Wohngebäudeversicherung: Auch weit gefasste Klauseln können den Versicherungsschutz kosten
Ein Urteil des Bundesgerichtshofs zur Wohngebäudeversicherung zeigt, wie streng auch unpräzise formulierte Sicherheitsklauseln ausgelegt werden. Versicherungsbote stellt das Urteil vor und erläutert die weitreichenden Folgen einer Obliegenheitsverletzung für den Versicherungsschutz.
- Wohngebäudeversicherung: Auch weit gefasste Klauseln können den Versicherungsschutz kosten
- Wie der BGH sein Urteil begründete
Was als gemütlicher Abend mit einem selbstgebauten Pizzaofen geplant war, endete für einen Hausbesitzer in einem finanziellen Desaster. Der Ofen, unsachgemäß errichtet und ohne behördliche Abnahme, löste einen Brand aus, der das Dach und die Fassade des Hauses schwer beschädigte. Trotz einer ersten Zahlung von 100.000 Euro verweigerte die Wohngebäudeversicherung des Hausbesitzers die vollständige Schadensregulierung und berief sich auf eine Verletzung der vertraglichen Sicherheitsobliegenheiten.
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Der spätere Kläger, der Hausbesitzer, war jedoch überzeugt, dass ihm die vollständige Schadensregulierung zustand. Aus seiner Sicht erschien die Sicherheitsklausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu ungenau und weit gefasst, sodass er davon ausging, dass er keine spezifischen Sicherheitsvorkehrungen hätte treffen müssen. Insbesondere argumentierte er, dass die Klausel keine klaren Hinweise auf die Notwendigkeit einer behördlichen Abnahme des Pizzaofens enthielt und damit für ihn nicht eindeutig genug war, um zu verstehen, welche Sicherheitsvorschriften er konkret hätte einhalten müssen. In seinen Augen lag der Fehler in der unklaren Formulierung der Vertragsbedingungen, die es ihm nicht ermöglichten, die genaue Tragweite seiner Pflichten zu erkennen.
Der Weg durch die Instanzen: Unterschiedliche Bewertungen
Nachdem der Versicherer die vollständige Zahlung verweigerte, zog der Hausbesitzer vor Gericht. Es folgte ein Weg durch die Instanzen: Das Landgericht Stade (Az.: 14 O 402/20) entschied zunächst zugunsten der Versicherung – und stellte fest, dass die Sicherheitsklauseln hinreichend klar formuliert seien und der Versicherungsnehmer fahrlässig gehandelt habe, indem er die Abnahme des Ofens unterließ. Doch der Kläger ging in Berufung. Das Oberlandesgericht Celle (Az.: 5 U 102/22) hob das Urteil des Landgerichts auf und urteilte zugunsten des Hausbesitzers. Es bewertete die Klauseln als zu ungenau formuliert und argumentierte, dass der Versicherungsnehmer nicht ausreichend darüber informiert gewesen sei, welche Sicherheitsvorkehrungen er konkret hätte einhalten müssen. „Die Bezugnahme auf ‚alle behördlichen und vertraglichen Vorschriften‘ ist zu vage, um eine bindende Wirkung zu entfalten“, so das OLG. Das freilich wollte das Versicherungsunternehmen nicht hinnehmen – und ging in Revision, um vor dem Bundesgerichtshof das Urteil anzufechten.
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Der Bundesgerichtshof korrigiert: Strenge Auslegung der vagen Klausel rechtens
Der Bundesgerichtshof (Az.: IV ZR 350/22) sah dies nun aber auch anders – und hob das Urteil des OLG auf. In seinen Urteilsgründen stellte der BGH klar, dass die Klausel in den VGB 2014 ausreichend präzise sei und den Versicherungsnehmer in die Pflicht nehme, „alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen“, um den Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten. „Die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften ist von zentraler Bedeutung, um Schäden zu verhindern“, erklärte der Bundesgerichtshof.
