Pflege-Bahr: Niedrige Eintrittsbarrieren, aber höhere Beiträge für ältere Versicherte
Die geförderte Pflegeversicherung fristet ein Schattendasein. Lediglich der PKV-Marktführer Debeka kann mit dem Pflege-Bahr punkten. Welche Probleme das Produkt seit seiner Einführung hat, erklärt Debeka-Chef Thomas Brahm.
Mit Einführung der fünf Pflegegrade im Jahr 2017 wurde auch der Pflege-Bahr aus der Taufe gehoben. Seither können Verbraucher, ohne eine Gesundheitsprüfung, geförderte Pflegezusatztarife abschließen. Die Marktdurchdringung blieb seither überschaubar. Denn insbesondere die Preisstruktur der Tarife sowie die weiterlaufenden Beiträge auch bei Pflegebedürftigkeit stehen häufig in der Kritik.
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Ein zentraler Punkt des Pflege-Bahrs ist die Zugangsoffenheit: Er steht auch Menschen mit Vorerkrankungen zur Verfügung, die bei klassischen Pflege-Zusatzversicherungen häufig keine Chance auf Abschluss haben. Diese „offene Annahmepolitik“ bringt jedoch einige Herausforderungen mit sich, die sich auch in der Preisgestaltung widerspiegeln. „Bei der Kalkulation des Pflege-Bahrs mussten wir Versicherer sehr viele Vorgaben beachten, was für die Kunden auf der einen Seite sehr vorteilhaft ist“, erklärt Thomas Brahm, Vorstandsvorsitzender des Debeka sowie auch Vorsitzender des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, im Interview mit Versicherungsbote. Besonders junge Versicherte profitierten von einem niedrigen Eigenbeitrag und einer hohen Förderquote, was den Einstieg in die private Pflegevorsorge deutlich erleichtern würde.
Brahm betont, dass das Produkt sich idealerweise für jüngere Versicherte eigne, da die Beiträge bei einem frühen Abschluss verhältnismäßig niedrig bleibe. Dennoch habe das Konzept auch seine Kehrseiten. „Diese Vorzüge machen den Tarif auf der anderen Seite aber insbesondere für ältere Versicherte in Relation teurer als herkömmliche Pflege-Zusatzversicherungen“, stellt PKV-Vorsitzende fest. Der hohe Beitrag für ältere Versicherte im Vergleich zu herkömmlichen Pflege-Zusatzversicherungen ist ein häufig bemängelter Punkt, der jedoch als Konsequenz der Zugangsoffenheit und der umfassenden Leistungsbereitschaft des Pflege-Bahrs gesehen werden müsse.
Um eine Balance zwischen wirtschaftlicher Tragfähigkeit und einer stabilen Beitragsentwicklung zu schaffen, hat die Debeka eine besondere Maßnahme ergriffen: Den Pflege-Bahr koppelt der Krankenversicherer an den ungeförderten Pflegezusatztarif. Kunden, die gesund genug sind, den ungeförderten Tarif abzuschließen, schließen gleichzeitig den Pflege-Bahr ab. Dies vermeide, dass sich gesunde Versicherte ausschließlich für den günstigeren ungeförderten Tarif entscheiden, während Versicherte mit Vorerkrankungen allein den Pflege-Bahr nutzten. Durch diese Kopplung bleibe die Risikostruktur des Bestands stabiler, was wiederum eine langfristige Beitragsstabilität begünstigt.
Kritik an der Beitragszahlung im Pflegefall: Ein komplexes Thema
Die weiterlaufenden Beiträge im Pflegefall seien ein weiterer Punkt, der von Kunden und Verbraucherschutzorganisationen wie der Stiftung Warentest kritisiert werde. Brahm sieht diesen Aspekt jedoch differenziert. Er erklärt, dass die Beitragsbefreiung im Pflegefall höhere Beiträge für alle Versicherten zur Folge hätte oder alternativ durch die Beiträge der gesunden Versicherten finanziert werden müsste. „Die Beitragsbefreiung bei Pflegebedürftigkeit sehen wir eher kritisch“, so Brahm, da dies im Widerspruch zu einem fairen Preis-Leistungs-Verhältnis stünde. Er argumentiert, dass der Eigenbeitrag gerade bei jungen Versicherten niedrig gehalten werden könne und dadurch die finanzielle Belastung überschaubar bleibe.
Pflege-Bahr als Grundbaustein für eine umfassende Absicherung
Zusammengefasst beschreibt Brahm den Pflege-Bahr als eine Grundabsicherung, die durch einen ungeförderten Tarif sinnvoll ergänzt werden kann. Die Debeka sieht den Pflege-Bahr als „Sockel“ für die private Pflegevorsorge, der besonders jenen einen Zugang zu einer Pflegeversicherung ermöglicht, die aufgrund gesundheitlicher Voraussetzungen oder finanzieller Einschränkungen sonst möglicherweise keinen Versicherungsschutz erhalten würden. Brahm betont: „Im Idealfall kombinieren die Versicherten ohnehin beides: Der Pflege-Bahr bildet dann den Sockel der Absicherung, auf den noch eine individuelle Ergänzung aufgesetzt werden kann.“
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Diese Kombination würde Versicherten die Möglichkeit bieten, ihre Pflegeabsicherung schrittweise auszubauen und den Pflege-Bahr als flexible Basis zu nutzen. Vor allem für jüngere und gesundheitsbewusste Versicherte, die frühzeitig in ihre Pflegevorsorge investieren, könne der Pflege-Bahr zusammen mit einem ergänzenden Tarif eine langfristig stabile und leistungsfähige Pflegeabsicherung bieten.