Allianz-Vorstand Daniel Bahr sieht Reformbedarf in der Pflegeversicherung
Die alternde Gesellschaft in Deutschland setzt die umlagefinanzierte Pflegeversicherung zunehmend unter Druck. Welche Herausforderungen in der Pflegefinanzierung bestehen und warum eine Reform dringend notwendig wäre, erklärt Daniel Bahr, Mitglied des Vorstands der Allianz Private Krankenversicherungs-AG, im Interview mit dem Fachportal "asscompact"
„In einer alternden Gesellschaft wie der unseren stößt die umlagefinanzierte Pflegeversicherung naturgemäß an ihre Grenzen: Die Beiträge einer sinkenden Zahl an Erwerbstätigen sollen zu einem Großteil die Versorgung einer wachsenden Zahl von Älteren finanzieren“, erklärt der ehemalige Gesundheitsminister.
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Ein Hauptproblem sei der Anstieg der Pflegekosten bei gleichzeitig begrenzten Beitragszahlern. Das Bundesgesundheitsministerium prognostiziert, dass die Zahl der Pflegebedürftigen von derzeit etwa fünf Millionen bis 2055 auf fast sieben Millionen steigen wird. Die Pflegekosten würden somit unaufhaltsam weiter steigen und eine immer größere Belastung für jüngere Generationen darstellen. „Die Folgen sind höhere Beitragssätze, die die nachfolgenden Generationen zu stemmen haben. Das ist ungerecht und nicht nachhaltig“, warnt Bahr und fordert dringend eine Reform des Systems.
Kapitalgedeckte Pflegevorsorge als Lösungsansatz
Bahr plädiert für eine verstärkte kapitalgedeckte Finanzierung der Pflege. Dies wäre nicht nur finanziell nachhaltiger, sondern würde auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt zwischen Jung und Alt stärken. Für die Jüngeren sieht Bahr in einer kapitalgedeckten Pflegezusatzversicherung eine Perspektive, sich unabhängig von den staatlichen Finanzierungsengpässen abzusichern. Diese Art der Absicherung hat den Vorteil, dass die vertraglich garantierten Leistungen nicht von politischen Entscheidungen betroffen sind – ein wichtiger Punkt, da der Leistungsumfang der gesetzlichen Pflegeversicherung in Zukunft noch weiter angepasst werden könnte.
„Statt immer mehr Kosten auf die Jüngeren abzuwälzen, müssen wir ihnen eine Perspektive bieten, wie sie sich in einem kapitalgedeckten System privat absichern können“, betont der Volkswirt. Die Pflegezusatzversicherung biete hierbei eine Absicherung, die im Gegensatz zur gesetzlichen Absicherung stabil und unabhängig von politischen Veränderungen bleibe.
Als zusätzlichen Weg nennt Bahr die betriebliche Pflegeversicherung. Hier können Arbeitgeber durch eine von ihnen finanzierte Pflegeversicherung für ihre Angestellten sorgen. „Ein sehr guter Ansatz, die Pflegevorsorge auf ein zusätzliches, kapitalgedecktes Standbein zu stellen, ist die betriebliche Pflegeversicherung über den Arbeitgeber“ führt Bahr aus. Damit die betriebliche Pflegeversicherung jedoch breite Akzeptanz findet, wäre laut Bahr eine staatliche Förderung – ähnlich wie bei der betrieblichen Altersvorsorge – sinnvoll.
Aufklärung als gesellschaftliche Verantwortung
Ein weiteres Problem sieht Bahr in der Unterschätzung des Pflegerisikos. Viele Deutsche glauben, über die verpflichtende Pflegeversicherung (GKV/PKV) ausreichend abgesichert zu sein. Doch die gesetzliche Pflegeversicherung deckt nur einen Teil der tatsächlichen Pflegekosten ab, sodass die Betroffenen hohe Eigenanteile selbst tragen müssen. In Zahlen bedeutet das: Rund Drei Viertel der Menschen werden im Laufe ihres Lebens pflegebedürftig, doch nur ein Bruchteil ist ausreichend privat abgesichert.
Hier sieht Bahr die Versicherungsbranche in der Verantwortung. Allianz-Vermittler erfahren in Beratungsgesprächen, dass viele Menschen tatsächlich vorsorgen wollen, wenn ihnen das Risiko bewusst ist. Zudem betont Bahr die Bedeutung eines frühen Einstiegs in die private Pflegevorsorge: „Mit einer Pflegezusatzversicherung ist zu relativ geringen Beiträgen die vollständige Absicherung der Pflegekosten möglich“, so der gelernte Bankkaufmann. Wer jung und gesund eine solche Absicherung abschließt, profitiert von niedrigen Beiträgen, die auch im Alter stabil bleiben.
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