Der Klimawandel und die zunehmende Urbanisierung erhöhen weltweit das Risiko von Überschwemmungen – eine Entwicklung, die die Versicherungsbranche vor große Herausforderungen stellt. Laut einer aktuellen Studie des Swiss Re Institute verursachten Naturkatastrophen im Jahr 2023 weltweit Schäden in Höhe von 280 Milliarden USD, von denen allein 51,6 Milliarden USD auf Überschwemmungen entfielen. Diese Schäden könnten zunehmen, da der Klimawandel die Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen verstärkt und die Ausdehnung von Städten dazu führt, dass mehr Vermögenswerte in gefährdeten Gebieten liegen. „Ohne geeignete Schutzmaßnahmen könnten sich klimabedingte Schäden bis 2050 mindestens verdoppeln“, warnt Anja Käfer-Rohrbach, Geschäftsführerin des GDV. Der Anstieg der Schäden stellt auch die Versicherungswirtschaft vor enorme Herausforderungen.

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Schutzmaßnahmen als wirtschaftlich sinnvolle Alternative zum Wiederaufbau

Schutzmaßnahmen wie Deiche, Dämme und Fluttore sind zwar kostspielig, bieten aber einen erheblichen wirtschaftlichen Nutzen: Die Studie des Swiss Re Institute zeigt, dass Schutzmaßnahmen wie Deiche und Dämme Flutschäden an Küsten sehr effektiv reduzieren können. Ihr Nutzen kann die Kosten weltweit um das Zwei- bis Siebenfache übersteigen, in hochwassergefährdeten Gebieten sogar um das Zehnfache. Bei optimaler Bauweise können sie in dicht besiedelten Regionen Flutschäden um 60 bis 90 Prozent verringern. In weniger dicht besiedelten Gebieten sind naturnahe Lösungen wie die Wiederherstellung von Barriereinseln oder die Bepflanzung von Uferbereichen ebenfalls wirksam. Auch politische Maßnahmen, wie Landnutzungsbeschränkungen und Bebauungsregulierungen in Risikogebieten, erhöhen die Wirksamkeit des Hochwasserschutzes, insbesondere in Schwellenländern.

GDV und DAV fordern nationale Präventionsstrategien

Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) als auch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) drängen auf umfassende Präventionsmaßnahmen. Der GDV legte 2023 ein Konzept vor, das vier zentrale Forderungen umfasst:

  1. Klimaangepasstes Planen, Bauen und Sanieren
  2. Baustopp in Überschwemmungsgebieten
  3. Stopp der Flächenversiegelung und verpflichtende Klima-Gefährdungsbeurteilungen
  4. Aufbau eines bundesweiten Naturgefahrenportals zur Risikoinformation der Bevölkerung

„Noch viel wichtiger als regionale fokussierte Einzelmaßnahmen ist es jedoch, dass z.B. Hochwasserschutz auf höherer Ebene orchestriert wird. Flüsse fließen oft durch mehrere Bundesländer und Nationen. Daher fängt Hochwasserschutz auch schon in Zuständigkeitsgebieten an, die von den Folgen nicht unbedingt betroffen sein müssen. Trotzdem ist es wichtig, dass hier etwas unternommen wird“, sagt Maximilian Happacher, Vorsitzender der DAV. Zudem müsse die Prävention von privaten und gewerblichen Hausbesitzern mit geeigneten Maßnahmen gefördert werden. Dadurch ließen sich auch die Versicherungsbeiträge deutlich senken.

Skepsis gegenüber Pflichtversicherung: Fehlanreize befürchtet

In der Debatte um eine verpflichtende Elementarversicherung äußern sich GDV und DAV skeptisch. Laut DAV könnten Fehlanreize entstehen, da Hausbesitzer möglicherweise weniger in Prävention investieren, wenn eine Pflichtversicherung Schäden abdeckt. GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen warnt, dass ohne wirksame Präventionsmaßnahmen allein klimabedingte Schäden die Prämien für Wohngebäudeversicherungen in den nächsten zehn Jahren verdoppeln könnten. „Mancherorts könnten Versicherungen so teuer werden, dass sie sich viele Kunden nicht mehr leisten können“, so Asmussen.

Elementarschadenversicherung: Noch immer viele Gebäude ungeschützt

Obwohl die Naturgefahrenversicherung mittlerweile bei Neuabschlüssen Standard ist, fehlt in rund 8,3 Millionen deutschen Gebäuden ein umfassender Schutz vor Hochwasser und Starkregen. GDV-Geschäftsführerin Anja Käfer-Rohrbach warnt: „Extreme Wetterereignisse häufen sich, und dennoch sind viele Gebäude nicht ausreichend versichert.“ Besonders ältere Verträge decken oft nur Sturm- oder Hagelschäden ab, während der notwendige Zusatzbaustein für Naturgefahren fehlt.

Kooperation zwischen Staat und Versicherern nötig

Um die finanzielle Belastung der Versicherungsnehmer zu reduzieren und gleichzeitig einen umfassenden Schutz zu gewährleisten, plädieren GDV und DAV für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Staat und Versicherungswirtschaft. Internationale Vorbilder wie Frankreich, Belgien und Großbritannien setzen auf öffentlich-private Partnerschaften, um die Kosten extremer Wetterereignisse fair zu verteilen und die Versicherungsdeckung flächendeckend zu sichern. Ein ähnliches Modell könnte auch in Deutschland helfen, die finanziellen Lasten für Versicherer und Versicherungsnehmer nachhaltig zu bewältigen.

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Ähnlich äußert sich auch Veronica Scotti, Chairperson Public Sector Solutions bei Swiss Re: „Investitionen in Hochwasserschutz stärken nicht nur die Sicherheit, sondern auch die wirtschaftliche Resilienz.“ Angesichts der chronischen Unterfinanzierung fordert sie bessere Voraussetzungen für den Einsatz privaten Kapitals zur Finanzierung dieser Projekte. Die Versicherungswirtschaft kann Schutzmaßnahmen durch ihre Expertise im Risikomanagement unterstützen. Eine frühzeitige Einbindung von Versicherern in die Planung solcher Maßnahmen ermöglicht es, Risiken zu mindern und die finanzielle Sicherheit im Katastrophenfall zu gewährleisten.