Wie der BGH sein Urteil begründete
Ein zentraler Punkt des Urteils ist, dass die Vertragsklauseln weit gefasst sein dürfen, solange sie den Zweck der Risikominimierung klar erfüllen. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alle relevanten gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglichen Vorschriften zu kennen und umzusetzen. Hierzu zählen etwa Bestimmungen, die den Betrieb eines Pizzaofens betreffen – wie die Pflicht zur behördlichen Abnahme. Der BGH stellte klar, dass der Hausbesitzer diese Vorschriften hätte kennen und beachten müssen, um den Versicherungsschutz zu wahren.
Das Gericht betonte, dass der Versicherungsnehmer nicht nur für bekannte Vorschriften verantwortlich ist, sondern auch für solche, die ihm zumutbar bekannt sein müssen. Hierzu gehören etwa gesetzliche Bauvorschriften, die im Falle eines Brands durch unsachgemäße bauliche Veränderungen wie den Betrieb eines Ofens schwerwiegende Konsequenzen haben können.
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„Verletzt der Versicherungsnehmer schuldhaft eine vertragliche Obliegenheit, die der Schadensverhütung dient, führt dies zur Leistungsfreiheit des Versicherers“, führte das Gericht hierzu aus.
Warum das Urteil eine Wende darstellt
Der BGH korrigierte die Entscheidung des OLG Celle, weil er die Klausel nicht als unklar oder benachteiligend ansah. Vielmehr betonte der BGH, dass der Hausbesitzer als Versicherungsnehmer in der Lage war, sich über die gesetzlichen und behördlichen Vorschriften zu informieren. „Die Missachtung der Sicherheitsobliegenheiten stellt eine grobe Pflichtverletzung dar“, so der BGH. Der Kläger hätte wissen müssen, dass der Betrieb eines Pizzaofens ohne behördliche Abnahme ein Risiko darstellte, das den Versicherungsschutz gefährdete.
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Dieses Urteil verdeutlicht, dass Sicherheitsklauseln in Versicherungsverträgen strenger ausgelegt werden als viele Versicherungsnehmer vermuten. Auch wenn Klauseln weit gefasst sind, entbinden sie den Versicherungsnehmer nicht von der Pflicht, sich zu informieren und die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen. Insbesondere die baulichen Vorschriften im Zusammenhang mit Feuerstellen, wie in diesem Fall der Pizzaofen, waren für den Versicherungsnehmer zumutbar zugänglich und verständlich.
Was Vermittler und Versicherungsnehmer aus dem Urteil lernen können
- Sicherheitsvorschriften sind bindend: Versicherungsnehmer müssen alle relevanten gesetzlichen, behördlichen und vertraglichen Sicherheitsvorschriften einhalten – auch solche, die im Laufe des Versicherungsverhältnisses neu hinzukommen. Besonders bei baulichen Maßnahmen wie der Errichtung eines Pizzaofens müssen Versicherungsnehmer sicherstellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind. Die Missachtung solcher Vorschriften führt nicht nur zu baurechtlichen Konsequenzen, sondern kann auch den Versicherungsschutz gefährden.
- Weit gefasste Klauseln sind kein Freifahrtschein: Auch wenn Klauseln nicht ins Detail gehen, sind sie dennoch wirksam, solange sie den Zweck der Risikoverminderung und Schadensprävention klar erfüllen. Versicherungsnehmer sind verpflichtet, sich über die einschlägigen Vorschriften zu informieren. Die bloße Unklarheit oder Allgemeinheit der Klauseln entbindet nicht von der Pflicht, grundlegende Sicherheitsvorschriften zu beachten.
- Erhebliche Folgen bei Verstößen: Die vorsätzliche Verletzung von Sicherheitsobliegenheiten kann zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers führen. Hierfür reicht es aus, dass die Vorschriften zumutbar bekannt sein müssen. Torheit oder Unwissenheit schützt in solchen Fällen nicht vor dem Verlust des Versicherungsschutzes. Selbst eine ungenaue oder allgemeine Formulierung der Klauseln entbindet den Versicherungsnehmer nicht von der Verantwortung, sich über relevante rechtliche Anforderungen zu informieren.
- Wohngebäudeversicherung: Auch weit gefasste Klauseln können den Versicherungsschutz kosten
- Wie der BGH sein Urteil begründete