2022 beschritt die ALH-Gruppe neue Wege im Vertrieb und beschloss, ihren Ausschließlichkeitsvertrieb nach und nach zu Mehrfachagenten umzurüsten. Im Interview mit Finanzwelt begründete Vertriebsvorstand Frank Kettnaker die Entscheidung so: „Der AO-Agent kann seinen Kunden per Definition ausschließlich Produkte der ALH-Gruppe anbieten. Wenn wir also einzelne Produkte wie die Wohngebäudeversicherung anpassen, sanieren und die Prämien erhöhen, dann sieht sich der Kunde möglicherweise nach einem anderen Versicherungsschutz um. Wo tut er das? Beim Makler! Der sagt: ‚Ich kann dir hier ein anderes Produkt anbieten, aber du unterschreibst mir bitte ein Maklermandat für alle Verträge.‘ Damit verliert der AO-Agent nicht nur den Wohngebäudevertrag, sondern die gesamte Kundenverbindung an den Makler“ (Versicherungsbote berichtete).

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Damit ist ein Problem beschrieben, das alle Versicherer mit einem starken Exklusiv-Vertrieb betrifft. Hinzu kommt: Der seit Jahren zu beobachtende ‚Vermittlerschwund‘ betrifft vor allem den Exklusiv-Vertrieb.

„Wir setzten ausdrücklich nicht das Modell der ALH um“

Macht nun also das ALH-Modell Schule? So berichtete das Handelsblatt von einer ihm vorliegenden Vorstandsvorlage der Zurich-Gruppe Deutschland, in der Vertriebsvorstand Ulrich Christmann davor warnt, einen bedeutenden Markttrend sowie relevante Vertriebspotenziale zu verpassen, „wenn wir dieses Projekt nicht umsetzen“. Gemeint ist eine interne Präsentation der Zurich mit dem Titel ‚Mehrfachagent – Konzeptions- und Umsetzungsprojekt‘. Auch sie liegt dem Handelsblatt vor.

Kern des neuen Konzepts sei, dass die Vertreter von Zurich nur dann Fremdprodukte anbieten, wenn Kunden eine Versicherung benötigen, die Zurich selbst nicht im Portfolio hat, berichtet das Handelsblatt weiter. In Fällen, in denen Zurich eine Produktlücke aufweist oder das Risiko nicht zeichnen möchte, können die Agenturen künftig auf die Option des Mehrfachagenten zurückgreifen – allerdings nur dann. Der Ausschließlichkeitsvertrieb bleibe dennoch einer der wichtigsten Vertriebswege der Zurich, wie ein Unternehmenssprecher herausstellte.
„Ich möchte betonen, dass die Ausschließlichkeit (Zurich Exklusivpartner) nach wie vor einer der wichtigsten Vertriebswege der Zurich ist und dies auch bleiben wird. Daran wird nicht gerüttelt. Zurich hat derzeit rund 1.400 Vermittler in Deutschland. Das bedeutet, dass unsere Zurich Agenturen keinen Mehrfachstatus bekommen. Sie bleiben im Status der Ausschließlichkeit; wir setzen ausdrücklich nicht das Modell der ALH um. Das, was derzeit berichtet wird, betrifft lediglich ein optionales Zusatzangebot(!) für unsere Ausschließlichkeit. Dieses Modell sieht den Mehrfachagenten (MFA) als Zusatzangebot zur Nutzung vor; die einzelne Agentur kann es nutzen oder auch nicht.“
Nach einer erfolgreichen Pilotphase soll das Modell nun schrittweise auf rund 100 Agenturen ausgeweitet werden.

Zwischen der ALH-Gruppe und Zurich gibt es neben dem ‚Schwund im AO-Vertrieb‘ eine weitere Gemeinsamkeit: Kooperationspartner für die Transformation im Vertrieb ist die vfm-Gruppe. Die Pegnitzer bestätigten auf Versicherungsbote-Anfrage die Kooperation, wollten aber zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Details bekanntgeben. Auf ihrer Webseite stellt die vfm-Gruppe jenes Programm vor, das sowohl bei ALH als auch bei Zurich zum Tragen kommt: ‚Das AOplus-Modell – Zukunftssicherung für Versicherer mit Ausschließlichkeitsvertrieb‘.

Stabilisierung durch Öffnung

Zurich sieht die Einführung des Mehrfachagenten-Modells als Möglichkeit, bestehende Kundenverbindungen zu stabilisieren. „Die Besonderheit des Modells ist, dass Zurich Vermittler künftig zusätzlich auch Fremdverträge betreuen können, sofern der Kunde das wünscht. Dies ist ein Asset, um Gesamtkundenverbindungen zu stabilisieren. Wir gehen davon aus, dass die Öffnung einer Ausschließlichkeit auch in Teilen dort als MFA tätig zu werden, wo Gesellschaften beispielsweise gewisse Risiken nicht zeichnen, in den kommenden Jahren verstärkt Nachfrage im Markt erhalten wird. Daher probieren wir derzeit dieses Modell exklusiv für die AO in einem Piloten aus.“

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Hinweis: In einer älteren Version des Textes fehlten die O-Töne der Zurich. Sie wurden nachträglich ergänzt.