Versicherungsunternehmen in den Staaten Europas und Nordamerikas kämpfen vermehrt mit zunehmend saturierten Märkten. Infolgedessen wird verstärkt nach neuen Wachstumstreibern mit demografischem Rückenwind gesucht: Derzeit verzeichnen Tierkrankenversicherungen bei ausgewählten Versicherern ein sehr starkes Wachstum. Steigende Tierarztkosten, innovative Produkte und die stärkere Bindung von Tierhaltern an ihre Tiere sind die wesentlichen Gründe dafür.

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Auch StartUps sind weltweit auf diesen lukrativen Markt aufmerksam geworden und setzen traditionelle Versicherer durch leistungsstarke Absicherungsmodelle unter Druck. Lassie aus Schweden wurde 2020 als erste präventive Tierversicherung ins Leben gerufen und Cleos Welt richtet sich derzeit mit einem attraktiven Angebot insbesondere an junge Tierbesitzer. Auch der ADAC bietet nun für ins Ausland reisende Haustiere seit diesem Jahr einen entsprechenden Schutz an. Gesundheit steht nun nicht mehr nur für den Menschen im Vordergrund, sondern auch für seinen tierischen Freund.

Haustiertrend bietet Chancen

Dr. Thomas Zwack, Partner Advyce & Company und Kfz-VersicherungsexperteAdvyce & Perlitz GmbHFür etablierte Versicherungsunternehmen und neue Marktteilnehmer bietet eine (Haus)-Tierversicherung große Chancen und natürlich auch einige Risiken. Und diese hängen von verschiedenen Faktoren ab, dazu gehören der Markt, die Zielgruppe und die operative Umsetzung.

Das Image des Versicherers als empathisches und kundenorientiertes Unternehmen kann durch ein attraktives Tierversicherungsprodukt deutlich gestärkt werden. Menschen, insbesondere in urbanen Gebieten, halten immer öfter Tiere und wollen diesen natürlich auch den bestmöglichen Schutz bieten – idealerweise bei einem Versicherungsunternehmen mit einem starken und preislich attraktiven Leistungsangebot. Mittlerweile sind sich die Tierhalter auch der hohen Tierarztkosten durchaus bewusst, wodurch die Bereitschaft steigt, genau diese Versicherungen abzuschließen. Viele Tierbesitzer sehen ihre Tiere als Familienmitglieder und investieren gerne in deren Wohlbefinden – sei es durch biologisches und besonders nahrhaftes Futter, hochwertige Accessoires oder eben einen umfassenden Versicherungsschutz.

Mit neuen Lösungen den Markt erobern

Durch die digitale Transformation, die mittlerweile in nahezu allen Versicherungsunternehmen Einzug gehalten hat, können Technologien wie Apps, Telemedizin oder KI-gestütztes Leistungsmanagement von den Versicherungsunternehmen nun auch auf die Tierversicherung übertragen werden, um die Betriebskosten zu senken und die Kundenerfahrung deutlich zu steigern. Auch Datenanalysen erlauben bei zunehmendem Volumen der versicherten Tiere immer präzisere Risikobewertungen. Tierversicherungen können mit anderen Produkten, etwa mit Hausrat- oder Haftpflichtversicherungen, kombiniert werden. Es ist mittlerweile bekannt, dass Tierhalter oft über Jahre hinweg ihrem Versicherer die Treue halten, was stabile Einnahmen garantiert.

Tücken des Trends

Ein großes Risiko für Versicherer hingegen sind die Tierarztkosten, die kontinuierlich ansteigen, was die Schadensquoten erhöht und die Prämiengestaltung erschwert. Zudem sind Tiere im Sinne einer Risikokalkulation deutlich unberechenbarer als Menschen. Es gibt eine größere Varianz in den Gesundheitsrisiken, insbesondere bei exotischen oder seltenen Tierarten. Die Einschätzung der voraussichtlichen Lebensdauer und des Gesundheitsverlaufs von Tieren steht noch am Anfang und ist aufgrund der Vielzahl von zu versicherten Tierarten und Rassen deutliche komplexer als beim Menschen. Auch Tierseuchen treten beispielsweise unvermittelt auf, führen zu plötzlicher Häufung von Schadensfällen und beeinflussen die Schadenquote in nicht unerheblichem Maße.

In den kommenden Jahren sind bei bestehenden Tierversicherungen deshalb Anpassungen in verschiedenen Bereichen zu erwarten, die sowohl durch technologische Fortschritte als auch durch gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen getrieben werden. Ebenso werden weitere Player in diesen Bereich vordringen. Es ist zum einen zu erwarten, dass der Deckungsumfang für Haustiere deutlich erweitert wird. Neben flexibleren und maßgeschneiderten Policen, die sich an spezifischen Bedürfnissen orientieren (z. B. Rasse, Alter, Gesundheitszustand), werden Vorsorgeleistungen, wie Impfungen, Zahnpflege oder regelmäßigen Check-ups unterstützt. Erste Versicherer bieten bereits die Kostenübernahme von alternativen Therapien wie Akupunktur, Physiotherapie oder Homöopathie, die bei Tierbesitzern immer beliebter werden, an. Die Insurance-Industrie muss in den kommenden Jahren sicherstellen, dass Betrugsmöglichkeiten rund um die Haustierprodukte deutlich reduziert werden. Zu häufig wird derzeit noch bei Vorerkrankungen und Alter geschummelt. Mit der Professionalisierung rund um Hund und Katze dürfte sich hier jedoch die Datenlage in Zukunft deutlich verbessern.

Tech-Offensive und Partnerschaften öffnen Türen zu Wachstum

Versicherer werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die schon aus der Humanmedizin bekannten Telemedizin-Dienste integrieren, um Beratung und Erstdiagnosen kosteneffizienter zu gestalten. Ebenso wird das Angebot durch sogenannte Gesundheitsüberwachungsgeräte, die Daten zu Bewegung, Herzfrequenz oder Fressverhalten liefern, ausgeweitet, um Risiken besser kalkulieren zu können.

Auch eine Ausweitung des Angebots auf weitere Tierarten wird sehr wahrscheinlich. Mit der zunehmenden Haltung exotischer Tiere (z. B. Reptilien, Vögel) könnte der Markt für entsprechende Versicherungen wachsen. Spezifische Policen für Arbeitstiere (z. B. Assistenzhunde) oder Tiere in der Landwirtschaft könnten ebenfalls stärker nachgefragt werden.

Bereits heute existieren Partnerschaften mit Tierärzten und Kliniken. Versicherer werden zukünftig noch enger mit Tierarztpraxen zusammenarbeiten, um Rabatte oder Sonderleistungen für ihre Kunden anzubieten zu können. Durch exklusive Netzwerke erhalten Versicherer bevorzugten Zugang zu Tierkliniken oder Spezialisten. Ebenso ist die Entwicklung von speziellen Versicherungen oder Ausschlüssen für neue Risiken im Zusammenhang mit zoonotischen Krankheiten zu erwarten.

Die Tierversicherung wird in den nächsten Jahren flexibler, technologisch fortschrittlicher und stärker kundenorientiert. Versicherer, die sich frühzeitig auf diese Trends einstellen, können Wettbewerbsvorteile sichern und sich in einem stark wachsenden Markt etablieren.

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