Die Allianz will als erster deutscher Versicherer bei der Reparatur von Unfallwagen auch Gebrauchtteile verwenden. Das soll nicht nur die Schadenkosten senken, sondern ist auch umweltfreundlicher. Kunden sollen vor einer Reparatur gefragt werden, ob sie damit einverstanden sind. Die Pläne, geeignete Fahrzeugteile dem deutschen Reparaturmarkt zur Verfügung zu stellen, hatte der Versicherer im April 2024 verkündet. „Wir wollen den Gebrauchtteilemarkt in Deutschland stärken, denn die Verwendung von gebrauchten Ersatzteilen ist nicht nur aus Kostengesichtspunkten, sondern vor allem auch aus Nachhaltigkeitsgründen sinnvoll“, sagt Frank Sommerfeld, Vorstandsvorsitzender der Allianz Versicherungs-AG.

Anzeige

Bislang gibt es hier noch keinen breiten Markt für gebrauchte Ersatzteile von jüngeren Fahrzeugen zwischen drei und acht Jahren. Doch der Markt für gebrauchte Kfz-Ersatzteile wächst in Deutschland. Demnach habe sich Gebrauchtteileangebot bei ClaimParts seit April 2024, auch durch den Anschluss weiterer Lieferanten, um 40 Prozent von 3,2 auf 4,5 Millionen Teile erhöht. Auch die Restwertbörse green.casion habe die Anzahl der angeschlossenen zertifizierten Recycler von 8 auf 20 erhöhen können. Einige Kfz-Versicherer prüfen die alternative Vermarktung von Totalschäden mit Verwerternachweis.

„Die Entwicklung stimmt mich positiv. Wir hoffen, dass noch viele Versicherer unserem Beispiel folgen“, sagt Sommerfeld. Neben dem energieintensiveren stofflichen Recycling bei der Fahrzeugproduktion gewinnt die Wiederverwendung gebrauchter Ersatzteile im Sinne eines Second Life immer mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz. Wenn ein gebrauchtes Ersatzteil zur Verfügung steht, können Fahrzeughalter frei entscheiden, ob sie mit dem Einbau eines gebrauchten Teils einverstanden sind. Laut einer Allianz-Umfrage würden 89 Prozent der Verbraucher eine Reparatur ihres Fahrzeugs mit gebrauchten, aber vollständig intakten und zertifizierten Ersatzteilen akzeptieren. Diese hohe Zustimmung in der Umfrage hat sich in der Praxis bestätigt. „Jeder zweite von uns angesprochene Kunde, bei dem eine Reparatur des Fahrzeugs mit gebrauchten Ersatzteilen möglich war, hat sich für eine nachhaltige Reparatur entschieden“, sagt Sommerfeld.

Hohe Reparaturkosten drücken

In den vergangenen Jahren hatte sich die Entwicklung der privaten Kfz-Versicherung als herausfordernd sehr erwiesen. Denn die Versicherer kämpfen mit überdurchschnittlich hohen Reparaturkosten nach Unfällen. Allein die Preise für Autoersatzteile waren zwischen August 2023 und August 2024 im Schnitt um 6,2 Prozent gestiegen. Im Jahr davor waren die Preise im Schnitt um 9,7 Prozent erhöht worden.

Doch nicht nur die steigenden Kosten von Ersatzteilen treiben die Kosten der Versicherer in die Höhe. Denn auch die Stundensätze in Kfz-Werkstätten sind im vergangenen Jahr erneut deutlich gestiegen, wie aus einer Auswertung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hervorgeht. „Arbeiten an der Mechanik, Elektrik oder der Karosserie kosteten 2023 im Schnitt 188 Euro pro Stunde, Lackierarbeiten sogar 205 Euro. Beide Preise stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 8,6 Prozent“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.

