbauen. Ein bisschen geht dann noch vielleicht in der Betrugsprävention und bei der Risikoselektion, aber das war es auch weitestgehend schon.

Vertriebskosten einzusparen ist ebenso trickreich, hier kann man zwar spontan mehrere Prozentpunkte einsparen, die Strafe folgt aber in der Regel dann auf dem Fuße: Denn bei einem gesättigten Markt mit vielen Anbietern fällt man eben aus der Selektion seiner Vertriebspartner heraus. Das kann sehr schmerzhaft werden. Viel einfacher ist es dann auch als Direktversicherer nicht, denn wer hier die Investition kürzt, verliert an Relevanz bei seinen Kunden. Vielen Branchenteilnehmern fällt eben leider zu spät auf, dass Versicherungen Produkte sind, dessen Nachfrage deutlich geringer ist als ein neues Paar Sneaker.

Man kann es also mit den Vertriebskosten drehen und wenden wie man will, hier großartige Einsparungen zu finden, entspricht in etwa der Suche nach dem heiligen Gral. Viele haben sich aufgemacht, einige suchen noch, keiner ist mit dem Kelch zurückgekehrt.

Operativer einsparen

Übrig bleibt damit aber dann doch ein spannender Bereich: die operativen Kosten. Hier ist Potential vorhanden, wenn auch nicht überall. Kosten für Regulatorik, sind zum Beispielgesetzte exotherme Rahmenbedingungen. Hier Einsparungen vorzunehmen hieße, das Unternehmen ins Risiko zu setzen und das kann keine gute Idee sein. An Miete oder Kosten für Büroräume und Infrastruktur ist sicherlich noch Luft, aber der eigentliche Löwenanteil, der noch beeinflussbar ist, sind wohl oder übel die eigentlichen Personalkosten. Also die Kosten für die Mitarbeitenden, die man zum Betrieb der jeweiligen Versicherungssparten und aller Betriebsabläufe benötigt.

Hier haben die letzten Jahre zwei deutliche Probleme hervorstechen lassen. Achtung Spoiler: Beide lassen sich mehr oder weniger sogar zusammen lösen.

Das erste Problem vieler Versicherungsunternehmen sind ganz klar die weiter steigenden Lohnkosten, das zweite Problem geht fast schon in die andere Richtung: Man bekommt kaum Fachpersonal und wenn, nicht die Workforce mit dem eigentlich benötigten Skillset. Dieser Zustand verteuert wiederum das verfügbare Personal. Angebot und Nachfrage. Viel Nachfrage, kein Angebot gleich teurere Mitarbeiter.

Hier liegt trotz der nun aufgezählten negativen Aspekte aber das größte Potential. Und der Lösungsansatz ist eigentlich auch recht einfach. Denn wenn man als Versicherer teures Personal hat, dann doch nur deswegen, weil der Output, also der Ertrag pro Arbeitsplatz zu niedrig ist. Die Mitarbeitenden sind also an sich nicht zu teuer und es ist demnach auch kein eigentliches Lohnkostenproblem, sondern der Prozess, in dem die Mitarbeitenden arbeiten, ist nicht effizient auf deren Leistung ausgelegt. Klingt kompliziert? Hier ein Beispiel zur Verdeutlichung: Eine Versicherungsfachwirtin, die manuell Schäden im System anlegt und PDFs an Vorgänge hängt, ist bei gleichem Gehalt viel teurer, als eine andere Mitarbeitende mit gleicher Vergütung, die ihre Zeit in die Lösung komplexer Betriebs- oder Schadenvorgänge investiert.

Effizienter werden, Kosten sparen, Arbeitsabläufe entstauben

Ich bin mir sicher, einige werden es nicht mehr hören können, aber wenn das Mitarbeitenden-Potential unserer Branche begrenzt ist, gleichzeitig aber die Anforderungen der Kunden und im Markt wachsen, dann kann die einzige Antwort auf die Frage nach Effizienzgewinn in den Arbeitsabläufen nur in den Themen „Automation und Digitalisierung“ stecken. Die wenigen guten Arbeitskräfte, die unserer Branche noch zur Verfügung stehen, müssen viel besser und optimal gemäß ihrer Qualifikation eingesetzt werden. Sämtliche gleichförmige wiederkehrende und damit „eintönige“ Arbeitsabläufe muss mit Hilfe von Technologie verarbeitet werden. Einfacher, smarter, zeitsparender. Das macht übrigens, netter Nebeneffekt, den Job für die Beschäftigten dann auch wieder attraktiver, weniger Zeit für Stupides, mehr Zeit für das Besondere oder die Entwicklung – Sprich: Das Spannende am Job rückt in den Vordergrund, die langweiligen Parts müssen „ausgelagert“ werden.

Und ja, auch wenn der ein oder andere das Schlagwort „KI“ nicht mehr hören kann: Genau dafür ist KI ein hervorragendes Werkzeug, dessen Potential für die Vereinfachung des Arbeitsalltags aber auch verstanden, identifiziert und genutzt werden muss. KI wird helfen, aber vor der KI müssen die technischen Grundlagen vorhanden sein, damit KI auch arbeiten kann, und das sind nun mal Automatisierung und Digitalisierung. Die beste KI kann wenig ausrichten, wenn die Datenbasis nicht strukturiert vorliegt.

Sie sehen: Das Einsparpotenzial ist hoch, in verschiedensten Bereichen versteckt und manchmal leider auch mit vorangehenden Investitionen verbunden.

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Wir werden in den nächsten Monaten genau untersuchen, welche Potenziale wo verborgen sind und was gemacht werden muss, damit Versicherer hier auch wirklich Kosten einsparen können. Das ist leider für viele kein „Nice-to-have“ oder „Gewinn-Optimierungsmaßnahe“, sondern reicht oft viel tiefer. Einsparpotenziale zu finden und zu nutzen, ist längst zum ausschlaggebenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit geworden und entscheidet die Zukunft vieler Branchenteilnehmer. Begleiten Sie uns auf dieser spannenden Reise.