Krankengeld-Berechnung: Unregelmäßige Sonderzahlungen bleiben außen vor
Regelmäßige Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld erhöhen das Krankengeld – unregelmäßige Boni und Prämien hingegen oft nicht. Ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg veranschaulicht den Unterschied.
- Krankengeld-Berechnung: Unregelmäßige Sonderzahlungen bleiben außen vor
- Die Urteilsgründe: Klare Berechnungsbasis für das Krankengeld und Schutz vor Missbrauch
- Schutz vor Missbrauch des Sozialsystems
Für viele Arbeitnehmer sind Sonderzahlungen – wie Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Prämien – einen wichtigen Teil ihres Einkommens. Sie schaffen ein finanzielles Polster neben dem regelmäßigen Nettolohn und sind zugleich ein Zeichen der Anerkennung durch den Arbeitgeber. Auch für die Höhe des Krankengelds können Sonderzahlungen berücksichtigt werden. Das allerdings gilt nur für regelmäßige Sonderzahlungen, wie die Universa gerade in einer Pressemitteilung erklärt. Unregelmäßige Zahlungen hingegen müssen nicht berücksichtigt werden. Versicherungsbote nimmt diesen Hinweis zum Anlass, um anhand eines Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg die Rechtslage vorzustellen.
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Regelmäßige Sonderzahlungen: fließen gedeckelt in die Berechnung ein
Gesetzliche Grundlage für die Berechnung des Krankengelds ist Paragraf 47 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V). Demnach gilt: Einmalzahlungen, die regelmäßig und in vorhersehbarer Höhe gezahlt werden – wie zum Beispiel Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld –, werden in die Berechnung des Krankengeldes einbezogen. Diese Zahlungen gelten als fester Bestandteil des Einkommens, wenn sie im Rahmen des Gehaltsystems fest verankert sind. Wichtig ist, dass diese Zahlungen der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterliegen. Werden die Beiträge dafür gezahlt, berücksichtigt die Krankenkasse den anteiligen Betrag und addiert ihn zum kalendertäglichen Regelentgelt.
Allerdings gibt es bei der Berechnung des Krankengelds eine Deckelung, die auch für regelmäßige Sonderzahlungen gilt. Arbeitnehmer, die länger als sechs Wochen krank sind, erhalten Krankengeld in Höhe von 70 Prozent des regelmäßig erzielten Bruttoarbeitsentgelts – jedoch nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Dieser Betrag wird zusätzlich dadurch begrenzt, dass das Krankengeld insgesamt nicht mehr als 90 Prozent des letzten Nettoverdienstes erreichen darf. Diese doppelte Deckelung stellt sicher, dass das Krankengeld als reine Entgeltersatzleistung dient und eine Überkompensation durch Sonderzahlungen ausgeschlossen bleibt. Für das Jahr 2023 liegt das tägliche Höchstkrankengeld bei 120,75 Euro.
Die Deckelung wird dadurch erreicht, dass die anteiligen Beträge aus regelmäßigen Einmalzahlungen, wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld, nur bis zu dieser 90-Prozent-Grenze des letzten Nettoverdienstes berücksichtigt werden. Auch wenn diese Zahlungen den Bruttobetrag erhöhen, bleibt der Anteil, den die Krankenkasse berechnet, begrenzt. Zusätzlich werden vom Bruttokrankengeld bis zu 12,9 Prozent Sozialabgaben abgezogen, was die Nettosumme für den Versicherten weiter reduziert.
Bei unregelmäßigen Sonderzahlungen ist der Rechtsstand anders
Bei unregelmäßigen Sonderzahlungen aber ist der Rechtsstand anders; hierzu gehören Boni und Prämien, die an keine regelmäßigen Zeitpunkte oder festen vertraglichen Verpflichtungen gebunden sind. Sie können stark schwanken und sind oft das Ergebnis besonderer Leistungen oder Unternehmensergebnisse. Gemäß Rechtsprechung können unregelmäßige Sonderzahlungen bei Berechnung des Krankengeldes komplett übergangen werden. Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Az. L 5 KR 3231/21) veranschaulicht dies beispielhaft.