Anzeige

Die höheren Stundensätze und die steigenden Ersatzteilpreise führen bei den Versicherern zu wachsenden Reparaturkosten nach Unfällen. „Im vergangenen Jahr kostete ein Pkw-Sachschaden die Kfz-Haftpflichtversicherer im Durchschnitt rund 4.000 Euro, das waren 8,6 Prozent mehr als im Vorjahr“, erklärt Asmussen. 2017 lag dieser Wert noch bei rund 2.700 Euro.

Autos mit gebrauchten Ersatzteilen reparieren

Dieser Entwicklung will man mit gebrauchten Ersatzteilen entgegenwirken. Wenn ein gebrauchtes Ersatzteil zur Verfügung steht, können Fahrzeughalter frei entscheiden, ob sie mit dem Einbau eines gebrauchten Teils einverstanden sind. Laut einer Allianz-Umfrage würden 89 Prozent der Verbraucher eine Reparatur ihres Fahrzeugs mit gebrauchten, aber vollständig intakten und zertifizierten Ersatzteilen akzeptieren. Diese hohe Zustimmung in der Umfrage hat sich in der Praxis bestätigt. „Jeder zweite von uns angesprochene Kunde, bei dem eine Reparatur des Fahrzeugs mit gebrauchten Ersatzteilen möglich war, hat sich für eine nachhaltige Reparatur entschieden“, sagt Sommerfeld.

In vielen Ländern funktioniert der Gebrauchtteilemarkt schon lange. In den USA und Schweden werden seit über 25 Jahren Gebrauchtteile für die Unfallreparatur verwendet. England, die Niederlande und Frankreich sind diesem Beispiel in den letzten Jahren gefolgt und haben den Handel und die Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen, auch mittels Einführung gesetzlicher Vorgaben, gefördert. Dort gibt es bereits Werkstatterfahrungen bei der Reparatur, Gebrauchtteileportale und Logistiklösungen, die sich in der Praxis bewährt haben. „Auch in Deutschland brauchen wir gesetzliche Rahmenbedingungen, um diese Entwicklung schneller voranzutreiben. Nur gemeinsam können wir es schaffen, unbeschädigte Teile einem sinnvollen neuen Verwendungszweck zuzuführen“, sagt Sommerfeld. Wenn es in Deutschland eine ausreichende Verfügbarkeit von gebrauchten Ersatzteilen auch für jüngere Modellreihen gibt, plant die Allianz einen Kfz-Tarif, der die Verwendung von verfügbaren gebrauchten Teilen beinhaltet.

Anzeige

Derzeit bietet der Münchenern Versicherer mit über 1.400 Partnerwerkstätten eine Reparatur mit gebrauchten Ersatzteilen an. Rund 25 Außenteile wie Türen sowie Front- und Heckklappen, aber auch Spiegel, Scheinwerfer oder Rückleuchten würden verwendet. Sicherheitsrelevante Teile wie Lenkungen, Achsteile oder Räder würden derweil nicht genutzt. Für den GreenPart-Prozess eignen sich rund zehn Prozent der echten Totalschäden besonders gut. Da die Fahrzeuge unbeschädigte Ersatzteile liefern müssen, fallen die meisten rundum beschädigten Fahrzeuge als Spender weg. Durch das Unwetter „Radha“ Anfang Juni 2024 wurden viele Fahrzeuge durch Hochwasser zum Totalschaden, ohne dabei äußerlich beschädigt zu sein. Insgesamt habe die Allianz dadurch 62 Kundenfahrzeuge mit rund 1.200 Teilen als Ersatzteilspender einsteuern können.

Der Recycler prüfe die Funktion des Gebrauchtteils und nimmt es, wie beim Neuteil, im Falle einer berechtigten Reklamation zurück. Die Reparaturen erfolgten fachgerecht in den Partnerwerkstätten. „Unsere Kundinnen und Kunden erhalten ein Jahr Garantie auf das gebrauchte Ersatzteil – die gleiche Garantie wie bei einer Reparatur mit Neuteilen“, sagt Sommerfeld.

Seite 1/2/