Der Pflege-Bahr wurde 2013 durch das Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG) ins Leben gerufen, um die private Pflegevorsorge mit staatlichen Zuschüssen attraktiver zu machen. Die Idee war einfach: Zahlt der Versicherte mindestens 10 Euro im Monat, fördert der Staat die Pflegevorsorge mit 60 Euro jährlich. Auch die Bedingungen sollten so ausgestaltet sein, dass möglichst viele Menschen in den Genuss einer privaten Pflegevorsorge kommen.

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Ein besonderes Merkmal war der Verzicht auf eine Gesundheitsprüfung, was den Tarif auch für Menschen mit Vorerkrankungen zugänglich machte. Die Versicherer waren verpflichtet, Interessenten ohne Risikoausschlüsse oder -zuschläge aufzunehmen. Auch dürfen Versicherer keine ordentliche Kündigung aussprechen. Der Anspruch an die geförderten Produkte war groß: Sie sollten helfen, Lücken der gesetzlichen Pflegeversicherung zu schließen. Aktuelle Zahlen aber legen nahe, dass der Plan gescheitert ist.

Schrumpfende Bestände und schwaches Neugeschäft

Die jüngsten Zahlen zeigen deutlich, dass der Pflege-Bahr im Gesamtmarkt der Pflegezusatzversicherungen eine immer geringere Rolle spielt. Von den 3.209.300 Versicherten mit Pflegezusatzversicherung in 2023 entfallen laut GDV lediglich 892.500 auf den Pflege-Bahr – ein Anteil von gerade einmal 27,8 Prozent. Genauere Zahlen zu der Entwicklung der Bestände und zum Neugeschäft liefert nun die Zeitschrift für Versicherungswesen (ZfV) in einer neuen Analyse.

So ist bei nur zwei Anbietern in 2023 der Bestand an Personen in der gesetzlich geförderten Pflegezusatzversicherung überhaupt gewachsen: am stärksten bei der Debeka, die 199.336 Policen hält. Das sind 4.826 Personen mehr als 2022. Bescheidener ist schon der Wachstum der Arag: ein Bestand von 3.617 versicherten Personen beim Pflege-Bahr bedeutet ein Plus um 13 Personen. Bei allen anderen Anbietern hingegen nahm der Bestand ab, wie das Beispiel der Marktführer hinter der Debeka verdeutlicht: Die UKV verlor 2.565 Personen und liegt nun bei 99.796 Versicherten, während die R+V ihren Bestand um 2.521 Personen auf 98.206 reduzierte. Auch die Allianz verzeichnete einen Rückgang von 62.689 auf 62.067 Versicherte.

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Geringes Neugeschäft verstärkt den Rückzug

Noch deutlicher wird der Bedeutungsverlust, wenn man das Neugeschäft betrachtet:

  • Nur drei Unternehmen konnten 2023 überhaupt mehr als 1.000 Policen beim Pflege-Bahr verkaufen.
  • 9.943 verkaufte Policen bei der Debeka machen 61,3 % des gesamten Neugeschäfts im Pflege-Bahr-Segment aus.
  • Die R+V erzielte das zweithöchste Neugeschäft – die 1.919 verkaufte Policen in 2023 bedeuten immerhin nur einen Rückgang um zwei Verträge im Vergleich zum Vorjahr.
  • Die Allianz schaffte es mit 1.407 verkauften Policen, ihr Neugeschäft leicht um 15 Policen zu steigern: Rang drei beim Neugeschäft mit dem "Pflege-Bahr".
  • Alle anderen Versicherer, die in der Zeitschrift für Versicherungswesen gelistet sind, erzielten keine vergleichbaren Ergebnisse. Besonders drastisch fiel der Rückgang bei der Ergo aus, deren Neugeschäft von 793 auf 287 Policen sank. Die UKV machte keine Angaben zum Neugeschäft.

Pflege-Bahr auch durch Kritik geschwächt

Ein zentraler Grund für die Schwächung des Pflege-Bahrs könnte die anhaltende Skepsis der Verbraucherschützer sein. Stiftung Warentest kritisiert zum Beispiel das schlechte Preis-Leistungs-Verhältnis. Ein wesentlicher Punkt der Kritik ist, dass Versicherte auch im Pflegefall weiter Beiträge zahlen müssen, was den finanziellen Nutzen der Versicherung erheblich schmälert. Viele Versicherte zahlen letztlich mehr in die Versicherung ein, als sie im Pflegefall an Leistungen zurückerhalten, so die verbrauchernahe Organisation auf ihrer Webseite.

Auch reichen die gesetzlich festgelegten Mindestleistungen – wie etwa 600 Euro monatlich im Pflegegrad 5 (gemäß § 127 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI) – nicht aus, um hohe Eigenanteile insbesondere für die stationäre Pflege zu decken. Der Eigenanteil für die Unterbringung in einem Pflegeheim liegt inzwischen im Bundesdurchschnitt bei 3.123 Euro (Versicherungsbote berichtete). Dieses Problem hoher Eigenanteile betrifft allerdings nicht nur den Pflege-Bahr. Selbst leistungsstärkere Pflegezusatzversicherungen, die höhere monatliche Leistungen bieten, schaffen es oft nicht, die enormen Kosten der stationären Pflege vollständig abzudecken. Sie können die finanzielle Lücke lediglich mildern, aber selten vollständig schließen.

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Für bestimmte Zielgruppen dennoch wichtig

Trotz der Kritik ist der Pflege-Bahr für bestimmte Zielgruppen weiterhin wichtig. Besonders Menschen mit Vorerkrankungen, die bei anderen Versicherungen aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation abgelehnt werden, können auf den Pflege-Bahr zurückgreifen. Da dieser Tarif ohne Gesundheitsprüfung angeboten wird, stellt er für sie häufig die einzige Möglichkeit dar, sich privat gegen Pflegekosten abzusichern. Trotz der vergleichsweise geringen Leistungen bleibt der Pflege-Bahr für diese Versicherten eine relevante Absicherungsmöglichkeit.

Debeka stemmt den Vertrieb zu großen Teilen allein

Obwohl der Pflege-Bahr insgesamt immer mehr an Bedeutung verliert, gibt es einen Versicherer, der sich weiterhin am Markt engagiert: die Debeka. Sie trägt den größten Teil des Vertriebs, während sich andere Anbieter zunehmend aus dem Geschäft zurückziehen – die Zahlen haben es gezeigt. Marc Surminski bringt die Situation für die ZfV treffend auf den Punkt: „Ohne die Debeka, die von Anfang an im Vertrieb konsequent auf das Produkt gesetzt hatte, wäre dieser Markt eigentlich nicht mehr existent."

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Die starke Abhängigkeit vom Marktführer wirft aber auch Fragen auf, wie zukunftsfähig das Produkt ohne weitere Unterstützung anderer Versicherer ist. Angesichts der rückläufigen Bestände und des schwachen Neugeschäfts bei nahezu allen anderen Anbietern bleibt fraglich, ob der Pflege-Bahr langfristig Bestand haben wird. Zahlen zum Pflege-Bahr und viele weiterer Kennzahlen zur PKV sind kostenpflichtig in einer aktuellen Analyse auf der ZfV-Webseite verfügbar.

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