Klage eines Krankenversicherten, der mit weit mehr Krankengeld gerechnet hatte
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war die Lage eines freiwillig gesetzlich versicherten Mannes, der im November 2018 schwer erkrankte und monatelang arbeitsunfähig war. Als die Lohnfortzahlung seines Arbeitgebers endete, beantragte er Krankengeld. Doch schon beim ersten Bescheid stellte er fest: Das Krankengeld lag deutlich unter seinem bisherigen Verdienst. Der Grund: Sonderzahlungen wie Boni und Prämien blieben bei der Berechnung außen vor, was den Betrag spürbar minderte. Der Mann hielt dies für ungerecht, da solche Zahlungen ebenfalls Teil seines Einkommens seien und seine finanzielle Lage widerspiegelten.
Überzeugt, dass er gegenüber anderen Sozialleistungen – wie zum Beispiel dem Arbeitslosengeld – benachteiligt sei, entschied er sich, juristisch gegen seinen Krankengeldbescheid vorzugehen. Seine Forderung: Auch unregelmäßige Zahlungen sollten in die Berechnungsgrundlage einfließen. Doch die Krankenkasse lehnte ab – und verwies hierbei auf einen Absatz in Paragraf 47 SGB V, wonach nur regelmäßige Einkünfte bedacht werden müssen. Entschlossen, dies nicht zu akzeptieren, klagte der Mann schließlich gegen seine Krankenkasse.
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Der Rechtsstreit durch die Instanzen
Der Mann reichte seine Klage beim Sozialgericht Heilbronn ein – und argumentierte hierfür, dass die Deckelung und Berechnung des Krankengeldes gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) verstoße. Das Sozialgericht wies die Klage jedoch ab (Az. S 12 KR 2541/19). Also ging der Mann in Berufung vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg. Doch auch hier hatte der Kläger keinen Erfolg: Mit Urteil vom 13.12.2023 wurde die Klage auch vom Landessozialgericht zurückgewiesen. Doch wie begründete dies das Sozialgericht? Könnte man dem Mann doch tatsächlich darin folgen, dass eine solche Berechnungsgrundlage gerade jene Arbeitnehmer benachteiligt, bei denen unregelmäßige Sonderzahlungen und Boni einen großen Teil des Lohnes ausmachen.
Die Urteilsgründe: Klare Berechnungsbasis für das Krankengeld und Schutz vor Missbrauch
Das Landessozialgericht nennt drei zentrale Gründe für den Ausschluss unregelmäßiger Sonderzahlungen bei der Krankengeldberechnung: die Entgeltersatzfunktion, die Verwaltungspraktikabilität und den Schutz des Sozialversicherungssystems vor Missbrauch. Diese Gründe gewährleisten eine nachvollziehbare und gerechte Berechnung des Krankengeldes:
Entgeltersatzfunktion
Das Krankengeld ist primär als Einkommensersatz gedacht und soll lediglich den Verdienstausfall während einer Arbeitsunfähigkeit abdecken, ohne dem Versicherten einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Der Kläger wandte ein, dass sowohl die Deckelung als auch der Ausschluss unregelmäßiger Sonderzahlungen wie Boni gegen das Gleichheitsgebot verstoße. Das Gericht sah dies jedoch anders: Durch die 90-Prozent-Deckelung wird verhindert, dass das Krankengeld den regulären Nettolohn übersteigt, was auch für regelmäßige Sonderzahlungen gilt. Diese Begrenzung schützt vor Überkompensation und stellt sicher, dass das Krankengeld lediglich das Einkommen ersetzt, das kurz vor der Erkrankung tatsächlich regelmäßig erzielt wurde.
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Eine Gleichstellung mit anderen Sozialleistungen, wie etwa dem Arbeitslosengeld, bei denen das gesamte Einkommen als Berechnungsbasis herangezogen wird, sah das Gericht nicht als notwendig an. Das Krankengeld hat speziell die Funktion, das zuletzt erhaltene, planbare Einkommen im Krankheitsfall abzusichern, ohne dabei zusätzliche Einkünfte wie unregelmäßige Prämien oder Boni zu berücksichtigen. So bleibt die Berechnung des Krankengeldes verlässlich auf den Kernverdienst des Versicherten beschränkt.
Verwaltungspraktikabilität
Die Berechnung des Krankengeldes muss für die Krankenkassen administrativ einfach und effizient sein, da die Auszahlung für viele Versicherte zeitnah erfolgen muss. Das Konzept der „Typisierung“ in Paragraf 47 SGB V sorgt dafür, dass Krankengeldanträge einheitlich und mit einem festen Schema bearbeitet werden können. Dadurch sparen die Krankenkassen nicht nur Zeit, sondern entlasten auch die Verwaltung und sichern eine schnelle Auszahlung für die Versicherten.
Das Gericht führt hierzu aus: „Die existenzsichernde Natur des Krankengeldes erfordert, dass die Feststellung der Leistungshöhe und die Auszahlung beschleunigt erfolgt. Das zwingt schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität zu einfachen Maßstäben bei der Leistungsberechnung."
Schutz vor Missbrauch des Sozialsystems
Das Gericht stellte auch heraus, dass die Begrenzung auf regelmäßige Zahlungen verhindert, dass Versicherte durch gezielte Einmalzahlungen im Krankheitsfall bessergestellt werden, als wenn sie reguläres Arbeitsentgelt beziehen würden. Würden unregelmäßige, steuerfreie Zahlungen wie Boni in die Berechnung einfließen, könnten Versicherte versuchen, durch solche Sonderzahlungen ihren Krankengeldanspruch zu erhöhen.
Paragraf 47 SGB V wirkt somit als präventive Maßnahme, die Berechnungsverzerrungen vorbeugt. Indem solche Einmalzahlungen konsequent ausgeschlossen bleiben, bleibt die Berechnungsbasis gerecht und widerstandsfähig. Der Gesetzgeber hat somit eine Regelung geschaffen, die den Grundgedanken des Krankengeldes als Entgeltersatz bewahrt und zugleich die Tragfähigkeit des Systems sichert. Das Urteil ist auf der Webseite der Justiz Baden-Württemberg verfügbar.
Fazit: Finanzielle Lücken im Krankheitsfall schließen
Trotz des Krankengeldes bleibt bei vielen Versicherten eine finanzielle Lücke, insbesondere bei jenen, die auch auf unregelmäßige Zahlungen wie Boni und Prämien angewiesen sind. Da das Krankengeld regelmäßig maximal 90 Prozent des letzten Nettoverdienstes abdeckt und bis zu 12,9 Prozent Sozialabgaben davon abgezogen werden, müssen Normalverdiener mit rund 21 Prozent weniger Einkommen als zuvor rechnen. Für Gutverdiener, deren Gehalt über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, kann die Differenz sogar noch größer ausfallen.
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Diese Einbußen sind vielen Verbrauchern nicht bewusst, wie die uniVersa Versicherung in ihrer Pressemitteilung feststellt. Für Versicherte, die auf ihr volles Einkommen angewiesen sind – etwa in der Familienphase, bei hohen laufenden Verpflichtungen oder wenn unregelmäßige Sonderzahlungen regelmäßig eine Rolle spielen – kann daher eine private Krankentagegeldversicherung sinnvoll sein, um das finanzielle Risiko längerer Krankheitsphasen besser abzusichern.
- Krankengeld-Berechnung: Unregelmäßige Sonderzahlungen bleiben außen vor
- Die Urteilsgründe: Klare Berechnungsbasis für das Krankengeld und Schutz vor Missbrauch
- Schutz vor Missbrauch des Sozialsystems
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